ADB:Rieder, Ambrosius

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Artikel „Rieder, Ambrosius“ von Eusebius Mandyczewski in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 527–528, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rieder,_Ambrosius&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 23:18 Uhr UTC)
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Rieder: Ambrosius R., österreichischer Kirchencomponist, Musikschriftsteller und Schullehrer, geboren am 10. October 1771 zu Döbling bei Wien, wo sein Vater Schullehrer war. Da er frühzeitig musikalisches Talent zeigte, wurde er zum Großvater nach Wilfersdorf geschickt, welcher dort eine gute Kirchenmusik unterhielt und ihn in den Anfangsgründen der Musik unterrichtete. Der Knabe machte überraschende Fortschritte, und kam mit zwölf Jahren zu Karl Martinides, dem Regens chori zu Lichtenthal bei Wien, wo er Generalbaß und musikalische Composition studirte. Bald wagte er sich an die Composition einer Messe, und dieselbe gelang so sehr, daß sie in der Kirche öfter aufgeführt werden konnte. Die Bekanntschaft mit Leopold Hoffmann, dem Domcapellmeister von St. Stefan, brachte ihn in Verbindung mit Albrechtsberger, bei dem er seine theoretische Bildung vervollständigte, und mit dem er in der Folgezeit ein unzertrennliches Freundschaftsbündniß einging. Auch selbständig beschäftigte er sich aufs eifrigste mit den theoretischen Schriften von Türk, Marpurg, Kirnberger und Fux. Den mächtigsten Eindruck machte auf ihn die Bekanntschaft mit Mozart und J. Haydn. Dieselbe dauerte aber nicht lange. R., der schon seit 1787 als Lehrer in Döbling thätig war, erhielt über sein eigenes Ansuchen am 10. August 1799 die Schullehrerstelle in Perchtoldsdorf, einem ungefähr zwei Stunden von Wien entfernten österreichischen Markte. Da sich jedoch der Magistrat dieses Ortes seiner Ernennung anfangs widersetzte, konnte er sein Amt erst am 2. Februar 1802 antreten. Von dieser Zeit an lebte R. ununterbrochen in Perchtoldsdorf als Schullehrer, Regenschori und Componist, in ungemein bescheidenen, ja oft bedrängten Verhältnissen, emsig und arbeitsam, bis zu seinem am 19. November 1855 erfolgten Tode. Hier schuf er eine große Reihe musikalischer Werke, die heutzutage ganz vergessen, ihrerzeit doch sehr beliebt und verbreitet waren, insbesondere in Oesterreich. Seine theoretischen Werke sind: „Anleitungen zum Präludiren und Fugiren für die Orgel“ op. 84 und 95 (Wien 1826); „Anleitung zur richtigen Begleitung der Melodien der vorgeschriebenen Kirchengesänge“ op. 105 (Wien 1831), „Generalbaß in Beispielen“ op. 103 (Wien 1833). Von seinen Compositionen sind hervorzuheben: eine Messe in Esdur, für den Invalidenfond der im J. 1813 Verwundeten, op. 38; eine Messe in C, op. 76 (Wien 1825); drei Streichquartette op. 8; zwei Sonaten für Clavier, Violine und Violoncell op. 10 und 12; ein De profundis in Dmoll; ein Libera in Bdur. Im ganzen schrieb er 20 Messen, 2 Requiem, 1 Litanei, 41 Offertorien, 18 Graduale, 13 kleinere Kirchenmusikstücke verschiedener Art, eine Oper „Der Traum im Walde“ (1804), 19 Cantaten und Chöre, 38 vierstimmige Hymnen und Gesänge, 38 Gesänge mit verschiedener Begleitung, 2 Trauermärsche, 1 Streichquintett, 10 Streichquartette, 4 Violinduette, 10 Sonaten für Clavier mit Streichinstrumenten, 9 Hefte Variationen und Uebungen für Clavier, 92 Präludien und 154 Fugen und Fugetten für Orgel oder Clavier. Die Gesammtzahl seiner Werke beträgt 513, von denen jedoch 250 Manuscript blieben. Rieder’s Werke zeigen keinen hervorragenden, aber doch einen tüchtigen Musiker, der es mit seiner Kunst ernst nimmt. Sie sind durchgehends im Stile ihrer Zeit geschrieben, und sind daher mit dieser vergangen. R. war ein sehr fleißiger und sehr bescheidener Mann. Seine strenge Rechtlichkeit, sein offener, biederer Sinn, und insbesondere seine Herzensgüte und Religiosität hatten ihm die allgemeine Achtung und Liebe seiner Mitmenschen [528] erworben und ein höchst ehrenvolles Andenken gesichert. Eine äußere Anerkennung hat er nie gesucht und nie erhalten. Als Lehrer soll er vorzüglich in Grammatikalunterricht tüchtig gewesen sein. Mit zunehmendem Alter wurde er schwerhörig und endlich taub. Aber seine geistige Frische und Unverdrossenheit bewahrte er bis an seine letzten Tage. Seine letzte Composition schrieb er ein Jahr vor seinem Tode. Sein Grab umstanden drei Generationen, die er herangebildet hatte, denen er ein Tröster im Leide gewesen, Kinder, Eltern und Großeltern, eine ganze große Gemeinde, der er durch 53 Jahre der geistige Führer war. Einschließlich seiner Thätigkeit in Döbling hat R. 67 Jahre im Schulfache zugebracht. Er starb an Altersschwäche; von seinen sechs Kindern überlebten ihn drei Söhne und eine Tochter. Sein ältester Sohn wurde Lehrer in Währing bei Wien; ein zweiter, Wilhelm, ein ausgezeichneter Porträtmaler.

Latschka, Geschichte des n. ö. Marktes Perchtoldsdorf, Wien 1884. – Neue Wiener Musikzeitung 1856.