ADB:Pfeiffer, Ida
*): Ida P., berühmte Reisende, geboren am 14. October 1797, † am 27. October 1858 zu Wien. Sie war die Tochter eines angesehenen Kaufmanns Namens Reyer, aus einer noch jetzt blühenden Familie, verheirathete sich in ihrem zweiundzwanzigsten Lebensjahre mit einem Lemberger Advocaten Namens Pfeiffer, erlebte aber in dieser Ehe mannigfachen Glückswechsel und Ungemach. Im Alter von 45 Jahren, als sie bereits Mutter erwachsener Söhne war, erwachte bei ihr, zunächst angeregt durch eine Reise nach Triest und den Anblick des Meeres, eine unbezähmbare Lust zu großen Reisen. Allerdings war schon in ihrer Kindheit ein Zug zu abenteuerlichen Unternehmungen, eine männliche Energie und Thatenlust bemerkbar gewesen, welche der Erziehung Schwierigkeiten bereitet hatten. Durch den Ernst und zum Theil die Noth des Lebens zurückgedrängt, gewannen diese Neigungen jetzt nach der Vollendung der Erziehung ihrer Söhne und dem Wiedereintreten geordneter Vermögensverhältnisse abermals die Oberhand. Im J. 1842 reiste sie angeblich zum Besuche einer Freundin nach Constantinopel, dann aber weiter nach Syrien, Palästina und Aegypten. Auf Betreiben ihrer Freunde veröffentlichte sie ihr Reisetagebuch unter dem Titel „Reise einer Wienerin in das heilige Land“ (2 Bände, Wien 1843; 4. Aufl. 1856). Die Schilderung ist schlicht, öfter fast naiv, ohne jeden Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, oder auf den Ruhm geistreicher Damenschriftstellerei. Der gute Erfolg dieser ersten Reise und ihrer Beschreibung, welcher ihr die Möglichkeit erwiesen hatte, selbst mit ihren bescheidenen Mitteln große Unternehmungen zu vollführen, und außerdem Geld zu neuen Reisen verschafft hatte, ermuthigte zum Fortschreiten in der eingeschlagenen Richtung. Im April 1845 brach J. P. nach Island auf, erstieg den Hefla und kehrte über Christiania und Stockholm zurück. Die Beschreibung erfolgte unter dem Titel „Reise nach dem skandinavischen Norden und der Insel Island“, Pest 1846, 2 Bde. Schon 1846 reiste sie abermals und zwar über Hamburg nach Brasilien, von da nach Chile, Tahiti, China, Singapore, Ceylon, Madras, durch das Gangesland nach Bombay, weiter nach Mesopotamien, und über Urumia nach Täbris. Durch Transkaukasien und Südrußland kehrte sie nach zweieinhalbjahriger Abwesenheit nach Wien zurück. („Eine Frauenfahrt um die Welt“, Wien 1850, 3 Bde.) Obwol nach den außerordentlichen Strapazen dieser letzten Reise eine Zeit lang der Wunsch nach Ruhe sich geltend machte, überwog doch nach kurzer Erholung abermals die alte Leidenschaft, und 1851 machte sich J. P. abermals zu einer Weltreise auf den Weg. Ueber London und die Capstadt ging sie nach den Sundainseln, welche der Schauplatz ihrer kühnsten Unternehmungen wurden. Sie bereiste den nördlichen Theil von Borneo, dann Sumatra und Java, wobei sie sich mit wahrer Tollkühnheit in die Hände von Kopfabschneidern und Kannibalen begab, ohne jedoch irgendwie zu Schaden zu kommen. Im Sommer 1853 überquerte sie den großen Ocean, besuchte San Francisco, dann Panama und Peru. Ihr Vorsatz, nach Ueberschreitung der Cordillere den Amazonas von der Quelle bis zur Mündung zu verfolgen, blieb undurchführbar, sie kehrte daher nach Nordamerika zurück und durchreiste die Union. Erst Ende Mai 1855 erreichte J. P. nach einem Abstecher nach den Azoren Europa wieder. „Meine zweite Weltreise“, Wien 1856, 4 Bde.) Aber schon im Mai 1856 brach sie abermals auf, um Madagaskar zu besuchen. In Gesellschaft eines Franzosen (Lambert) aus Mauritius, der auf Madagaskar eigenthümliche Pläne verfolgte, gelangte sie nach Tananarivo, wo sie von der Königin gut aufgenommen wurde. Doch die auf einen Thronwechsel abzielende Unternehmung ihres Gefährten scheiterte und J. P. und Lambert mußten sich glücklich preisen, mit dem Leben [792] davon zu kommen. Die Strapazen der Rückreise von der Hauptstadt zur Küste untergruben aber J. Pfeiffer’s Gesundheit, so daß sie nach längerem Aufenthalt in Mauritius nach Europa zurückkehren mußte, wo sie einer Leberkrankheit, die sich aus dem Fieber entwickelt hatte, erlag.
PfeifferIda Pfeiffer’s „Talent zu reisen“ war fast eben so groß als ihre Reiselust und Kühnheit. Da sie selbst der wissenschaftlichen Bildung entbehrte, so ermangeln auch ihre Beschreibungen eigentlich wissenschaftlicher Resultate. Die von echter Wahrheitsliebe erfüllten schlichten Erzählungen ihrer Erlebnisse in selten betretenen Ländern wird aber Niemand ohne Interesse lesen, wie auch die bedeutende Verbreitung und die wiederholten Auflagen ihrer Werke beweisen. Besonders als Jugendlectüre waren sie einst nicht unbeliebt. J. P. war von unansehnlicher Gestalt, bescheiden und anspruchslos in ihrem Auftreten, wenn auch später nicht ohne Selbstgefühl, das durch die ehrende Anerkennung Humboldt’s und Ritter’s, sowie der geographischen Gesellschaften in Berlin und Paris, welche sie zum Ehrenmitgliede ernannten, wesentlich gehoben wurde.
- Biographie z. Th. nach eigenen Angaben bearbeitet von ihrem Sohne Oscar P. in „Reise nach Madagascar“, Wien 1861.
[791] *) Zu S. 639.