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ADB:Palm, Philipp

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Artikel „Palm, Johann Philipp“ von J. Braun in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 102–104, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Palm,_Philipp&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:15 Uhr UTC)
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Palm: Johann Philipp P., wurde am 18. December 1766[1] in Schorndorf in Würtemberg als Sohn eines Apothekers geboren, besuchte die Volksschule daselbst und erlernte dann bei seinem Oheim, dem Buchhändler Johann Jacob Palm in Erlangen, den Buchhandel. Auf einer Reise nach Leipzig zur Ostermesse lernte ihn der Buchhändler Stein in Nürnberg kennen und bot ihm eine Stelle als Gehilfe in seinem Geschäfte an. Nachdem sich P. mit der Tochter Steins verheirathet hatte, wurde er Besitzer der Stein’schen Buchhandlung in Nürnberg. Im J. 1806 erschien im Verlag dieser Firma eine kleine Broschüre ohne Angabe des Verfassers, Verlegers oder Druckers unter dem Titel „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung“. Die 144 Seiten starke Schrift beleuchtete mit reifem politischen Verständniß die traurige Lage Deutschlands, geißelte in scharfer Weise das Betragen der französischen Truppen in Baiern und verurtheilte in derber Art das Wesen und Handeln Napoleons. Im Uebrigen zeichnet sich die Schrift in keiner Weise durch formelle Vorzüge oder Tiefe der Gedanken aus. Sie erhielt aber eine ungewöhnliche Bedeutung durch die Folgen, die ihre Veröffentlichung hatte und die für P. verderblich wurden. Ein Exemplar derselben war von P. der Stage’schen Buchhandlung in Augsburg geliefert und von dieser einem Geistlichen zugeschickt worden, bei welchem sich französische Officiere im Quartier befanden, die der deutschen Sprache mächtig waren. Diese äußerten ihren Unwillen über den Inhalt der Schrift, und setzten die französische Regierung von derselben in Kenntniß. Von dieser war es bald durch den Geschäftsführer der Stage’schen Buchhandlung ermittelt, daß P. der Verbreiter der Flugschrift war. Infolgedessen erschienen am 28. Juli vier schwarzgekleidete Herren in der Stein’schen Buchhandlung in Nürnberg, fragten nach dem Vorrath jener Schrift und stellten eine Haussuchung an, mußten aber, ohne ein Exemplar gefunden zu haben, sich wieder entfernen, da der Gehilfe Palm’s, Pech, die Exemplare bei Seite geschafft und der Drucker Hessel in Altdorf auf dessen Anrathen einen ganzen Ballen davon in seinen Brunnen versenkt hatte. P., der damals zur Messe in München war, kam hierauf am 9. August nach Nürnberg und bat die damalige Behörde der Buchhändler, das Vormundamt zu Nürnberg, um eine gerichtliche Untersuchung, die aber aus unbekannten Gründen abgelehnt wurde. Als P. davon Kenntniß erhalten hatte, daß der Geschäftsführer der Stage’schen Buchhandlung in Augsburg, v. Jenisch, wegen Verbreitung dieser Schrift verhaftet worden war, begab er sich am 15. August zu seinem Oheim nach Erlangen, welche Stadt damals noch unter preußischem Schutze stand, während Nürnberg schon seit einiger Zeit von den Franzosen besetzt war. Trotzdem er von seinen Freunden gewarnt war, kehrte er doch schon nach einigen Tagen nach Nürnberg zurück, ließ sich aber nicht öffentlich sehen, weil der französische General Frère öfter nach ihm gefragt hatte. Als eines Tages ein ärmlich gekleideter Knabe mit der Bitte um einen Beitrag zur Unterstützung einer alten Soldatenwittwe in die Stein’sche Buchhandlung kam und darauf drang, P. selbst zu sprechen, ließ derselbe, nichts Schlimmes ahnend, den Jungen vor sich kommen, zumal das Zeugniß, das dieser vorlegte, von angesehenen Bürgern Nürnbergs unterzeichnet war. Kaum hatte sich aber dieser Knabe entfernt, so kamen auch schon zwei französische Gensdarmes in die Buchhandlung, [103] drangen sofort in Palm’s Zimmer und forderten ihn auf, sie zum französischen General zu begleiten. Auf dessen Befragen erwiderte P., daß er jene Schrift nur zur Weiterbeförderung von unbekannter Hand erhalten habe, worauf ihm befohlen wurde, sein Haus nicht mehr zu verlassen. Wenige Stunden darauf wurde ihm durch einen französischen Officier