Zum Inhalt springen

ADB:Reichel, Theodor

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Reichel, Theodor“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 270–272, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reichel,_Theodor&oldid=- (Version vom 6. Dezember 2024, 01:48 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 53 (1907), S. 270–272 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand November 2015, suchen)
Levin Theodor Reichel in Wikidata
GND-Nummer 126807337
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|53|270|272|Reichel, Theodor|Viktor Hantzsch|ADB:Reichel, Theodor}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=126807337}}    

Reichel: Levin Theodor R., Bischof der Brüdergemeine, stammte aus einer alten und angesehenen Lausitzer Predigerfamilie, die sich der Herrnhuter Gemeinschaft angeschlossen hatte. Er wurde am 4. März 1812 in der Brüdercolonie Bethlehem in Pennsylvanien geboren, wo sein Vater Carl Gotthold R. das Amt eines Bischofs und Vorsitzenden der Provinzial-Helferconferenz verwaltete. Da beide Eltern nicht mehr jung und andauernd kränklich waren, siedelten sie, um den Lebensabend in der deutschen Heimath zuzubringen, 1818 mit ihrem Sohne nach der Herrnhutercolonie Niesky in Schlesien über. Hier besuchte der Knabe zunächst die Elementarschule, dann das Pädagogium. Mit 8 Jahren verlor er die Mutter, mit 13 Jahren auch den Vater. Seiner schon frühzeitig hervortretenden Neigung entsprechend, bereitete er sich auf dem theologischen Seminar zu Gnadenfeld auf das geistliche Amt vor; doch eignete er sich auch gründliche Kenntnisse auf geschichtlichem, geographischem und botanischem Gebiete und eine schöne Fertigkeit im Zeichnen und in der Instrumentalmusik, namentlich im Orgelspiel an. Nach Vollendung seiner Studien erhielt er 1834 einen Ruf, den Brüdergemeinden in Nordamerika zu dienen. Zuerst wirkte er 3 Jahre lang als Lehrer zu Nazareth in Pennsylvanien, dann seit 1837 als Prediger in Schöneck und seit 1839 in Emmaus, darauf seit 1844 als Ehechorpfleger wiederum in Nazareth, seit 1853 als Gemeinhelfer in Lititz und seit 1854 als Präses der Provinzial-Helferconferenz zu Salem in der Wachau in Nord-Carolina. 1857 nahm er als Delegirter an der Generalsynode in Herrnhut theil und wurde auf dieser Tagung zum Mitgliede der Unitäts-Aeltestenconferenz im Missionsdepartement gewählt. Nachdem er seine Familie aus Amerika herbeigeholt hatte, nahm er seinen wesentlichen, doch öfters durch Dienstreisen nach dem Auslande unterbrochenen Aufenthalt in Berthelsdorf bei Herrnhut, um sich hier den Pflichten seines neuen Amtes zu widmen. Im Herbst 1858 wurde ihm eine Visitation der westindischen Brüdermissionen übertragen. Er besuchte zunächst die dänischen Inseln St. Thomas, St. Jan und St. Croix, dann die englischen Besitzungen St. Kitts und Antigua. Ueberall inspicirte er die Kirchen und Schulen, hielt Conferenzen mit den Missionaren und den eingeborenen Helfern ab, besuchte die schwarzen Plantagenarbeiter, predigte und taufte, schlichtete Streitigkeiten, sorgte für die Abstellung von Mißständen und hinterließ mannigfache Anregungen. Im Sommer 1859 traf er wieder in Deutschland ein (vgl. den Reisebericht im Missionsblatt aus der Brüdergemeine XXIII, 1859, S. 145–168). Bald nach der Heimkehr veröffentlichte er unter dem Titel „Bilder aus Westindien“ (Herrnhut 1859 bis [271] 1862) eine Sammlung von 12 lithographirten Ansichten von Missionsstationen, die er an Ort und Stelle aufgenommen hatte. Außerdem entwarf er in seinen Mußestunden von allen Ländern, in denen die Brüdergemeine ihr Bekehrungswerk treibt, genaue Karten mit Angabe aller vorhandenen Kirchen, Schulen und Predigtplätze. Aus diesen Karten entstand allmählich sein „Missions-Atlas der Brüder-Unität“, der 1860 vom Missionsdepartement in Herrnhut als Ersatz für den veralteten und vergriffenen Atlas von Linder herausgegeben wurde. Er enthält 15 Tafeln in Steindruck, die sämmtliche Missionsgebiete der Brüdergemeine darstellen und von den Missionaren an Ort und Stelle revidirt und ergänzt worden sind; ferner statistische Tabellen über die Zahl der Stationen, der Missionsarbeiter und der Getauften, ein Verzeichniß aller von den Brüdern unterhaltenen Schulen sowie eine kurze, nach Ländern geordnete Missionschronik. Das Werk fand nicht nur den Beifall der Missionsfreunde, sondern hat auch geographischen Werth, da es mancherlei Einzelheiten darbietet, die man auf anderen Karten vergeblich suchen würde.

