Zum Inhalt springen

ADB:Proske, Karl

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Proske, Karl“ von Wilhelm Bäumker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 666–668, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Proske,_Karl&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 20:25 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 26 (1888), S. 666–668 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Carl Proske in der Wikipedia
Carl Proske in Wikidata
GND-Nummer 118742027
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|26|666|668|Proske, Karl|Wilhelm Bäumker|ADB:Proske, Karl}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118742027}}    

Proske: Dr. Karl P., der geniale Reformator der katholischen Kirchenmusik, wurde geboren am 11. Februar 1794 zu Gröbnig, einem Dorfe in Preußisch-Schlesien. Sein Vater, ein reicher Gutsbesitzer und Erbrichter daselbst, hatte nach dem Tode zweier Söhne, die als Kinder starben, nur noch den einen (Karl), und außerdem 5 Töchter. Als die Mutter i. J. 1809 starb, heirathete er eine Wittwe, die ihm 6 Kinder ins Haus führte. Karl, den der Vater für die Landwirthschaft bestimmen wollte, beharrte, nachdem er das Gymnasium in Leobschütz absolvirt hatte, auf seinem Wunsche, weiter zu studiren. Hätte er seiner Herzensneigung folgen dürfen, so wäre er Theologe geworden. Da er aber hierzu die Zustimmung seines Vaters nicht erlangen konnte, so entschloß er sich, dem Studium der Medicin sich zu widmen. Er bezog die Universität in Wien und blieb dort bis zum Jahre 1813. Als nun plötzlich ganz Deutschland sich erhob, um das Joch der Fremdherrschaft abzuschütteln, folgte auch der junge P. dem Rufe zu den Fahnen und machte als Escadrons-, später als Regimentschirurg die Feldzüge in Frankreich mit. Nach Beendigung derselben besuchte er zuerst die Seinigen, ging dann 1816 nach Halle, wo er promovirte, und nach Berlin zur Ablegung der Staatsprüfung. Als praktischer Arzt war er thätig in Oberglogau, Oppeln und Pleß. Hier bekleidete er zugleich das Amt eines Kreisphysikus. Trotz des Ansehens, welches P. als Arzt in allen seinen Wirkungskreisen genoß und trotz vielseitiger Anerkennungen, die ihm von seiner vorgesetzten Behörde zu Theil wurden, glaubte er doch seinen Beruf verfehlt zu haben und seine Herzensruhe nur in der Verwirklichung des Wunsches finden zu können, dessen Realisirung ihm schon seit seiner Jugend als Ideal vor Augen schwebte. Das Verlangen, Priester zu werden, drängte sich ihm von Tag zu Tag immer lebhafter auf und veranlaßte ihn endlich, im J. 1823 nach Regensburg zu gehen und dort Theologie zu studiren. Nach einem vierjährigen Cursus legte er ein glänzendes Examen ab und wurde am 11. April 1826 durch den Bischof Sailer, der sein Freund und Berather war, zum Priester geweiht. Zunächst wirkte er als Stiftsvicar an der alten Capelle. Bei Organisation des Stiftes im J. 1831 wurde er zum Kanonikus daselbst und zugleich zum Pfarrvicar von St. Cassian ernannt. Nachdem seine äußere Stellung gesichert war, übte er auch ausnahmsweise wieder die ärztliche Praxis aus. Die Erlaubniß dazu war ihm von Rom aus bereitwilligst ertheilt worden. Selbstverständlich ließ er sich nur auf den dringenden Wunsch der Kranken hin bewegen. sein Amt als Arzt auszuüben, und zwar meistens als Beirath der ordinirenden Aerzte, unter denen neben Schäfer, Stöhr, Schreyer besonders Dr. Schnitzlein seine Freundschaft und sein Vertrauen besaß.

