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ADB:Schelle, Johann

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Artikel „Schelle, Johann“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 760–761, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schelle,_Johann&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 19:20 Uhr UTC)
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Schelle: Johann S., Cantor und Musikdirector an der Thomasschule in Leipzig, geboren am 6. September 1648 in Geising, Kgr. Sachsen, wo sein Vater Cantor war, und † am 10. März 1701 in Leipzig. Er soll als Knabe Sänger in der kurf. sächs. Cantorei gewesen sein, kam dann später an die Wolfenbüttel’sche Hofcapelle, ging darauf nach Leipzig auf die Universität, wo er bei dem damaligen Organisten an der Thomasschule, Gerhard Preisens, Wohnung und Kost fand. Nach zurückgelegten Studienjahren erhielt er einen Ruf als Cantor nach Eilenburg und 1677 berief ihn der Stadtrath von Leipzig an das Cantorat der Thomasschule, wo er bis an sein Lebensende wirkte. So sparsam die Nachrichten über sein Leben sind, die noch dazu wenig verbürgt erscheinen, ebenso selten geworden sind die zahlreichen Werke, die er geschaffen haben soll. v. Winterfeld spricht im evangelischen Kirchengesange von 28 Cantaten, die sich auf der kgl. Bibliothek zu Berlin zu seiner Zeit befanden. Sie sind mir nicht bekannt geworden, als ich den Katalog der Handschriften daselbst anfertigte. v. Winterfeld äußert sich im 3. Bande, Vorwort S. 3 über ihn dahin, „daß man aus ihnen zur Genüge sein Berührtsein durch das nun in Leipzig eingebürgerte Singspiel erkennt und die entgegenkommende Neigung seiner Zeitgenossen, wenn auch weder er noch sein Nachfolger (Kuhnau) neben ihrem geistlichen Berufe als schaffende Tonkünstler für dasselbe thätig waren“. Da in Leipzig, nach den neuesten Forschungen, erst 1693 die erste deutsche Oper gegeben wurde, also erst am Ende von Schelle’s Leben, so ist v. Winterfeld’s Annahme nicht ganz richtig. Dennoch hat er darin Recht, daß die Deutschen dieser Zeit eifrig bemüht waren, die Arienform der Italiener einzuführen. Er geht darauf die einzelnen Cantaten über Kirchenlieder und biblische Geschichten genauer durch, ohne ein Urtheil über den Werth abzugeben, und weist nur die Eigenart jedes Werkes nach, seine Besetzung, die Form der Arien und Chöre und die Benutzung der Choralmelodien. Ferner finden sich in Joachim Feller’s Andächtigem Student, Leipzig 1682 und in zwei späteren Auflagen von 1688 und 1697, einige Melodien mit Baß von S.; da aber daran auch Johann Petzold arbeitete und die Lieder nicht gezeichnet sind, so ist man nicht im Stande, Schelle’s von Petzold’s Melodien zu scheiden. Sie sind in der arienhaften Weise der damaligen Zeit geschrieben und recht melodisch gehalten, ohne Anspruch auf besonderen Werth [761] zu machen. Exemplare findet man in Breslau, Leipzig und Berlin. Auch in dem Neuen Leipziger Gesangbuche, 1682 von Vopelius herausgegeben, befindet sich ein fünfstimmig gesetzter Choral von S. Das ist aber auch alles, was von ihm bisher bekannt geworden ist, daher ein Urtheil über seine Leistungen vorläufig eine Unmöglichkeit ist.