Im Frühjahre 1861 trat er an Bord des Missionsschiffes Harmony eine Reise zur Visitation der Missionsgemeinden in Labrador an. Er besuchte zunächst die südlichste Station Hoffenthal, fuhr dann weiter nordwärts über Nain und Okak nach Hebron, entwarf mehrere Karten und viele Zeichnungen und kehrte im Spätherbste wohlbehalten nach Herrnhut zurück, wo er sogleich eine Beschreibung seiner Reise ausarbeitete, die im Missionsblatt aus der Brüdergemeine XXVI, 1862, S. 25–52 erschien. Die Karten wurden nebst erläuterndem Text und einer Liste der in Labrador vorkommenden Thiere und Pflanzen in Petermann’s Mittheilungen veröffentlicht (Jahrgang 1863, S. 121 bis 127 u. Tafel 5). Reichel’s Leben in der Heimath floß nun in unermüdlicher Thätigkeit für die Missionssache dahin, der er seine ganze Kraft widmete. Vor allem ging die überaus umfangreiche überseeische Correspondenz durch seine Hände. In litterarischer Hinsicht ist namentlich seine Mitarbeit an dem von R. Grundemann herausgegebenen „Allgemeinen Missionssatlas“ (Gotha 1867 bis 1871) zu erwähnen. Da er ein gewinnendes Auftreten und außerdem eine große Gewandtheit besaß, sich in fremden Sprachen auszudrücken, wurde er öfters nach auswärts, besonders wiederholt nach England gesandt, um die Brüderunität auf Missionsconferenzen und kirchlichen Congressen zu vertreten. 1869 wählte man ihn in Anerkennung seiner Verdienste zum Präses der Generalsynode, bald darauf auch zu einem Bischof der Brüdergemeine. 1876 erhielt er den Auftrag, abermals eine Visitationsreise nach Labrador zu unternehmen, da die beiden neugegründeten Missionsstationen Zoar und Rama nicht recht gedeihen wollten und außerdem mancherlei Uebelstände durch die Verbindung der Missionsarbeit mit dem Handel eingetreten waren. Die Fahrt ging trotz schwerer Stürme glücklich von statten, und es gelang ihm auch, die meisten Schwierigkeiten, die sich dem Wirken der Missionare entgegengestellt hatten, durch seinen persönlichen Einfluß zu beseitigen, Mißhelligkeiten zwischen den Eskimos und ihren Lehrern beizulegen und Mißverständnisse auszugleichen. Ein Bericht über seine Erlebnisse erschien wiederum im Missionsblatt aus der Brüdergemeine XLI, 1877, S. 33–55. Bald nach der Rückkehr stellten sich bei ihm allerlei schmerzhafte Altersbeschwerden ein, und nach langwierigen Leiden starb er am 23. Mai 1878 im Kreise seiner Familie zu Berthelsdorf. Um das Missionswesen der Brüderkirche, dem er 20 Jahre hindurch an leitender Stelle diente, hat er sich große und dauernde Verdienste erworben. Er hinterließ zahlreiche missionsstatistische Ausarbeitungen und namentlich viele Ansichten von Missionsstationen und andere Zeichnungen, die nur zum Theil in den Druckschriften der Brüdergemeine veröffentlicht sind. Die meisten Karten und [272] Abbildungen im Missionsblatt, auch verschiedene Aufsätze darin, rühren von ihm her. Mehrere seiner Predigten und Gelegenheitsreden finden sich in den Jahrgängen 1858–77 der Nachrichten aus der Brüdergemeine.

Nachrichten aus der Brüdergemeine 1878, S. 789–809. – Missionsblatt aus der Brüdergemeine XLII, 1878, S. 157–159.