Von Jugend auf ein Musikfreund, hatte er seit seiner Anstellung in Regensburg die Zeit, welche von seinen Berufsarbeiten nicht in Anspruch genommen wurde, auf das Studium der Musik verwandt. Ganz besonders interessirte ihn die Kirchenmusik. Als Priester wußte er den Zusammenhang dieser Kunst mit der Liturgie wohl zu würdigen. Deßhalb erkannte er auch, daß die Entartung der Kirchenmusik seiner Zeit ihren letzten Grund habe in der Vernachlässigung der Liturgie. Als einziges Rettungsmittel schlug er die Rückkehr zum liturgischen Gesange, dem Gregorianischen Choral, und der aus ihm erwachsenen polyphonen Musik der Meister des 16. und 17. Jahrhunderts vor. Dabei hatte er den Bischof Sailer und den kunstsinnigen König Ludwig auf seiner Seite. Es galt also zunächst, ein liturgisches Choralbuch zu schaffen, und dann, die Compositionen der alten classischen Meister der Kirchenmusik seinen Zeitgenossen in neuen Ausgaben wieder zugänglich zu machen. Obwol er nun nach beiden Seiten hin eine Menge von Material gesammelt hatte, glaubte er doch, dieses genüge noch nicht und reiste im J. 1834 nach Rom. Während seines Aufenthaltes [667] in der ewigen Stadt, wo er mit Baini, dem Capellmeister der Sixtina, mit Overbeck, Veit, Thorwaldsen und andern berühmten Männern verkehrte, sammelte und copirte er mit unermüdlichem Eifer die Meisterwerke der classischen Periode der Kirchenmusik. Zu demselben Zwecke besuchte er noch Neapel und Assisi und kehrte dann 1836 nach Regensburg zurück. Kaum hatte er hier seine mitgebrachten Schätze geordnet, so ging er wieder nach Italien. Sein Besuch galt diesmal den Städten Bologna, Florenz und Pistoja. Eine dritte Reise, die er i. J. 1838 antrat, führte ihn über Altötting, Salzburg, Innsbruck, Verona und Vicenza nach Padua und Venedig. Von seinem Vorhaben, auch Spanien zu besuchen, nahm er auf den Rath des Königs Ludwig hin Abstand. Nach Deutschland zurückgekehrt, war nun seine ganze Sorge darauf hin gerichtet, auf Grund des gesammelten Materials eine Reform der Kirchenmusik ins Leben zu rufen. Durch die Empfehlung des Bischofs Reisach von Eichstätt erhielt er einen sachkundigen Mitarbeiter in dem Organisten und Chorregenten an der alten Capelle: J. G. Mettenleiter. Dieser suchte zunächst im Publicum das Interesse für die ältere Musik wieder zu erwecken, indem er die von P. in Partitur gesetzten classischen Meisterwerke sowol in Concerten, als auch später beim Gottesdienste selbst zur Aufführung brachte. Sodann bearbeitete er das neue Choralbuch unter Aufsicht Proske’s, während er diesem wieder behilflich war bei der Herausgabe der Musica divina. Der erste Band dieser großartigen Sammlung, 12 vierstimmige Messen der besten Meister enthaltend, erschien im J. 1854, nachdem das Enchiridion chorale kurz vorher ausgegeben worden war. Der Bischof Valentin empfahl 1857 diese beiden Publicationen in einem sehr anregenden Hirtenschreiben dem Klerus seiner Diöcese. Im J. 1854/55 folgte der zweite Band der Musica divina, mit vierstimmigen Motetten für das ganze Kirchenjahr. Seit dem Jahre 1856 ließ P. neben dieser ersten Publication und unabhängig von ihr den „Selectus novus Missarum“ erscheinen, eine Sammlung vier- bis achtstimmiger Messen. 1859 wurde der dritte Band der Musica divina publicirt, der die polyphonen Bearbeitungen der Vespergesänge enthält. Der vierte Band mit den Gesängen für die Charwoche, Litaneien und Te Deum wurde von P. noch druckfertig gestellt, aber erst nach seinem Tode vom Nachfolger Mettenleiter’s, G. Wesselak, herausgegeben.

Die Reformbestrebungen Proske’s fanden nach und nach die gebührende Anerkennung sowol von Seiten der Vorgesetzten, als auch in den Kreisen der Musikkenner. Der König Max II. von Baiern verlieh ihm das Ritterkreuz des Ordens vom heil. Michael, der Bischof Ignatius von Regensburg ernannte ihn zum bischöflichen Rath und zum außerordentlichen Ordinariatsmitgliede. Einen großen Erfolg seiner rastlosen Thätigkeit mußte er darin erblicken, daß noch zu seinen Lebzeiten der Dom von Regensburg eine Pflegestätte des Chorals sowol, wie der alten classischen Kirchenmusik wurde. P. starb am 20. December 1861. Die Inschrift auf seinem Grabstein charakterisirt in wenigen Worten seine Stellung in der Geschichte der Kirchenmusik: „Musicae divinae restaurator ingeniosissimus.“

