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ADB:Stroband, Heinrich

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Artikel „Stroband, Heinrich“ von Karl Lohmeyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 601–603, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stroband,_Heinrich&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:03 Uhr UTC)
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Stroband: Heinrich St., drei gleichnamige Thorner Bürger, die in der zweiten Hälfte des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts an der Spitze ihrer Stadt gestanden haben, und von denen ganz besonders der erste sich nach den verschiedensten Richtungen hin die allergrößten Verdienste um dieselbe erworben hat. – Einer schon gegen das Ende des 14. Jahrhunderts nachweisbaren märkischen Familie entsprossen, war Christian St., ein Sohn (geboren 26. Dcbr. 1482) des Frankfurter Rathmannes Johann, kaum 20 Jahre alt, nach Danzig gekommen, daselbst Hausbesitzer geworden und hatte die Tochter eines dortigen Bürgers (Anna Stutte) geheirathet. In dem sogenannten Frankenkriege, welchen der letzte Deutschordenshochmeister Albrecht von Brandenburg 1520 und 1521 gegen die Polen führte, hat er denselben mit den Waffen in der Hand und mit Geldvorschüssen unterstützt. Bald nach dem Kriege erhielt er auf des Hochmeisters Empfehlung vom Könige die Erlaubniß, nach Thorn überzusiedeln, und muß bei seinen neuen Mitbürgern bald ein gewisses Ansehen gewonnen haben, denn schon 1527 wurde er, ohne, wie es sonst Brauch war, auf der Schöppenbank gesessen zu haben, zum Rathmann gekoren. Es ist Grund zu der Annahme vorhanden, daß schon er sich dem neuen Glauben zugewandt hat. Er starb am 26. Februar 1531. (Ueber ihn A. Semrau in der Thorner Ostdeutschen Zeitung 1890, Nr. 133.) Sein einziger Sohn war Johann (geboren 7. Dec. 1511, † 27. Oct. 1585), der im Alter von 21 Jahren Beisitzer des städtischen Gerichts, dann Rathmann und nach wenigen Jahren auch Schöppe des adligen Landgerichts im Kulmerland wurde. Wie seine Collegen im Rath ihn zum Bürgermeister erwählten, so übertrug ihm der Polenkönig Sigismund August die Würde des königlichen Burggrafen. Vielleicht war es wieder brandenburgischer Einfluß, der den König dazu veranlaßte, ihm und seinen Nachkommen auf dem bekannten Reichstage zu Lublin 1569 das Indigenat des polnischen Reiches zu ertheilen. Nachdem Sigismund August durch das Religionsprivilegium von 1557 den Protestanten in Thorn Bekenntniß und Ausübung ihres Glaubens freigegeben hatte, bekannte sich auch Johann St. öffentlich dazu und ließ nunmehr seine Kinder im neuen Glauben erziehen. Von welcher Art die Verdienste gewesen sind, die er sich um die 1568 vollzogene Gründung des Gymnasium classicum erworben haben soll, ist nicht anzugeben. Auf einem seiner Landgüter hat er eine Papiermühle angelegt. Der älteste seiner Söhne aus der Ehe mit Margaretha Esken war Heinrich (I) St., den ältere Thorner Schriftsteller gern den Großen nennen (geb. 14. Nov. 1548, † 20. Nov. 1609). Auf der Schule zu Schweidnitz vorgebildet, studirte er zu Frankfurt a. O. und zu Tübingen vorzugsweise die Rechtswissenschaft. Die zeitübliche Reise mußte er auf Deutschland beschränken, da ihm der Vater den Besuch Frankreichs aus Besorgniß wegen der dortigen religiösen und politischen Zustände nicht gestattete. Nach seiner Heimkehr wurde er (1578) Schöppe des altstädtischen Gerichts, bald auch des kulmischen Landgerichts, dann Rathmann, Bürgermeister, königlicher Burggraf; vielfach