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ADB:Reitzenstein, Karl Heinrich Friedrich Chlodwig Freiherr von

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Artikel „Reitzenstein, Karl Heinrich Friedrich Chlodwig Freiherr von“ von H. v. R. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 175–177, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reitzenstein,_Karl_Heinrich_Friedrich_Chlodwig_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 11:03 Uhr UTC)
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Reitzenstein: Karl Heinrich Friedrich Chlodwig Freiherr v. R., historischer Schriftsteller, wurde am 13. Januar 1823 als zweiter Sohn des damaligen königlich preußischen Majors im Generalstabe der 7. Division Karl Friedrich Ludwig Moritz v. Reitzenstein und seiner Gemahlin Bertha geb. Gräfin Chazot zu Magdeburg geboren. Er besuchte von 1836 bis 1842 das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in Berlin und widmete sich alsdann dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaft auf den Universitäten zu Berlin und Breslau. Am 25. März 1845 trat er als Auscultator in die praktische Vorbereitung für den Staatsdienst und arbeitete an den Stadtgerichten zu Neiße und Ratibor. Familienverhältnisse nöthigten ihn im September 1847 die Vorbereitung für den Staatsdienst aufzugeben und sich der Verwaltung des altväterlichen Rittergutes Schwarzenstein unteren Theils und Lippertsgrün im bairischen Regierungsbezirke Oberfranken zuzuwenden. Die Aufsuchung der für die Ablösung des Lehenverbandes nothwendigen Urkunden brachte ihn zuerst mit den Archiven in Berührung, was für seine spätere Lebensrichtung entscheidend wurde. Am 9. Februar 1850 vermählte er sich in erster Ehe mit Adele Freiin von Badenfeld, welche ihm nach zwei Jahren bereits durch den Tod entrissen wurde. Aus dieser Ehe entsprossen drei Töchter. 1851 verließ er Baiern wieder, lebte zunächst in Dresden, dann in Schadewalde in der Lausitz und in Hoblick in Böhmen. Seine Vorliebe für genealogische Arbeiten vermochte ihn, sich von da ab ganz den historischen Studien zu widmen. Er hatte sich die Bearbeitung der Urkunden der Grafen von Orlamünde als wissenschaftliche Lebensaufgabe erkoren, was um so dankenswerther war, als die Geschichte des so wichtigen und berühmten Hauses bis dahin (und auch jetzt) noch wenig Beachtung gefunden hatte. In Weimar, als dem Stammhause des Geschlechts – die Benennung nach dem anderen Sitz Orlamünde findet sich erst später – begann er 1857 seine Forschungen. In diesem Jahre erschien auch seine Erstlingsarbeit [176] „Quellen zur deutschen Kriegsgeschichte von 1793,“ in welcher er eine Anzahl von Actenstücken über den Antheil der Ansbacher Brigade an dem Feldzuge von 1793, welche aus dem Nachlasse seines Großoheims, des königl. preuß. Generalmajors Christoph Ludwig Rudolph v. R. (s. o. ) stammten, der Oeffentlichkeit übergab. Von Weimar begab er sich 1858 nach München; hier waren es neben den für die orlamündische Regestensammlung wichtigen Archivgruppen besonders die Archivalien des hochberühmten Cistercienserklosters Waldsassen, welche als Hauptquellen für die Geschichte des dem Voigtlande benachbarten Egerlandes seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Nahezu zwei Jahre mit kürzeren Unterbrechungen brachte er damit zu, die reichen Schätze des Münchener Reichsarchivs für seine Zwecke zu durchforschen und zu copiren. Im J. 1859 hielt er sich auch mehrere Monate in Dresden auf, um eger- und voigtländische Urkunden zu sammeln, hieran reihte sich ein kurzer Aufenthalt in Prag zum Zwecke der Vervollständigung seiner Sammlungen aus den dort befindlichen zu jener Zeit