ADB:Spörer, Julius (1. Artikel)
**): Julius S.[WS 1], Geograph und Culturhistoriker, geb. am 1. Febr. 1823 zu St. Petersburg, wo er als Lehrer an der St. Annenschule und Privatlehrer wirkte, auch Großfürsten in Geographie und Geschichte unterrichtete. 1863 siedelte er nach Gotha über, trat mit dem Geographischen Institut in nähere Verbindung, dem er zunächst durch seine Kenntniß der russischen Sprache, dann aber im allgemeinen durch seine große Gelehrsamkeit werthvolle Dienste leistete. Er übersetzte aus dem Russischen und lieferte Auszüge und Besprechungen der russischen geographischen Litteratur. Von größeren Arbeiten dieser Art, die in den 10 Jahren seines Gothaischen Aufenthaltes erschienen, nennen wir vor allem „Nowaja Semlä in geographischer, naturhistorischer und volkswirthschaftlicher Beziehung“ (Ergänzungsheft der Geographischen Mitth.) 1867, die Sibirische Expedition der kaiserlich russischen Geographischen Gesellschaft 1864, die Seenzone des Balchasch-Alakul 1868, dann verschiedene Berichte über die russischen Forschungen in Centralasien, besonders die Prschewalski’s. 1865 übersetzte er Sholowjoff’s Geschichte des Falles Polens. Die eingehende Beschäftigung mit Geographie führte ihn, seinem Bildungsgange entsprechend, auf das Gebiet der historischen oder vergleichenden Erdkunde im Sinne von Herder und Ritter, für die er in [776] einer Anzahl von geistvollen, von reicher Belesenheit zeugenden, aber überladenen und unklaren Aufsätzen unter dem Titel: „Zur historischen Erdkunde“ in den Geographischen Mittheilungen 1871 und im 3. und 4. Bande des von Behm herausgegebenen, Geographischen Jahrbuches zu wirken suchte. Eine sehr anziehende Studie sind die Begleitworte zu C. Vogel’s Plan von Paris und Umgebung in den Geographischen Mittheilungen 1871 und ein Aufsatz über die Topographie von Athen in derselben Zeitschrift 1869. Eine historisch und geographisch geordnete Gedichtsammlung, Kosmos der Poesie, gab er 1872 heraus. Eine Lungenkrankheit veranlaßte ihn 1873 zur Uebersiedelung nach Heidelberg, dessen milderes Klima ihm aber keine Heilung brachte. Er starb in Heidelberg am 22. August 1873. – S. fehlte nur die Ausprägung seiner Ideenfülle und seines reichen Wissens in einem großen geographischen Werke, um einen tieferen Einfluß auf die Entwicklung der geographischen Wissenschaften zu üben. In dem, was er in zerstreuten Aufsätzen niederlegt hat, haben einige wenige Jünger Anregung geschöpft, aber diese Arbeiten waren nicht stark, nicht selbständig genug, um die naturwissenschaftliche und die sogenannte jungritter’sche Richtung zu beeinflussen, die beide über sie weggegangen sind. Ueber Karl Ritter, den er als Meister anerkennt, ist S. in seinen Gedanken über die Beziehungen zwischen Erde und Mensch nicht hinausgelangt.
Spörer- Nekrolog in den Geogr. Mitth. 1876.
[775] **) Zu S. 273.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Über diese Person existiert in Band 54 ein weiterer Artikel.