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ADB:Otto, Christian

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Artikel „Otto, Christian“ von Franz Muncker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 751–752, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Otto,_Christian&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 19:41 Uhr UTC)
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Otto: Georg Christian O., geb. am 9. December 1763, war der zweite Sohn des sittenstrengen, wegen des asketischen Ernstes seiner Reden „Strafprediger“ genannten Vesperpredigers Heinrich O. in Hof. Er bezog zu Anfang der achtziger Jahre die Universität Leipzig, um sich der Theologie zu widmen, wandte sich aber bald zur Rechtsgelehrsamkeit und betrieb zuletzt auch dieses Studium nur nach allgemeinen wissenschaftlichen Beziehungen, obwol er seinen Bruder, den Hoffiscal Albrecht O. in Hof, eine Zeit lang in seiner juristischen Praxis unterstützte. Nach dem Tode seines Vaters war er nach Hof zurückgekehrt, wo er in behaglichen Verhältnissen mit der Mutter und den Geschwistern halb der Verwaltung eines Fabrik- und Handelsgeschäftes, bald aber ausschließlich den Wissenschaften lebte. Die Freundschaft zu Jean Paul, die seit dem gemeinsamen Besuch des Höfer Gymnasiums und der Leipziger Universität in beider Seelen keimte, gewann jetzt reichliche Nahrung und wankellos festen Bestand für’s Leben. Jean Paul, damals Lehrer in Töpen, darauf in Schwarzenbach bei Hof, genoß in dem gastfreien Hause des reicheren Freundes manche Wohlthat. Namentlich aber stand ihm O., dessen Liebe und Begeisterung für den dichtenden Genossen sich von Jahr zu Jahr steigerte, als treuer Beirath zur Seite: er zügelte die leidenschaftlich-fessellose Phantasie des jungen Schriftstellers, milderte die Härten und Schärfen seines eigenthümlichen Wesens, wählte die Themata aus, die jener behandeln sollte, urtheilte feinfühlig und gründlich, wenn auch bisweilen etwas befangen, über die Arbeiten, die derselbe ihm regelmäßig vorlegte, [752] und steigerte weislich beständig seine künstlerischen Forderungen an den Heißbewunderten. So entspann sich ein schwärmerisch inniger, biographisch und litterarisch bedeutsamer Briefwechsel zwischen den beiden, namentlich aus den Jahren 1790–1804, der nach ihrem Tode 1829–1833 in vier Bänden gesammelt erschien. 1800 verheirathete sich O. mit einer Jugendfreundin Amöne Herold aus Hof, welche, frühzeitig mit Jean Paul bekannt und innig befreundet, auch selbst litterarisch einigermaßen thätig war; zum Aufenthaltsort hatte er schon das Jahr zuvor Bayreuth gewählt. Nachdem er lange aus übergroßer Liebe zur unabhängigen wissenschaftlichen Arbeit sich um kein Amt beworben hatte, nahm er 1802 die Stelle eines Quartiermeisters in einem zu Bayreuth liegenden preußischen Infanterieregiment an. Nach der Jenaer Schlacht (1806) erhielt er das Amt eines Privatsecretärs des Prinzen Wilhelm von Preußen, machte als solcher 1807 den Feldzug in Ostpreußen mit, kehrte aber schon 1808 in sein behagliches Privatleben nach Bayreuth zurück. Er verließ dasselbe nur noch einmal vorübergehend 1820–1821 auf Veranlassung des bairischen Ministers v. Lerchenfeld, um in München bei einer neuen Organisation der Handelsverhältnisse im Königreiche mitzuwirken. Er starb wenige Jahre nach seinem Freunde am 7. Februar 1828. – O. beschäftigte sich schon in den neunziger Jahren vielfach mit wissenschaftlichen Untersuchungen meist geschichtlichen oder statistischen Inhalts; doch wurde, von einzelnen Recensionen und Aufsätzen für Zeitschriften abgesehen, nichts davon öffentlich kund. Zur eigentlichen schriftstellerischen Thätigkeit entschloß er sich erst mehrere Jahre darnach auf das wiederholte Andringen Jean Pauls; doch wollte er auch da nicht mit seinem Namen hervortreten. Meist schrieb er unter dem Pseudonym Georgius (auch Christianus). So steuerte er 1802–1804 größere Aufsätze zu Woltmanns „Journal für Geschichte und Politik“ bei: „Parallele der Kreuzzüge, Reformation und Revolution“, „Gleichgewicht von Europa“, „Luther und Loyola“, „das Leben des Cola di Rienzo“ und andere. 1810 veröffentlichte er „Handels- und Finanz-Pandora der neuesten Zeit“ und, dem Inhalte nach damit verwandt, „Metamorphose des germanischen Adels“, eine halb rechtsgeschichtliche, halb socialpolitische Schrift. 1811 folgten zwei Bändchen „Geschichts-, Finanz- und Handelsansichten“, 1813 „Betrachtungen über den Cours der österreichischen Einlösungsscheine“, 1814 „Versuch einer Darstellung der Licenzengeschichten“, schon auf dem Titelblatt als „eine Bittschrift an die zum Wohl Europas verbündeten Monarchen um Abstellung der Seekaperei“ bezeichnet und wiederholt in diesem Sinn den Fürsten Europas ans Herz gelegt. Um unsere Litteraturgeschichte erwarb sich O. besonders durch seine Bemühungen um Jean Pauls Nachlaß Verdienste. Von ihm rührte die Anordnung der „Selina“ (1827) her; er gab 1827 und 1828 das zweite und dritte Heft der „Wahrheit aus Jean Pauls Leben“ heraus, worin er die mit dem verstorbenen Dichter gemeinsam verlebte Jugendzeit aus vielen, unmittelbar mitgetheilten und nur durch spärliche Zwischenbemerkungen oder Ergänzungen unterbrochenen Briefen, Tagebüchern, litterarischen Entwürfen und Bruchstücken des jungen Schriftstellers schilderte; liebevoll ging er auch auf das Kleinste im Leben und Schaffen des Freundes ein, verschwieg aber bescheiden sein eignes Verdienst um dessen Entwicklung vollständig.

Neuer Nekrolog der Deutschen, 1828, S. 921. – Vorrede zu Jean Pauls Briefwechsel mit O., 1829. – Mittheilung aus dem Bayreuther Kirchenbuch.