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ADB:Süßmayer, Franz Xaver

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Artikel „Süßmayer, Franz Xaver“ von Max Dies. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 186–188, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:S%C3%BC%C3%9Fmayer,_Franz_Xaver&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:16 Uhr UTC)
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Süßmayer: Franz Xaver S., Componist, geboren in dem Städtchen Steyer in Oberösterreich 1766, † zu Wien am 17. September 1803, erhielt seine musikalische Erziehung im Benedictinerstift Kremsmünster, wo er als Chorknabe Verwendung fand und von Georg Pasterwitz theoretisch gebildet ward. An tonkünstlerischen Anregungen gebrach es ihm da keineswegs. Nicht nur, daß die Kirchenmusik sich eifriger Pflege erfreute, im Stiftstheater kam die Bühnenmusik kleinen Stils zur Geltung, desgleichen ward auch die Instrumentalmusik [187] nicht vernachlässigt. Unter solchen Umständen ist es begreiflich, daß in dem Jüngling frühzeitig die Schaffenslust sich regte. Er componirte Sinfonien, Cantaten, allerhand Kirchenmusik (Messen, Motetten, Psalmen) und kurze Singspiele, welche ebendaselbst aufgeführt wurden und ihrer angenehmen Melodien wegen gefielen. Auf die Dauer konnte das abgelegene Kremsmünster den weiter ausgreifenden Plänen des lernbegierigen Kunstjüngers allerdings nicht genügen. Er strebte darnach, in den Mittelpunkt des musikalischen Lebens zu kommen, das damals in der Kaiserstadt hochgehende Wellen schlug. Gedacht, gethan. Er ging nach Wien. Hier, wo damals Mozart und Ditters schufen, Gluck und Salieri lebten, ein wenig später Haydn und nicht lange darauf Beethoven sich bleibend ansiedeln sollten, gelang es ihm, Salieri’s Schüler in der Composition zu werden. Zugleich ward er mit Mozart bekannt, zu dessen Musik er sich in aufrichtiger Liebe hingezogen fühlte, und der seinem eigenen Schaffen vielfach zum Vorbild diente. Er ward sein Famulus, Kamerad und einer der „Narren“, an denen der Meister, wenn ihn die Lust hierzu überkam, seine Laune auslassen konnte. „Sauermayer“, wie ihn Mozart öfters scherzend nannte, benützte die Gelegenheit, sich in den Stil seines Freundes völlig einzuleben. Auch äußerlich bekundete sich das. Seine Handschrift ähnelte der des von ihm verehrten Tonheroen so sehr, daß auf den ersten Blick eine Unterscheidung zwischen beiden kaum möglich war. So kam es, daß Mozart, als er bereits leidend und von der Zeit gedrängt, die Krönungsoper „Titus“ so zu sagen aus dem Aermel schütteln mußte, die Dienste Süßmayer’s in Anspruch nahm und ihm die Composition der Seccorecitative überwies, welcher Aufgabe er sich zu dessen Zufriedenheit entledigte. Lange Zeit hat man ihm irrthümlicher Weise auch die Composition der Arien der Servilia, des Publio und Annio zugeschrieben, Nummern, welche fast alle in Mozart’s Originalhandschrift existiren. Wie eng befreundet das Verhältniß der beiden, an Talent himmelweit von einander abstehenden Musiker gewesen, geht auch aus der Thatsache hervor, daß S., welcher damals (nach einer nachträglichen Aeußerung Seyfried’s) „des verewigten Amphion unzertrennlicher Gefährte“ gewesen, bei der ersten Aufführung der „Zauberflöte“ am 30. September 1791 dem am Clavier dirigirenden Meister die Seiten umwendete. In das innigste Verhältniß zur Mozart’schen Muse trat S. vollends bei dessen Schwanengesang, dem „Requiem“, das der todkranke musikalische Prometheus in allen Einzelheiten nicht mehr vollenden sollte. S. hat das herrliche Tonwerk nach den ihm seitens des sterbenden Meisters gewordenen Andeutungen ausinstrumentirt und ist hierbei nicht ohne Geschick verfahren. Dieses übrigens nicht allzu hoch zu veranschlagende Verdienst bildet auch den einzigen Lichtpunkt in seinem künstlerischen Wirken, bloß das Mitthun an Mozart’s Requiem rettet seinen Namen vor der Vergessenheit.