noch wenig zugänglichen Archiven. Zu Ende des Jahres 1860 vermählte sich R. zum zweiten Male mit Karoline v. Rathgeb-Lautsch aus Marburg in Steyermark. R. dachte nunmehr daran, sich eine bleibende häusliche Niederlassung zu begründen, allein seine wiederholten Versuche, zunächst in Schlesien auf Altmannsdorf mit Dürrkunzendorf im Kreise Neiße, dann auf Kochsdorf in der Lausitz, endlich zu Thurn-Gallenstein in Krain eine gesicherte Lebensstellung zu gewinnen, schlugen in Folge einer Reihe widriger Geschicke, dann der Kriegsereignisse des Jahres 1866 sämmtlich fehl; er sah sich nach empfindlichen Vermögensverlusten gezwungen, eine lohnende Beschäftigung zu suchen. Zunächst übernahm er die Neuordnung der fürstlich reußischen Archive in Gera und Greiz. Nach Vollendung dieser Ordnungsarbeit begab er sich zu ähnlichem Zwecke nach Schleswig, um im Auftrage der königlich preußischen Staatsregierung aus den in Schleswig und Holstein zerstreuten Localarchiven das Staatsarchiv in Schleswig zusammenzustellen. Hierauf vorübergehend in Halle und Magdeburg mit archivalischen Studien beschäftigt, fand er im Sommer 1870 Verwendung im Curatorium des preußischen Staatsanzeiger, wo er die Referate über Elsaß-Lothringen bearbeitete und einige publicistische Brochuren verfaßte. Während dieses letzten Aufenthaltes in Berlin nahm er auch lebhaften Antheil an der Gründung des inzwischen so stattlich herangewachsenen und eine bedeutende Wirksamkeit äußernden heraldisch-genealogischen Vereins Herold; insbesondere war er als Vorsitzender auf Hebung der Vereinsthätigkeit in wissenschaftlich strengerer Richtung bedacht. Die Einrichtung der Landesverwaltung im Elsaß führte R. dahin; zuerst in der örtlichen Polizeiverwaltung in Mühlhausen, dann in St. Amarin verwendet, gelang es ihm, Januar 1872, endlich eine seinen Neigungen vollständig entsprechende Stellung als Custos der Universitäts- und Landesbibliothek in Straßburg zu erreichen. Nur kurze Zeit jedoch war ihm vergönnte, in behaglicher Ruhe zu leben und zu wirken; am 23. October 1874 endete der Tod dieses vielbewegte an Enttäuschungen und mißlichen Geschicken reiche Leben. Reitzenstein’s Hauptwerk sind die Regesten der Grafen von Orlamünde aus babenberger und askanischem Stamme von 816–1628 mit Stammtafeln, Siegelbildern, Epitaphien und Wappen, auf Kosten des historischen Vereins von Oberfranken in Baireuth 1870–1871 gedruckt. Durch diese fleißige Quellensammlung, welche von allen, welche sich mit thüringischer Geschichte befassen, benutzt und verwerthet wird, hat er die Grundlage für die Geschichte des hervorragenden Grafengeschlechts, welches hoffentlich noch seinen Bearbeiter finden wird, geschaffen. Eine Frucht der Ordnung der reußischen Archive war sein Vortrag über Unächtheit und Fälschung einiger wichtigen voigtländischen Urkunden (1868), durch welchen er im Anschlusse an Adolf Cohns Forschungen die reußische Genealogie von einem Wuste chronologischer Widersprüche [177] freigemacht hat. Seine Copien voigtländischer Urkunden wurden erst jüngst 1880–1885 von J. Müller im Urkundenbuche für die Geschichte Plauens und des Voigtlandes verwerthet. Außerdem lieferte R. noch eine Reihe kürzerer Aufsätze und Quellenmittheilungen in das Correspondenzblatt des Gesammtvereins deutscher Alterthumsvereine, in die Zeitschriften des Vereins Herold, des historischen Vereins für Oberfranken in Baireuth, des thüringisch-sächsischen Vereins zu Halle u. s. w.

Quellen: Der deutsche Herold, Zeitschrift für Heraldik, Spragistik etc., Jahrgang V, Nr. 12, 1874. – Gothaisches genealogisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser 1879, S. 672. – Familiennachrichten.
H. v. R.