Zum Inhalt springen

ADB:Stamitz, Johann Karl

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Stamitz, Johann Karl“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 427–429, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stamitz,_Johann_Karl&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 22:04 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Stamheim
Band 35 (1893), S. 427–429 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Stamitz in der Wikipedia
Johann Stamitz in Wikidata
GND-Nummer 118752618
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|35|427|429|Stamitz, Johann Karl|Rudolf Müller|ADB:Stamitz, Johann Karl}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118752618}}    

Stamitz: Johann Karl St., berühmter Violinist und geschätzter Tondichter, geb. 1719 zu Deutschbrod in Böhmen, † zu Mannheim 1761, Sohn des Stadtcantors in Deutschbrod, von dem er den ersten musikalischen Unterricht erhielt, sich des weiteren aber vermöge seiner ungewöhnlichen Befähigung selbst fortbildete und ungesucht zu Ruf gelangte, so daß er, nach Mannheim eingeladen, auf Grund seiner vorzüglichen Leistungen für dort gewonnen, und von 1745 an als erster Concertmeister und Kammermusikdirector der kurfürstlichen Capelle in Wirksamkeit verblieb. – Uebereinstimmende zeitgenössische Urtheile lauten dahin, daß die Kammermusik durch St. eine gänzlich neue Richtung und jene eigenartige Ausprägung erhielt, die fortan als „Mannheimer Schule“ zu Ehren kam und in der Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts sich als Glanzpunkt behauptete. – Von besonderem Interesse ist die begeisterte Aeußerung über diese Schule vom gleichzeitigen Chr. Frdr. Schubart: „Wenn sich Neapel durch Pracht, Berlin durch kritische Genauigkeit, Dresden durch Grazie, Wien durch das Komischtragische auszeichneten, so erregt Mannheim die Bewunderung der Welt durch Mannigfaltigkeit.“ Weiter hebt er hervor, daß kein Orchester der Welt es je in der Ausführung dem Mannheimer zuvorgethan habe. „Sein Forte ist ein Donner, sein Crescendo ein Katarakt, sein Diminuendo ein in der [428] Ferne hinplätschernder Krystallfluß, sein Piano ein Frühlingshauch. Die blasenden Instrumente sind alle so angebracht wie sie angebracht sein sollen: sie heben und tragen, füllen und beseelen den Sturm der Geigen.“ Auch Charles Burney äußert sich in seiner 1772 erschienenen „Reise durch Deutschland und die Niederlande“ gleichen Sinnes: „Hier ist die Geburtsstätte des Crescendo und Diminuendo und hier war es, wo man bemerkte, daß das Piano, welches vorher hauptsächlich nur als Echo gebraucht wurde, sowol als das Forte musikalische Farben sind, die so gut Schattirungen haben wie das roth oder blau in der Malerei.“ Von den Künstlern, die zumeist für diese Glanzperiode wirkten, ist nächst dem Capellmeister Holzbauer der Violinist J. K. St. hervorzuheben, welcher 30 Jahre lang die Hauptzierde der Capelle bildete und eine Schule begründete, die unter ihm, wie nachgehend unter seinem Schüler Christian Cannabich – 1761–1798, zu den angesehensten in Europa zählte. – Im übrigen zeigt das Wirken dieser beiden Künstler, daß wie in Italien so in Deutschland, die Einführung der modernen Formen der Instrumentalmusik vor allen den Violinisten zu danken ist. Der Uebergang von der italienischen Ouvertüre zu der Orchestersymphonie in ihrer heutigen Form ist, wie Burney aussagt, von keinem Anderen wie von St. angebahnt worden: „In Mannheim war es, wo St. zuerst über die Grenzen der gewöhnlichen Opernouverture hinausschritt, die bis dahin beim Theater gleichsam nur als ein Rufen im Dienste stand, um durch ein „Aufgeschaut“ für die auftretenden Sänger Stille und Aufmerksamkeit zu erhalten. Seit der Entdeckung, auf welche der geniale St. zuerst verfiel, sind alle Wirkungen versucht worden, deren eine Zusammensetzung von unartikulirten (wortlosen) Tönen fähig ist.“

Gedruckte Tonwerke von St. sind: 6 Sonaten für Clavier und Violine, (Op. 1); 2 Concerte für Clavier; 12 achtstimmige Symphonien (Op. 3, 8), 12 Sonaten für Violine und Baß (Op. 2, 6); 6 Violinconcerte, 6 Trios für zwei Violinen und Baß (Op. 5) und Etüden nach Art eines Duo für zwei Violinen. Viele andere Werke blieben Manuscript.