Seine eigene Production für die Wiener Opernbühnen begann bald nach Mozart’s Tod 1792. Der stets findige, auf Talentenfang bedachte Schikaneder hatte ihn eingefädelt. S. verstand sich dazu, für seine Opernunternehmung einen „Moses“ zu schreiben. Auch das Theater an der Wien brachte 1796 „Moses oder der Auszug aus Aegypten“ von S., und am Christfest 1812 ward „Moses“ als Oratorium in zwei Abtheilungen im k. k. Redoutensaal in Wien zum Besten der in der Versorgung zu St. Marx stehenden armen Bürger, Bürgerinnen und Bürgerskinder bei „zum Erdrücken vollen“ Hause aufgeführt. Der wohlthätige Zweck ward wohl erreicht, aber das Werk erzeugte „die tödtlichste Langeweile“. S. versorgte die Theater fortwährend mit frischen Erzeugnissen seiner flinken Feder, worunter „Der Spiegel von Arkadien“, „Die edle Rache“ (1795), „Der Wildfang“ (1798), „Soliman II. oder die drei Sultaninnen“ (1800), „Gulnare“ (im gleichen Jahre), sowie das Ballet „Der Nußbaum zu Benevent [188] oder die Zauberschwestern“ den meisten Erfolg hatten und gegen dreißig Jahre lang im Spielplan der Wiener und anderer deutschen Bühnen sich erhielten. Auch als Componist von Cantaten, die zu bemerkenswerthen Ereignissen der sturmbewegten Zeit der 90er Jahre in Beziehung standen, hat sich S. bekannt gemacht. So schrieb er 1796 „Der Retter in Gefahr“, ein Gelegenheitswerk, das zweimal im großen Redoutensaal zum Besten des Wiener Freiwilligencorps, welches unter Führung Erzherzog Karl’s an den Rhein beordert war, aufgeführt ward, wobei Dichtung, Composition, Gesang und Instrumentalspiel unentgeltlich auf dem Altar des Vaterlandes geopfert wurden, und das Publicum den patriotischen Schlußchor mitsang. Für die Musik zum Schauspiel „Die Freiwilligen“, das im selben Jahr in Scene ging, ward er vom Kaiser mit einer goldenen Dose beschenkt. Süßmayer’s Schreibweise ist glatt, gefällig, sangbar, aber im allgemeinen modemäßig seicht. Nirgends leuchtet eine Spur von Eigenthümlichkeit auf. Eine geschickte Mache, namentlich in der Behandlung der Blasinstrumente, sowie eine natürliche, eingängliche Melodiosität machen sich indeß durchwegs bemerkbar. Lediglich ihr ist der Beifall zu danken, den diese tieferen Gehaltes baren Producte zu ihrer Zeit fanden. Für die beste seiner theatralischen Arbeiten halte ich die heroisch-komische Oper „Der Spiegel von Arkadien“ (Text von Schikaneder, 1794 zuerst gegeben und noch im Sommer 1826 im Josephstädter Theater gespielt), die manch hübsche, niedliche Einzelheiten bietet und über die blanke Mittelmäßigkeit, welche Süßmayer’s unnervigen Stil kennzeichnet, sich etwas erhebt. Der glänzende Erfolg dieser Zauberoper hatte seine im nächsten Jahre erfolgte Ernennung zum zweiten Capellmeister an der Hofoper zur Folge. Seine übrigen ziemlich zopfigen Erzeugnisse, die Operetten „Die schöne Schusterin“, „Der Marktschreier“, „Die Liebe im Serail“, das heroische Singspiel „Phasma oder die Erscheinung aus dem Verschwiegenheitstempel“, die Buffoopern „L’incanto superato“, „I due gobbi“ (für London, gemeinschaftlich mit Paer), „Il Turco in Napoli“ (für Prag) sind, wiewohl sie ihn beliebt gemacht, kaum nennenswerth. Wer Süßmayer’s Hervorbringungen genauer kennt, dem muß die Behauptung, als hätte er einen erheblichen geistigen Beitrag zu Mozart’s Requiem geliefert, wie ein Märchen erscheinen. In den letzten Lebensjahren war der beliebte Tonsetzer, dessen Gesundheit durch ein ungeregeltes Leben vorzeitig untergraben ward, krankheitshalber beinahe beständig ans Zimmer gefesselt und suchte sich durch eifriges Componiren die Zeit zu verkürzen, eine Aufgabe, die seine leicht gehaltene, anspruchslose Musik beim damaligen Publicum überoft erfolgreich besorgt hatte.

Max Dies.