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ADB:Spurzheim, Karl

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Artikel „Spurzheim, Karl“ von Julius Pagel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 330–331, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spurzheim,_Karl&oldid=- (Version vom 18. November 2024, 23:35 Uhr UTC)
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Spurzheim: Karl S., Neffe des berühmten Kranioskopen Johann Christoph S., ist 1809 in Wien geboren, studirte daselbst Medicin und erlangte 1835 die ärztliche Doctorwürde. Nachdem er eine wissenschaftliche Reise von zweijähriger Dauer nach Deutschland, Belgien und Frankreich gemacht und sich hier besonders dem Studium der Humanitäts- und namentlich der Irrenanstalten gewidmet hatte, trat er 1837 in die Conceptspraxis bei der niederösterreichischen Landesregierung unter Leitung von Dr. Knolz, fungirte dann von 1840 bis 1842 als Secundararzt am Lazareth der Währinger Straße (der jetzigen Versorgungsanstalt), war 1841 auch provisorischer Primararzt einer Filiale des Allgemeinen Krankenhauses und wurde hierauf Primararzt der Ybbser Irrenabtheilung, wo es ihm nach langen Mühen gelang, den verwahrlosten Zustand, in dem sich die genannte Abtheilung befand, zu beseitigen und zugleich eine Reihe von segensreichen Reformen einzuführen, indem die Geisteskranken aus dem Versorgungshause heraus in einer eigenen, größeren Anstalt untergebracht, nach bestimmten Kategorien in Abtheilungen gesondert wurden, bessere Kost und durch Milderung des Zwanges und der Beschränkungsmittel, sowie durch passende Beschäftigung eine menschlichere Behandlung erhielten. In Berichten, die S. 1843 und 44 über die genannte Anstalt abfaßte, trat er auch schriftstellerisch für die Durchführung eines Verbesserungsprogramms in angegebenem Sinne ein (diese Berichte sind in der Zeitschr. d. k. k. Gesellschaft der Aerzte 1844 veröffentlicht). 1848 folgte er einem Rufe als Abgeordneter in das Frankfurter Parlament, kehrte aber bald in seinen Wirkungskreis zurück, wurde 1859 Director der Anstalt und 1869 als Nachfolger von Riedel Director der Wiener Irrenanstalt, um deren Entwickelung er sich gleichfalls durch Beseitigung des Zwangssystems und Anbahnung des No-restraint-Verfahrens ein großes Verdienst erwarb. Doch war seine Thätigkeit an letztgenannter Anstalt nur von kurzer Dauer, da S. bereits am 7. October 1872 starb. Außer den obengenannten Berichten hat S. nur noch wenige Arbeiten verfaßt, bestehend aus Referaten und Recensionen und folgenden Aufsätzen: „Einige Worte und Wünsche, die Trunksüchtigen in Humanitätsanstalten betreffend“ (Oesterr. Wochenschr. d. Gesellsch. d. Aerzte 1846); „Rückblick auf die öffentlichen Irrenanstalten der Provinz Niederösterreich“ (ebda. 1847). S. war in Fachkreisen hochgeschätzt, stand mit den hervorragendsten Irrenärzten seiner Zeit in freundschaftlicher Verbindung, war Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Vereine, auch Präsident des Vereins für Psychiatrie und forensische Psychologie in Wien. „Er war Humanist in der edelsten Bedeutung des Wortes, der die [331] Unglücklichen, die das göttliche Siegel des Menschthums mit oder ohne eigene Schuld abgestreift hatten, immer noch als Menschen betrachtete.“ (v. Wurzbach.)

Vgl. Biogr. Lexikon hervorr. Aerzte etc. von Hirsch u. Gurlt V, 498.