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ADB:Schmid, Franz Xaver

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Artikel „Schmid, Franz Xaver“ von Richard Falckenberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 661–662, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmid,_Franz_Xaver&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 09:03 Uhr UTC)
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Schmid: Franz Xaver S., Schriftstellername: S.-Schwarzenberg, geschätzter Pädagog und Volksschriftsteller, Professor der Philosophie in Erlangen. S. machte in Schwarzenberg, einem oberösterreichischen Grenzdorfe am Fuße des Dreisesselbergs, wo er am 22. November 1819 als Sohn eines Zollbeamten geboren wurde, und in Wels eine entbehrungsreiche Kindheit durch, besuchte die Gymnasien der Benedictinerabtei Kremsmünster und in Salzburg, studirte 1840 bis 1844 katholische Theologie und trat in den Kirchendienst. Nachdem er sich in Salzburg, wohin ihn das lebhafte Neuerwachen des früh empfundenen philosophischen Interesses getrieben, an der politischen Bewegung des Jahres 1848 betheiligt hatte, ging er nach Wien, nach Ungarn, nach Breslau und Bonn und erwarb 1850 in Freiburg i. B. die philosophische Doctorwürde. Eine Zeitlang wirkte er am Lyceum zu Rastatt als Professor der Philosophie und Geschichte. Dann lebte er, fleißig schriftstellernd, in der Schweiz. Nach Salzburg in den Dienst der Kirche zurückgekehrt, erkannte er bald, daß der Stand seiner Ueberzeugungen ihm nicht länger das Verbleiben in der katholischen Kirche gestatte, zumal unter dem eben abgeschlossenen österreichischen Concordat. In der Schrift „Erkenne dich selbst“ sagte er sich von den Güntherianern los, zu denen er bis dahin gezählt wurde, die jedoch an seiner „Katholischen Dogmatik“ (2 Bde., Schaffhausen 1852, 1855) Anstoß genommen hatten, erwirkte seine Naturalisation in Baiern, wurde Protestant und ließ sich auf Grund einer Dissertation „De inventione veritatis“ im Sommer 1856 als Privatdocent in Erlangen nieder. Im December desselben Jahres verheirathete er sich mit Betty Brodmann, im September des nächsten Jahres wurde ihm sein einziges Kind, Aurelius (jetzt Justizanwalt in München), geboren. Januar 1862 wurde S., dessen Vorlesungen anfangs Anklang fanden, zum außerordentlichen Professor befördert. Die letzten Jahre lebte er in München, wo er am 28. November 1883 den Folgen eines Gehirnschlags erlag. Die Beerdigung fand am 30. November in Erlangen statt. Seinen philosophischen Standpunkt bezeichnet S. als speculativen Monotheismus. An systematischen Werken gab er heraus: „Christliche Religionsphilosophie“ (1857); „Philosophische Pädagogik im Umriß“ (1858); „Entwurf eines Systems der Philosophie auf pneumatologischer Grundlage“, 3 Theile: Grundlinien der Erkenntnißlehre, der Metaphysik, der Ethik (1863, 65, 68); „Grundlinien der philosophischen Erziehungslehre“ (1868). Von seinen philosophie-historischen Arbeiten ist die werthvollste die über „Nicolaus Taurellus“ (1860, neue Ausgabe 1864), der eine über „Descartes“ (1859) vorausging und ein „Grundriß der Geschichte der Philosophie“ (1867) folgte. Daran schließen sich pädagogische Schriften: „Briefe über vernünftige Erziehung“ (1873, dritte Auflage 1882), „Ueber Volkserziehung“ (1879), „Clytia, eine pädagogische Novelle“ (1880), „Katechismus der Gerechtigkeit“ (1883), „Sonnenblumenkerne, Denkverse für deutsche Knaben“ (1883). Unter seinen ohne oder unter angenommenem Namen herausgegebenen Volksschriften haben besondere Achtung und Verbreitung gefunden: „Quellwasser fürs deutsche Volk“, „Eine Wallfahrt zur Laterne des Diogenes“ [662] und „Anna, philosophische Gespräche“ (1866). Außerdem veröffentlichte S. eine Reihe von Artikeln in der Fichte’schen Zeitschrift für Philosophie, der Neuen freien Presse, der Allgemeinen Zeitung u. s. w. – In den letzten Jahren verlegte S. den Schwerpunkt seiner Thätigkeit in ein praktisches Wirken für Volkserziehung, eine Arbeit, die von segensreichstem Erfolge gekrönt war. Er rief 1871 in Erlangen den ersten Verein für Volkserziehung ins Leben und gründete mit dessen Hülfe im Juli 1872 daselbst die Anstalt „Sonnenblume“, in der (seit 1874 in einem eigenen, für 60 Zöglinge berechneten Hause in der Loschgestraße mit Garten, Spiel- und Turnplatz) arme schulpflichtige Knaben nach Schulschluß während dreier Nachmittagsstunden beaufsichtigt und zur „Selbständigkeit, Zusammengehörigkeit und Gottangehörigkeit“ erzogen werden. Besonderes Gewicht wird auf Wahrhaftigkeit, Verträglichkeit und Gehorsam gelegt. Nach der Hausordnung erhalten die Zöglinge um 3 Uhr Brot, fertigen selbständig ihre Hausarbeiten für die Schule, werden im Garten beschäftigt oder spazieren geführt, sodann wird geturnt, gesungen, gezeichnet, aus Jugendzeitschriften vorgelesen, erzählt und nacherzählt; nach 6 Uhr werden die Kinder entlassen. Körperliche Züchtigung ist ausgeschlossen; kleinere Vergehen werden mildernst gerügt, größere dem Leiter der Anstalt angezeigt. Auf mehrmaliges Verwarnen und Aufschreiben erfolgt (zunächst zeitweiliger) Ausschluß. Die Bibliothek des Vereins wird von den Zöglingen und deren Familien fleißig benützt. Zu Weihnachten erhalten alle Zöglinge Lodenjoppen, einige Schuhe, die ärmsten im Winter auch Mittagessen. Die edlen, selbstlosen Bestrebungen Schmid’s, der auch durch Flugblätter und Vorträge in verschiedenen Städten der Sache der Volkserziehung unermüdlich diente, sind durch schönes Gelingen belohnt worden. Die Erlanger Anstalt gedeiht auch nach des Gründers Tode unter L. Graßmüller’s Leitung und hat vielfache Nachahmung gefunden. Maximilian Droßbach (1810 bis 1884) in Bäumenheim bei Donauwörth errichtete 1876 in seiner Fabrik eine Filiale der „Sonnenblume“, 1879 wurde nach dem Erlanger Muster in Augsburg eine Erziehungsanstalt, 1881 in München ein Knabenhort eröffnet; es folgten mit ähnlichen Unternehmungen Fürth, Berlin, Bamberg, 1883 trat ein bairischer Landesverein für Volkserziehung zusammen, eine von Reddersen in Bremen 1887 ausgegebene tabellarische Uebersicht zählt bereits 40 derartige Anstalten auf. S., den das Freie deutsche Hochstift in Frankfurt a. M. in Anerkennung seiner Verdienste zum Ehrenmitglied und Meister ernannte, erlebte die Genugthuung, die auf seine Anregung entstandenen Anstalten von Ministerien zur allgemeinen Einführung empfohlen und von höchster Stelle aus unterstützt zu sehen.

Vgl.: Maxim. Droßbach’s Nekrolog auf S. in der Allgem. Zeitung 1884, Beilage Nr. 50.