ADB:Stapß, Friedrich
[462] Compagnie in Erfurt die erwählte Laufbahn betreten konnte. Er widmete sich ihr mit gutem Erfolge, daneben trieb er Sprachen, Geschichte, Zeichnen und Musik, auch versuchte er sich als Dichter. Sein ganzes Wesen zeigte nichts Ueberspanntes, auch keine Unzufriedenheit mit den bestehenden politischen Verhältnissen, zu deren Aeußerung die Fürstenversammlung zu Erfurt, welche in die Zeit von Stapß’ dortigem Aufenthalte fiel, sehr wol den Anlaß hätte geben können. Er war bei aller Welt beliebt und schien durchaus zufrieden zu sein. Den Geschicken der österreichischen Waffen im Jahre 1809 war er mit regem Interesse gefolgt, ohne aber über ihr endliches Mißgeschick besondere Trauer an den Tag zu legen. Da verschwand er am 24. September 1809 plötzlich aus Erfurt; seine Spur war verloren, bis er am 12. October im Vorhofe des Schlosses von Schönbrunn bei Wien erschien. Ein am 20. September an seine Eltern geschriebener Brief theilt diesen mit, daß er gehe „um zu vollbringen, was ihm Gott geheißen, was er Ihm fürchterlich heilig geschworen habe zu vollbringen“. Was es war, sagte er nicht, deutete es auch nicht an; er war überzeugt, daß er seinen Zweck erreichen werde, daß er aber das eigene Leben zum Opfer bringen müsse. An jenem 12. October hielt Napoleon, wie er häufig zu thun pflegte, eine Parade ab, zu welcher viele Schaulustige zusammengeströmt waren. Der Kaiser war zu Fuß, Berthier und Rapp befanden sich in seiner Nähe. Da drängte sich in auffälliger Weise ein junger Mann an ihn heran, der, als er zum zweiten Male versuchte sich dem Kaiser zu nähern und von welchem man glaubte daß er ein Gesuch vorbringen wolle, der Wache übergeben ward. Man fand bei ihm ein scharf geschliffenes Küchenmesser, dem einige Bogen graues Papier, mit Bindfaden umwunden, als Scheide dienten. Auf Befragen erklärte er, daß er damit den Kaiser habe ermorden wollen. Auf weitere Fragen verweigerte er die Auskunft mit dem Hinzufügen, daß er nur dem Kaiser Rede und Antwort stehen könne. Dieser ließ ihn vor sich bringen. St. wiederholte seine Erklärung, daß er ihn habe ermorden wollen, weil Napoleon das Unglück seines Vaterlandes sei und weil er die Ueberzeugung hege, durch seine That dem letzteren und ganz Europa den größten Dienst zu erweisen; er sei weder krank noch wahnsinnig und wisse nicht was ein Illuminat sei; er wolle keine Gnade und fühle nichts als die tiefste Betrübniß, daß sein Vorhaben mißlungen sei; wenn er in Freiheit gesetzt würde, so werde er den Versuch wiederholen. Umsonst versuchte man mehr aus ihm herauszubringen und Mitschuldige oder Anstifter zu entdecken, die in der That nicht vorhanden waren. – St. wurde am 16. October 1809 zu Schönbrunn erschossen. Er starb mit den Worten: „Es lebe die Freiheit! Es lebe Deutschland! Tod seinem Tyrannen!“ – Auf Napoleon machten die Unterredung mit St. und sein Vorhaben einen tiefen Eindruck. Er sah darin die Ergebnisse des Illuminatenthums, welches die Gemüther in Deutschland beherrsche, und witterte eine weitverzweigte Verschwörung. Die nächste Folge war, daß er Champagny befahl, die Friedensunterhandlungen mit Oesterreich, deren Fortschreiten er bis dahin selbst gehemmt hatte, zu beschleunigen. Daher wurde bereits am 14. October der Friede von Schönbrunn unterzeichnet.
Stapß: Friedrich St. (auch Staps geschrieben), bekannt durch seinen Versuch den Kaiser Napoleon I. zu ermorden, war am 14. März 1792 zu Naumburg a. d. Saale geboren. Sein Vater war dort Prediger an der Kirche zu St. Othmar; seine Mutter, eine geborene Wislicenus, war die Tochter eines Predigers. Als kleiner Knabe zeigte Friedrich St. große Neigung für den Beruf seines Vaters, das Predigen war der Gegenstand seiner kindlichen Spiele. Die Lust verlor sich als er älter wurde, seine Vorliebe wendete sich dem Kaufmannsstande zu. Mit Ernst und Ausdauer war er bestrebt, sich die für diesen besonders nützlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben, so daß er gut vorbereitet im Mai 1806 als Lehrling in der Fabrik von Rothstein, Lentin und- Friedrich St. Eine Biographie aus den hinterlassenen Papieren seines Vaters. Berlin 1843 (vgl. hierzu Historisch-politische Blätter, 1844, XIV, 148–171).