Karl St., ältester Sohn des Vorigen, Violinist und Tonsetzer, geb. am 7. Mai 1746 zu Mannheim, † 1801 zu Jena, Schüler seines Vaters, nach dessen Ableben unter Leitung von Cannabich, trat 1767 in die Mannheimer Capelle ein. Doch reiselustig, unternahm er schon 1770 eine Concertreise nach Paris, zeigte sich als vollendeter Virtuose auf der Bratsche und der Viola d’amour, wurde in Folge, und blieb bis 1785 Concertmeister des Herzogs Noailles; reiste hierauf wieder nach Deutschland, nahm zeitweiligen Aufenthalt in Nürnberg und auch zeitweiligen Dienst als Concertmeister des Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst. Im J. 1787 wird (von Dlabacz) seiner Anwesenheit in Prag gedacht und zwar, daß er sich dort im „Badsaale“ „auf der Viola d’amour und Altoviola mit vielem Beifall hören ließ“. Weiter findet sich über ihn berichtet, daß er 1789–90 das Liebhaberconcert zu Cassel und nach einer Bereisung von Rußland, 1800, die akademischen Concerte in Jena dirigirte. Veröffentlicht wurden von seinen Tonwerken: 3 achtstimmige und 6 zehnstimmige Symphonien, die Jagdsymphonie für Streichquartett (Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner und 2 Trompeten); 4 Concerte für 2 Violinen, 7 Violinconcerte, Streichquartette (Op. 4, 7, 10, 13, 15); 6 Trios für 2 Violinen und 6 Duette für 2 Violinen, für Violine und Cello, für Bratsche und Cello, ein Bratschenconcert, ein Clavierconcert u. a. m. Auch schrieb er zwei Opern: „Der verliebte Vormund“ (für Frankfurt) und „Dardanus“ (für Petersburg).

Anton St., jüngerer Bruder von Karl St., ein gleich namhafter Tonmeister, geb. 1753 zu Mannheim – Todesjahr unbekannt. Bekannt ist nur, daß er mit seinem Bruder 1770 die Reise nach Paris unternahm und wahrscheinlich [429] sich dort festsetzte; denn er veröffentlichte daselbst 1782 mehrere Tonwerke. Bekannt von ihm sind: 12 Streichquartette, 6 Trios für 2 Violinen und Baß, ein Violinconcert, Duette für Violine und Cello, 6 Trios für Violine und Cello, 6 Trios für Violine, Flöte und Baß, Nocturnen (Variationen) für Violine und Cello, 6 Duetten für Violine und Flöte, 3 Clavierconcerte und andere Concerte für Cello, Fagott u. s. w.

Joseph St., dessen noch Dlabacz als eines Bruders dieser Beiden erwähnt, war „ein geschickter Maler zu Deutschbrod, … im J. 1788 lebte er noch.“ – Zu dieser achtbaren Künstlerfamilie zählt auch noch ein Bruder von Johann Karl St., nämlich:

Thaddäus St. vorzüglicher Violincellist und Violinist, geb. zu Deutschbrod 1721, † am 23. August 1768 zu Alt-Bunzlau in Böhmen. Er verbrachte wie sein Bruder die ersten Studienjahre am Deutschbroder Augustiner-Gymnasium, folgte dann aber diesem nach Mannheim und trat als wohlgeschulter Cellist mit ein in die vom Bruder geleitete Capelle. Doch war sein Verbleiben nur ein kurzes, wegen vorwiegender Neigung zum geistlichen Stande. Dieser Neigung folgend oblag er nach seiner Rückkehr ins Vaterland zu Prag dem Studium der Theologie, kam als Caplan in die Vaterstadt, wurde hierauf Dechant, schließlich erzbischöflicher Vicar und Canonicus des Stiftes in Alt-Bunzlau. – Ueber hinterlassene Tonwerke wissen seine Biographien nicht zu berichten, wol aber darüber, daß er „geistliche Concerte veranstaltete“ mit einer selbstgeschulten Capelle.

Burney, Reise durch Deutschland. – Schubart, Briefe. – Dlabacz, Allg. Künstl.-Lexikon. – Gerber, Histor.-Biograph. Lexikon. – Langhans, Gesch. der Musik des 17., 18., 19. Jahrh. – Riemann’s Lexikon.