führte er die Vertretung seiner Stadt auf den engeren und weiteren Landtagen des polnischen Preußen wie auch auf polnischen Reichstagen. Mit besonderer Vorliebe und hervorragendem Erfolg wandte er seine amtliche Thätigkeit nach zwei Richtungen hin: auf den Ausbau und die Befestigung der Stadt und auf Kräftigung und Stütze des protestantischen Glaubens durch Kirche und Schule. Zur bessern Sicherung der Stadt diente das mit einem Kostenaufwande von 100 000 Mark erbaute Wachhaus zur Aufnahme von 80 Söldnern; ein [602] Zeughaus wurde in Angriff genommen; „von Befestigung der Stadt Thorn“ handelt eine noch vorhandene größere Denkschrift, welche St. selbst auf Grund einer im Auftrage des Rathes mit dem damals berühmten Kriegsbaumeister Anton v. Obbergen gehaltenen Berathschlagung aufgesetzt und 1591 eingereicht hat, und in der er den Umfang und die Kosten der nöthigen Bauten genau darlegt; einiges davon wurde noch zu seiner Zeit ausgeführt. Neben Gebäuden für eine Bibliothek und für ein Alumnat und Speisehaus beim Gymnasium, neben verschiedenen Bauten für Kirchen (die Orgel in der Marienkirche), Hospitäler und zu wirthschaftlichen Zwecken verdankt die Stadt dem Kunstsinn ihres Bürgermeisters den (freilich durch die schwedische Beschießung von 1703 zum Theil wieder vernichteten) ersten neuen Ausbau ihres herrlichen Rathhauses, das in den Jahren 1602–1604 durch Martin Steinhauer einen gründlichen Umbau seines Obergeschosses erfuhr und mit stattlichen Gemächern, Giebeln und Thürmen versehen und mit Gemälden verziert wurde (56 111 Florin Kosten). – Für seinen Glauben unmittelbar einzutreten, fand St. je mehr und mehr Veranlassung, als der Katholicismus, durch die Erfolge der Jesuiten gehoben und durch König Sigismund III. Wasa gestützt, auch in Polen zu immer schärferen Angriffen vorging. Er vertrat seine Stadt auf dem Convent der Evangelischen, welcher auf Reichstagsbeschluß im August 1595 in Thorn selbst tagte und den Consensus Sandomiriensis von 1570 bestätigte, und scheute selbst eine Reise nach Deutschland nicht, um den Widerspruch der starrsinnigen Rechtgläubigen beider evangelischen Kirchen zu beschwichtigen; und wenn in den folgenden Jahren die Jesuiten ihre Bemühungen, auch in Thorn festen Fuß zu fassen, nicht nach Wunsch erreichten, so durfte sich St. das Hauptverdienst daran zuschreiben. Seinen Bestrebungen, eine vollständige polnische Bibelübersetzung zu Stande zu bringen, trat der Widerwille der Gegner und der eigene Tod hindernd entgegen. – Den größten Ruhm Stroband’s aber haben seine Mitbürger, die zeitgenössischen wie die späteren, einmüthig in dem erkannt, was er für das Thorner Schulwesen geleistet hat. Aeußerlich bestanden seine im J. 1594 durchgeführten Schöpfungen in folgendem: das Schulgebäude im ehemaligen Franziskanerkloster wurde erweitert und ausgebaut; zu den 10 (bisher 6) Classen des Gymnasiums trat noch eine den Elementen der Facultätsstudien gewidmete Classis oder Curia suprema hinzu, durch welche die Anstalt ein akademisches Gymnasium wurde; wie in dem Schulgebäude selbst für Söhne von Einheimischen, so wurde in einem besonderen Hause, der Oekonomie, für auswärtige Schüler ein Alumnat eingerichtet; für die Gymnasialbibliothek (Klosterbibliothek, ein Theil der Rathsbibliothek, dazu Ankäufe und Schenkungen) wurde ein eigenes Gebäude erbaut; die vorhandene Buchdruckerei wurde umgewandelt und an die neue Anstalt angeschlossen. Als Protoscholarch, Vorsteher des aus drei Mitgliedern bestehenden städtischen Scholarchats, verstand es St., den