ADB:Schulmeister, Karl

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Artikel „Schulmeister, Karl“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 688–689, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schulmeister,_Karl&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 08:16 Uhr UTC)
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Schulmeister: Karl Ludwig S., Spion Napoleon’s I., war ein Mann, dessen Wirksamkeit viel bedeutender und dessen Einfluß auf die Entschließungen des Kaisers unstreitig viel größer waren als die Nachrichten über die von ihm geleisteten Dienste zu beurkunden im Stande sind. Es liegt in der Natur der Verhältnisse, daß die Betheiligten von vornherein bemüht sind, die Thätigkeit eines Kundschafters so viel als irgend möglich der Oeffentlichkeit zu entziehen und ihre Spuren thunlichst zu verwischen. Die Berichte über Schulmeister’s Lebensgang und über seine Schicksale sind daher auf der einen Seite dürftig und lückenhaft, während sie auf der anderen viel Unwahres und Uebertriebenes enthalten. Das Verdienst, das Dunkel möglichst aufgeklärt und die Thatsachen in das rechte Licht gestellt zu haben, gebührt dem Verfasser der unten genannten Quellenschrift. – S. war am 5. August 1770 zu Neu-Freistatt, einem im Elsaß südlich von Straßburg gelegenen Dorfe, als ein Sohn des hanau-lichtenbergischen Pfarrers S. geboren und von diesem für den Kaufmannsstand bestimmt, in welchem Berufe er bis 1798 in seinem Geburtsorte als Eisenhändler thätig war. Dann siedelte er nach Straßburg über. Schon früh beseelte ihn der Wunsch, durch raschen Erwerb reich zu werden und eine angesehene Stellung in der Gesellschaft einzunehmen. Zu ersterem Ende trieb er einen schwunghaften Schmuggelhandel, wie solcher damals an der Rheingrenze in hoher Blüthe stand. Wann er zuerst in seinem späteren Gewerbe als Kundschafter thätig war, ist nicht nachzuweisen. Die Geschichte nennt ihn als solchen zum ersten Male im J. 1805. Er diente damals beiden Parteien und anscheinend ehrlich. Einen ihm oft zugeschriebenen Einfluß auf Mack’s verhängnißvollen Entschluß, in Ulm zu bleiben, hat er nicht ausgeübt. Er stand auch mit Werneck, Merveldt und Kutusow in Verbindung, gerieth aber bald in Zwistigkeiten mit den österreichischen Heerführern, ward als Gefangener nach Wien gebracht, entwischte in der Verwirrung, welche das Nahen des Feindes hervorbrachte, seinen Wächtern und war fortan nur im Interesse der Franzosen thätig. Savary, der Leiter des Kundschafterwesens beim Heere, machte ihn sofort zum Generalcommissär der Polizei der Stadt Wien und vom 15. November 1805 bis Mitte Januar 1806 hat er in dieser Stellung geamtet. Als dann die Franzosen die Stadt geräumt hatten, muß er so unvorsichtig gewesen sein, nicht mit ihnen abzuziehen, denn am 31. März hat er ein Verhör vor österreichischen Behörden bestanden und [689] noch am 31. Juli hat er sich im Gewahrsam derselben befunden. Wie er seine Freiheit erlangt hat, ist unbekannt. Als der Krieg mit Preußen ausbrach, war er wieder im Gefolge Savary’s beim Heere und unter jenem, welcher in dem Feldzuge als General auftrat, auch als Soldat thätig. Durch einen kühnen Handstreich bemächtigte er sich am Abend des 4. November 1806 der Stadt Wismar, in der Schlacht bei Friedland am 14. Juni 1807 ward er verwundet. Als „Herr v. Charles“, ein Name, welchen er sich gern beilegte und mit welchem auch Napoleon ihn häufig nannte, war er dann Polizeipräfect von Königsberg. Im Kriege vom Jahre 1809 gegen Oesterreich war ihm die Gesammtleitung des Kundschaftsdienstes übertragen. Er führte den Titel eines kaiserlichen Kriegscommissärs, sein Vorgesetzter war wieder Savary und meist war er in dessen Umgebung. Ob er sich wiederum an kriegerischen Unternehmungen betheiligt hat, ist nicht festzustellen. Von nun an hielt er sich dem Feldzugsleben fern, namentlich die Theilnahme am Kriege gegen Rußland lehnte er ab. Wie weit er als politischer Agent thätig blieb und überhaupt gewesen ist, kann noch weniger nachgewiesen werden als die Rolle, welche er im Kriege gespielt hat. Wir wissen nur, daß er während des Fürstentages zu Erfurt im J. 1808 dort die Oberleitung der Polizei in Händen hatte. Er hatte viel Geld gewonnen und zog es vor, sich der Landwirthschaft und „Handelsunternehmungen zu widmen“, deren Gegenstand ebenfalls unbekannt ist. Erst 1815, wo man ihn wegen geheimer, gegen die Restauration gerichteter Umtriebe verfolgte, wird sein Name von neuem genannt. Nach der Einnahme von Paris ließ ihn Justus Gruner verhaften und nach Wesel bringen; er wurde aber im November jenes Jahres aus dem Gefängniß entlassen. Damit schied er aus dem öffentlichen Leben. Es hatte ihm große Reichthümer eingebracht, von denen er einen durchaus würdigen Gebrauch machte. Er war wohlthätig, gastfrei, ein Förderer der schönen Künste, der Freund aller Bedürftigen. Sein Landgut Meinau, unweit Illkirch gelegen, war eines der prächtigsten im Elsaß. Aber sein Reichthum hatte keinen Bestand. Er verlor sein Vermögen fast vollständig und starb in keineswegs glänzenden Verhältnissen zu Straßburg am 8. Mai 1853. Aeußere Ehren, nach denen sein Sinn trachtete, sind ihm wenig zu theil geworden; den Orden der Ehrenlegion, welchen zu erhalten er dringend wünschte. hat ihm der Kaiser stets verweigert. Doch nahm S. gesellschaftlich zu Zeiten eine sehr geachtete Stellung ein, zu deren Gewinn die Gewandtheit seines Auftretens und die Kunst zu gefallen, welche er im hohen Grade besaß, wesentlich beitrugen.

L. Ferdinand Dieffenbach, Karl Ludwig Schulmeister, der Hauptspion, Parteigänger, Polizeipräfect und geheime Agent Napoleon’s I., Leipzig 1879.