Seine umfangreiche Bibliothek hatte er dem bischöflichen Stuhle in Regensburg vermacht. Sie umfaßt nach Kornmüller (Lexikon der kirchl. Tonkunst. Brixen 1870, S. 380) über 500 der wichtigsten theoretischen Werke über Musik älterer und neuerer Zeit, verschiedener Sprachen und Länder, theils der eigentlichen Doctrin, theils der Geschichte, theils den Hilfswissenschaften angehörig. Die Werke der praktischen Musik sind in 5 Partien geschieden: a) die liturgischen Gesangbücher, sowol die besten Ausgaben des Gregorianischen Gesanges (Drucke und Manuscripte) älterer Zeit, als auch die verschiedenen älteren und neueren Sammlungen des katholischen und protestantischen Kirchenliedes; b) ein beträchtlicher [668] Theil der 1842 käuflich erworbenen Hauber’schen Bibliothek (aus München), eine höchst reichhaltige Sammlung älterer Kirchenmusik und geistlicher Oratorien berühmter Meister, letztere vielfach in den Originalmanuscripten derselben; c) die eigene Sammlung in 150 großen und starkgefüllten Mappen, meist von der Hand Proske’s geschriebene Partituren älterer Meister, jedoch auch die besten Werke neuerer Musik in Manuscripten oder Druckausgaben, zusammen Werke von mehr als 600 Componisten enthaltend; vielen liegt eine kurze kritische Beurtheilung Proske’s bei; d) die vierte und kostbarste Partie bildet eine Sammlung, von ihm selbst genannt: „Antiquitates Musicae celeberrimae“, die seltensten Druckausgaben und Cod. Mscr. von mehr als 1200 Werken der größten Tonsetzer des 15., 16. und 17. Jahrhunderts; e) die fünfte Partie schließt eine andere Sammlung von Druckwerken derselben Gattung in sich, vom Jahre 1507 beginnend, mit Compositionen von mehr als 700 älteren Meistern. Die Titel seiner oben angeführten Publicationen lauten vollständig:

1) „Musica divina sive Thesaurus Concentuum selectissimorum omni cultui divino totius anni juxta ritum S. Ecclesiae catholicae inservientium: ab excellentissimis superioris aevi musicis numeris harmonicis compositorum. Quos e codicibus originalibus tam editis quam ineditis accuratissime in partitionem redactos ad instaurandam polyphoniam vere ecclesiasticam publice offert Carolus Proske.“ Annus I. Harmonias IV Vocum continens. Tomus I. Liber Missarum. 4°. LXX & 350 pp. Partitur. Voces separatae. Ratisbonae, F. Pustet. 1853. (Vergriffen. Neue Auflage von F. X. Haberl besorgt; daselbst 1884.) Tomus II. Liber Motettorum. 4°. LVI & 580 pp. wie oben. 1855. Tomus III. Psalmodiam, Magnificat, Hymnodiam et Antiphonas. B. M. V. compl. 4°. XX & 542 pp. daselbst 1859. Tomus IV. Liber Vespertinus. 4°. XL & 400 pp. daselbst von Wesselak herausgegeben.

2) „Selectus novus Missarum praestantissimorum superioris aevi autorum, juxta codices originales tum manuscriptos tum impressos editarum a Carolo Proske.“ Ratisbonae, F. Pustet 1856. 4. Tomus Primus. Pars I & II. 8 Missas IV, V, VI et VII vocibus decantandas continens. XVI & 208 pp. Tomus Secundus. Pars I & II. wie oben XII & 236 pp.

Nach dem Tode Proske’s wurde die Herausgabe der Musica divina in einem „Annus secundus“, ebenfalls 4 Bände enthaltend, bis auf den heutigen Tag fortgesetzt unter Redaction der Domcapellmeister Schrems († 1872) und F. X. Haberl.

Karl Proske weiland Med. Dr., Kanonikus-Senior a. k. Collegiatstifte U. L. F. zur alten Capelle in Regensburg, Pfarrvicar von St. Cassian, bischöflich geistlicher Rath etc. Ein Lebensbild. Entworfen von Dominicus Mettenleiter, Phil. et Theol. Dr. Regensburg 1868, Bößenecker.