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ADB:Rieß, Karl

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Artikel „Rieß, Karl“ von August Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 583–584, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rie%C3%9F,_Karl&oldid=- (Version vom 13. November 2024, 23:30 Uhr UTC)
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Rieß: Karl R., Architekt, geboren am 20. März 1831 zu Schw.-Gmünd, † am 5. Januar 1886 in Stuttgart, Sohn eines Lichterziehers (Wachskerzenfabrikanten), sollte katholischer Theologe werden und erhielt zu diesem Zwecke eine humanistische Bildung in dem mit einem Convicte verbundenen Gymnasium zu Ehingen a. D. Liebe zum Zeichnen und zur Tochter seines Zeichenlehrers, welche später seine Frau wurde, führten ihn auf eine andere Bahn. Er trat im J. 1851 in das Stuttgarter Polytechnicum über, um Architektur zu studiren. Der Gothik mit Vorliebe zugewandt, machte er sich bald auch hier durch ein ungewöhnliches Zeichentalent bemerkbar. Mit glänzenden Zeugnissen und einem Jahrespreise für künstlerische Leistungen aus der technischen Hochschule im J. 1855 ausscheidend, kam er auf kurze Zeit zu Dombaumeister Zwirner nach Köln, dessen warmer Empfehlung er eine mehrjährige Verwendung bei kirchlichen Bauten in Soest verdankte. Zu gleicher Zeit zeichnete er für die erste Abtheilung der Kunstdenkmäler des christlichen Mittelalters in den Rheinlanden von Ernst aus’m Weerth nach den eigenen Worten des Herausgebers „alle Blätter, die durch charakteristische und treue Darstellung hervorragen“. Sein früherer Lehrer am Polytechnicum, der jetzige Hofbaudirector Joseph v. Egle, zog ihn im J. 1860 zunächst als Hülfslehrer, sodann von 1864 an als Hauptlehrer an die von ihm gegründete und vortrefflich geleitete königl. Baugewerbeschule in Stuttgart, wo R. mit der kurzen Unterbrechung eines zweiten Aufenthaltes in Soest das Fach der reinen und angewandten darstellenden Geometrie und des Architekturzeichnens vertrat. In den letzten Lebensjahren hielt er auch Vorlesungen über mittelalterliche Architektur an dem Polytechnicum. R., ein Mann von frischem Sinn und großer Liebenswürdigkeit, galt für einen gewissenhaften und höchst anregenden Lehrer. Seine freie Zeit verwendete er nicht auf praktische Bauthätigkeit, sondern auf graphische Leistungen. In ganz vorzüglicher Weise [584] zeichnete er unter v. Egle’s Leitung den größeren Theil (Nr. 8–29) der Blätter für das von diesem herausgegebene Werk: Mittelalterliche Baudenkmale aus Schwaben. Der Münster in Ulm. Stuttg. 1872. Fol. (= Supplem. 3–8 zu: Die Kunst des Mittelalters in Schwaben von C. Heideloff und Fr. Müller, zugleich Supplem. zu Ulms Kunstgeschichte im Mittelalter, beschrieben von K. D. Haßler). In späterer Zeit verlegte er sich mit Vorliebe auf das Zeichnen von Alterthümern zu kunstgewerblichen Zwecken für die in Stuttgart herausgegebenen Zeitschriften „Die Gewerbehalle“ und „Das Kunsthandwerk“. Seine dortigen Arbeiten, in welchen er jedem Stil und jedem Stoff gerecht zu werden und strengste Richtigkeit mit anziehender Gefälligkeit zu verbinden wußte, können als mustergültig bezeichnet werden. Zur Schriftstellerei führte ihn nur sein Lehrerberuf. Er bewies die gründliche Beherrschung seines Stoffes und die Fähigkeit zu selbständiger Forschung in seiner „Schattirungskunde“, Stuttgart 1871, 8° und Atlas in Fol. (im Kleinen wiederholt als „Schattierungskunde“, Stuttgart 1884, 8°), worin er auf der schönen Programmabhandlung v. Egle’s „Ueber das Schattiren der Oberflächen regelmäßiger Körper“, Stuttg. 1855, 4° weiterbaute. Ein durch einfache und klare Darstellung höchst brauchbares Unterrichtsbuch sind seine „Grundzüge der darstellenden Geometrie, nebst einem Anhang, enthaltend die Anwendung derselben auf Perspektive und Schlagschattenconstruktion“. Stuttgart 1871, 8°.