mitgetheilt, daß seine Wohnung nicht genug Sicherheit böte, infolgedessen P. in ein verschlossenes Zimmer des Rathhauses gebracht wurde. Am andern Morgen, nachdem man ihm noch gestattet hatte, von Gattin und Kindern Abschied zu nehmen, wurde er in Begleitung zweier Gendarmes und des ihm auf Bitten seiner Gattin als Rechtsanwalt beigegeben Dr. v. Holzschuher in einem Wagen zu dem Marschall Bernadotte nach Ansbach abgeführt. Hier erklärte man ihm, daß Alles verloren sei, da seine Verhaftung sich auf einen unmittelbaren Befehl aus Paris begründe, und brachte ihn in ein gemeines Gefängniß. Nachdem sein Rechtsanwalt das nöthige Reisegeld verschafft hatte, da er sonst hätte zu Fuß reisen müssen, brachte man ihn nach der österreichischen Stadt Braunau, wo er am 22. August eintraf. Unterdessen hatte Palm’s Gattin an den französischen Minister Otto in München ein Bittschreiben eingereicht, das unbeantwortet blieb und dem Minister Berthier ein Bittschrift übergeben lassen, auf die der Bescheid erfolgte, daß alles vergebens und nichts mehr rückgängig zu machen sei. In Braunau wurde die Sache mit der größten Eile betrieben. Die mittels kaiserlichen Decrets vom 7. Juli 1806 ernannte Commission, die auf Befehl vom 12. August des Reichsmarschalls Fürsten von Neufchatel sich in Braunau zu constituiren hatte, verurtheilte nach nur zweimaligem Verhör, wobei ein Vertheidiger nicht zugelassen worden war, bereits am 25. August den Buchhändler P. wegen Verbreitung von Schandschriften, welche gegen den Kaiser Napoleon gerichtet waren, zum Tode. P., welcher seine Unschuld auf das Klarste bewiesen zu haben glaubte, war der Ueberzeugung, daß er nun bald gänzlich frei gelassen werde. Als am 26. August Vormittags 11 Uhr sein Gefängniß geöffnet wurde, hoffte er nach Nürnberg zurückkehren zu dürfen, statt dessen wurde ihm das Todesurtheil bekannt gemacht, das an demselben Tage Nachmittags 2 Uhr vollzogen wurde. P. hatte sich vorher noch einen Geistlichen erbeten, auch an seine Angehörigen noch einen schmerzerfüllten Abschiedsbrief geschrieben, sich überhaupt standhaft und männlich gezeigt. Trotz der Fürbitten der Frauen und Kinder von Braunau wurde er auf Befehl des Festungscommandanten St. Hilaire unter starker militärischer Bedeckung und in Begleitung von zwei Geistlichen auf einem Leiterwagen vor das Salzburger Thor gebracht, wo das ganze in Braunau garnisonirende französische Militär aufgestellt war. Seiner Bitte entgegen wurden dem Verurtheilten die Augen verbunden; kaum hatten sich die Geistlichen entfernt, als sechs Soldaten in kurzer Entfernung mit zitternden Händen auf ihn abfeuerten. P. war schlecht getroffen, schrie laut auf und sank auf das Angesicht zu Boden. Sofort gaben drei andere Soldaten ihren Schuß ab, trafen aber ebenfalls schlecht und nun liefen zwei Soldaten herbei, setzen ihre Gewehre an die Stirn Palm’s, feuerten ab und machten den Kopf zerschmetternd seinem gräßlichen Leiden ein Ende. Der Leichnam wurde auf Veranlassung des Magistrats von Braunau von dem Todtengräber auf dem katholischen Gottesacker bestattet und ihm in dieser Stadt im J. 1866 ein Denkmal gesetzt. P. hätte vielleicht sein Leben retten können, wenn er den ihm bekannten Verfasser genannt hätte, aber er that dies nicht, um diesen dem sicheren Tod zu entreißen. Als der Verfasser der Schrift ist früher Graf Julius v. Soden genannt worden, doch hat derselbe dies entschieden verneint; dagegen dürfte die Autorschaft dem Johann Konrad von Yelin, damaligen Kammerassessor zu Ansbach mit Sicherheit zugeschrieben werden.

[104] Joh. Phil. Palm, Buchhändler zu Nürnberg. Auf Napoleons Befehl hingerichtet zu Braunau. Ein Beitrag zur Geschichte des letzten Jahrzehnds. Nürnberg 1814. – Fr. Schultheis, Glaubwürdige aus bis jetzt unbekannten Quellen nachgewiesene Mittheilungen über den Verleger und Verfasser der Schrift Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung. Nürnberg 1860. – Heinr. Merkens, Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung. Würzburg 1877. – Aus den Voracten zum Braunauer Blutgericht in der Augsburger Allgemeinen Zeitung etc. etc.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 102. Z. 8 v. o. l.: 17. November 1768. [Bd. 28, S. 808]