Rath und die Bürger zur Gewährung der nöthigen Mittel zu gewinnen. Doch seine Einwirkung auf die Neugestaltung des städtischen Schulwesens ging noch tiefer, auf Kern und Wesen der Sache selbst. Bei einem früheren Aufenthalte in Straßburg (bei Gelegenheit der nicht ausgeführten Reise nach Frankreich) hatte er Johannes Sturm kennen und schätzen lernen, und als er dann später die Hebung des heimischen Schulwesens ins Auge faßte, war ihm von Anbeginn klar, daß das Werk nur, wenn es auf den Grundsätzen des Meisters der neuen Pädagogik aufgebaut wurde, günstige Entwicklung versprach. Um diese Grundsätze im voraus weiteren Kreisen bekannt zu geben, hatte er von Lehrern des Gymnasiums die bedeutendsten Schriften Sturm’s selbst und andere wichtige pädagogische Neuheiten, zumal Statuten neuer Schulen, sammeln und schon 1586–88 in drei Quartbänden (Institutionis literatae sive de discendi atque docendi ratione [603] tomi I, II, III) abdrucken lassen, und weiter sind unter den auf die Neuordnung selbst bezüglichen Acten und sonstigen Schriftstücken die meisten und wichtigsten, so das Statut und die Zucht- und Lehrordnung, von ihm selbst ganz und gar im Sturm’schen Geiste verfaßt. – Auch für die Verwaltung hat sich St. nicht bloß mit weitgehenden Reformplänen getragen, sondern auch so manche von ihnen, wenngleich sich nicht alles, was in jener Zeit geschah, als sein Werk erweisen läßt, zur Durchführung gebracht. Die 1605 vom Rathe bestätigte Ordnung und Willkür der Dorfschaften der Niederung, ein „vollständiges bäuerliches Gesetzbuch, mittels dessen H. St. als städtischer Verwalter der Niederung die Rechtsverhältnisse der Landleute nach altem Brauch und Gewohnheit ordnete“, rührt von ihm her. Auch die Waisenordnung und die Ordnung des Quartieramtes von demselben Jahre werden ihm gewöhnlich zugeschrieben. Endlich war St. noch als gelehrter Jurist litterarisch und praktisch thätig. Im J. 1584 hat er die erste Druckausgabe des alten kulmischen Rechts, des sogenannten Alten Kulm, zu Thorn erscheinen lassen, freilich nach einer Handschrift, die „keineswegs zu den guten gehört“, und als der preußische Landtag von 1590 die Neubearbeitung des adligen Landrechts beschloß, übertrug er zwar ihm und einem Starosten die gemeinsame Arbeit, jedoch so, daß der Bürgermeister als der rechtskundige Mann die Leitung haben sollte; das so entstandene Rechtsbuch ist 1599 gedruckt. – Ueber die weiteren Beziehungen der Stroband zu den brandenburgischen Hohenzollern läßt sich zwar nichts Zusammenhängendes nachweisen, doch scheinen dieselben nie ganz geschwunden zu sein. Wenigstens hat im J. 1609 der neue Herzog in Preußen, Kurfürst Johann Sigismund, als ihm für den Frühjahrslandtag schwierige Verhandlungen mit den polnischen Kommissarien und den preußischen Ständen über die Anerkennung der Curatel und der Nachfolgeberechtigung bevorstanden, den Thorner Bürgermeister zu seinem Rathsbeistande nach Königsberg berufen, ihn ein Vierteljahr bei sich behalten und ihn schließlich mit der Würde eines Geheimen Rathes geehrt.

Aeltere Lebensbeschreibungen in Melch. Adami Vitae Germanorum jureconsultorum, edit. III, Frankfurt a. M. 1706, S. 187–195 und in Das Gelahrte Preußen, II. Theil, Thorn (1723), S. 135–164; einige spätere bringen nichts Neues. Dazu: die Geschichten Thorns von Zernecke (1727) und von Wernicke (II. Band, 1842). – Kestner, Beiträge z. Gesch. der St. Thorn, 1882, S.191–195. – Lehnerdt, Gesch. des Gymnasiums zu Thorn (im Festprogramm von 1868). – Gefällige Mittheilungen von A. Semrau.