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ADB:Schickard, Wilhelm

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Artikel „Schickard, Wilhelm“ von Siegmund Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 174–175, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schickard,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 17:45 Uhr UTC)
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Schickard: Wilhelm S., Mathematiker und Orientalist, geboren am 22. April 1592 zu Herrenberg (Württemberg), † am 23. October 1635 zu Tübingen. Im herkömmlichen Erziehungsgange absolvirte S. die Klosterschule und das Stift zu Tübingen, bekleidete am letzteren ein Jahr lang eine Repetentenstelle und wurde 1614 Diakonus im benachbarten Nürtingen. 1619 berief man ihn als Professor der biblischen Grundsprachen an die heimische Hochschule, und daneben scheint er auch den alternden Mathematiker, seinen früheren Lehrer Mästlin (s. A. D. B. XX, 575), unterstützt zu haben, bis er 1631, nach dessen Tode, definitiv in seine Stelle einrückte. Die Schrecken des 30jährigen Krieges muß S. in höchstem Maße durchkostet haben, denn aus einem seiner mit Bernegger in Straßburg gewechselten Briefe, welche viel Material für seine Biographie enthalten, geht hervor, daß er an eine Auswanderung nach der Schweiz oder nach Frankreich, wohin ihn der bekannte Peirescius eingeladen hatte, in allem Ernste dachte. Seiner eigenen Aussage nach sprach und schrieb S. das französische, italienische und spanische. Von seinen orientalischen Kenntnissen legt u. a. das „Horologium hebraicum“ (Tübingen 1614) Zeugniß ab. Als Mathematiker und Astronom aber war er geradezu hervorragend thätig; er schrieb über Optik, über atmosphärische Strahlenbrechung, über eine im November 1623 in Tübingen beobachtete Feuerkugel, über Meteorologie („Anemographia seu discursus philosophicus de ventis“, Tübingen 1631) und über den ersten zur Beobachtung gelangten Planetendurchgang „Tractatus de Mercurio sub sole et aliis novitatibus uranicis“, ebendort 1634). Um die Kenntniß der Sternbilder zu erleichtern, erfand S. hohle Kugeln, die sich dreitheilig öffnen ließen, und an deren Innenseite die Gestirne angebracht waren („Astroscopium pro facillima stellarum cognitione excogitatum et commentariolo illustratum“, ebendort 1623; neue Auflage, Stuttgart und Leipzig 1698). Auch die später von Funk und Klügel zu astrognostischen Zwecken vorgeschlagenen „Sternkegel“ hat S. bereits gekannt und beschrieben. Am meisten verdient machte sich derselbe jedoch um die Kartographie; vgl. seine inhaltreiche Schrift: „Kurze Anweisung, wie künstliche Landtafeln aus rechtem Grund zu machen, und die bisher begangne Irrthumb zu verbessern“ (posthum, Tübingen 1669). Mit scharfen Worten beklagt er sich hier über die Unvollkommenheit der Karten, wie denn selbst [175] für die wichtigsten deutschen Städte die Angaben über die geographische Breite bis auf 2/5° auseinandergingen. Umsomehr Mühe wandte er an, um die ihm übertragene Vermessung des Herzogthums Württemberg mit aller nur erreichbaren Genauigkeit durchzuführen, und bei dieser Gelegenheit löste er, unabhängig von Snellius, das später berühmt gewordene Problem, welches ohne alles Recht in der Geschichte der praktischen Geometrie den Namen Pothenot’s trägt. Näheres darüber enthält seine Correspondenz mit Kepler. Wenn wir endlich noch hinzufügen, daß S. einer der ersten war, welche die Wichtigkeit der Logarithmen erkannten, daß er sogar 1629 durch einen gewissen Beger die Napier’schen Logarithmen einer neuen Berechnung im Interesse einer Vereinfachung derselben unterziehen lassen wollte, so haben wir seine Verdienste wohl genugsam charakterisirt und dürfen es aussprechen, daß, wenn seiner Laufbahn nicht durch die Pest ein vorzeitiges Ende gesetzt worden wäre, die Wissenschaft ihm noch manche Bereicherung zu danken gehabt haben würde. Handschriftlich hinterließ S. Scholien zur Geographie des Abulfeda.

Böck, Geschichte der Universität zu Tübingen, Tübingen 1774, S. 114. – Kästner, Geschichte der Mathematik, 4. Band, Göttingen 1800, S. 103ff. – Epistolae W. Schickardi et M. Berneggeri mutuae, Straßburg 1673. – Zedler, Großes Universallexikon der Wissenschaften und Künste, 34. Band, Leipzig-Halle 1742, Sp. 1522 ff.