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ADB:Schlegel, Paul Marquard

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Artikel „Schlegel, Paul Marquard“ von Otto Beneke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 391–392, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlegel,_Paul_Marquard&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 16:04 Uhr UTC)
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Schlegel: Paul Marquard S., Physicus in Hamburg, berühmter Anatom. Geboren in Hamburg am 23. August 1605, Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns, gegen dessen Wunsch er das Studium der Natur- und Arzneiwissenschaften wählte, statt der ihm nicht zusagenden Jurisprudenz. Nachdem er 1626 in Altorf seine Studien begonnen hatte, ging er nach Wittenberg, wo er seinem später berühmt gewordenen Landsmann, Werner Rolfinck, sich anschloß, und 1629, als dieser die Professur der Anatomie und Botanik in Jena erhielt, ihm dahin folgte. 1631 unternahm er eine mehrjährige wissenschaftliche Reise, zunächst nach Holland und England, dann nach Frankreich. Nach längerem Aufenthalte in Paris, Lyon und Montpellier ging er nach Italien, promovirte 1636 in Padua, und kehrte, nachdem er Rom und Neapel besucht hatte, nach Deutschland heim. Als Frucht seines Strebens nach vielseitiger Ausbildung in seinem Beruf erhielt er sofort die Auszeichnung, an die Universität Jena als Professor der Botanik, Anatomie und Chirurgie berufen zu werden. Hier ließ er nun seinen bereits in Altorf und Wittenberg verfaßten Schriften eine Reihe fernerer folgen; auch legte er einen neuen (zweiten) botanischen Garten an und docirte fleißig. Seine Verdienste fanden allgemeine Anerkennung; der Herzog von Weimar ernannte S. zum Rath und Leibarzt; dennoch, so erfolgreich auch seine akademische Thätigkeit in Jena sich gestaltet hatte, die Liebe zur Vaterstadt überwog doch alle Gunst, die ihm zu Theil wurde, weshalb er die im J. 1642 an ihn gelangte Berufung zum Subphysicus der Stadt mit Freuden annahm und befolgte. Für die Kärglichkeit seiner Amtseinnahme entschädigte ihn die sehr bald erworbene bedeutende ärztliche Praxis in den reichsten vornehmsten Kreisen. Besondere Verdienste erwarb er sich durch Verbesserung des Apotheken- und des Hebammenwesens, für welche Zweige er Prüfungen einführte. Sein Hauptverdienst aber war die trotz vielfacher Hindernisse und Schwierigkeiten, die ihm die Vorurtheile der Zeitgenossen bereiteten, durchgesetzte Gründung einer anatomischen Lehranstalt zunächst für Chirurgen und angehende Jünger der Heilkunst. Sein in einem Saale des alten Marien-Magdalenen-Klosters eröffnetes anatomisches Theater sah bald neben vielen Fachgenossen und Lernbegierigen auch manche Neugierigen, die das Entréegeld nicht scheuten. Seine instructiven Vorträge erläuterte er durch die Sectionen der Leichen hingerichteter Verbrecher, Selbstmörder und todtgefundener unbekannter Personen. Da zu jener Zeit die heil. Justiz noch gern Todesstrafen erkannte, so hatte der Anatom stets genügendes Material und nur von Geräderten wollte er nichts wissen. Indessen behielt die gute Sache doch viele Widersacher, die das Unternehmen als gottlos und frevelhaft verketzerten; da aber die höchste Behörde der Sache günstig gesinnt war, so behielt sie ihren Fortgang, bis Schlegel’s unerwarteter Tod die Wirksamkeit der Anstalt unterbrach und die besondere Art des Todes im Publicum für die gerechte Bestrafung seiner anatomischen Frevel angesehen wurde. Er soll nämlich am Abend des 31. Januar 1653 die Section der Leiche eines Gehängten beabsichtigt haben, welche in der Winterkälte am Galgen steifgefroren war. Als nun in dem erwärmten Saal die Stricke der vorn auf dem Leibe verschnürten Arme zerschnitten waren, fuhren sie in die Höhe und dem den Körper betrachtenden Physicus so heftigen Schlages an den Kopf und in’s Gesicht, daß er zu Boden stürzte, in [392] höchster Alteration nach Hause gebracht wurde, dort in ein hitziges Nervenfieber verfiel und am 20. Februar dieses Jahres verstarb! Freilich wurde damals behauptet, die Geschichte von den Ohrfeigen des gehängten Gaudiebes sei lästerliche Anecdote, der Physicus sei schon vorher krank gewesen u. s. w. Indessen behielt die Sage ihren Glauben, so daß ernsthafte Geschichtschreiber sie durch den Druck verbreiteten und verewigten. – Testamentarisch hatte S. seine Bibliothek, Manuscripte, Instrumente und Sammlungen der Hamburger Stadtbibliothek vermacht, in deren Gebäude sein Porträt, ein ausdrucksvolles Brustbild, noch jetzt zu sehen ist. – Seine lateinisch geschriebenen Schriften sind im Hamb. Schriftstellerlexikon VI, 547–550 verzeichnet.

Vgl. Wilkens’ Hamb. Ehrentempel, S. 532. – Gernet, Die ältere Medicinalgeschichte Hamburgs, S. 189–192.