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ADB:Teuffel, Hans Christoph Freiherr von

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Artikel „Teuffel, Hans Christoph Freiherr von“ von Gustav Roethe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 789–791, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Teuffel,_Hans_Christoph_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:42 Uhr UTC)
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Teuffel *): Hans Christoph Freiherr v. T., aus dem vornehmen, uralten österreichischen Geschlechte der Teuffel von Gundersdorf, der Sohn Christoph’s T. von Gundersdorf und seiner Gemahlin Susanna v. Weispriach, scheint zwischen 1560 und 1570 geboren zu sein. In jungen Jahren unternahm er große Reisen, höchst ungewöhnlich für seine Zeit, nach dem heiligen Lande, Aegypten und Persien (1588–1590). Später tritt er der Regierung näher, dient als Hofkammerrath den Kaisern Rudolf II. und Ferdinand und nimmt 1604 an einer Sendung nach Ofen theil, die Friedensverhandlungen mit den Türken gilt. Ansässig finden wir ihn auf seinem Stammsitz Putten und später in Frohsdorf. Der 1613 erfolgte Tod seiner ersten Gattin, Euphrosina v. Thannhausen, die ihm vier Kinder geboren, erschütterte ihn tief. Spätestens damals trat er, früher Lutheraner, zum Katholicismus über und suchte auch seine Verwandten, zumal die Frauen, zu dem gleichen Schritte zu bestimmen; die männlichen Glieder der Familie sind seinem Beispiel jedenfalls nicht gefolgt, da das Geschlecht der Teuffel noch 1688 lutherisch ist. Auch eine [790] zweite Ehe mit Eusebia Freiin v. Stotzing war mit zwei Kindern gesegnet. – Das Jahr 1620 hat T. noch erlebt; sein Todesjahr ist mir unbekannt.

Von dem regen poetischen Interesse, das in dem österreichischen Adel um das Jahr 1600 gelebt hat, pflegt die Litteraturgeschichte wenig Notiz zu nehmen. Das ist, wenn nicht berechtigt, doch begreif1ich. Das kräftige litterarische Leben, das im 16. Jahrh. in Nord- und Mitteldeutschland pulsirt, schlägt nach Oesterreich hin bei manchen religiösen Sympathien doch nur sehr schwache Wellenkreise, und schon um die Wende des Reformationssäculums erscheint die österreichische Adelsdichtung als altmodisch im Vergleich mit den Schöpfungen der geistig führenden Landschaften. Auch Teuffel’s ’schlecht Poeterey’ läßt den Zeitgenossen des jungen Opitz nicht ahnen. Er klebt in rohen silbenzählenden Versen, die auch die unbetonten Silben munter reimen lassen, seine Strophen und Reimpaare ohne jedes Gefühl für Rhythmik, für die Harmonie zwischen Satz und Vers zusammen; selbst die Strophenschlüsse werden von Teuffel’s rücksichtslosen Enjambements nicht verschont. Ebenso entbehrt die absolut prosaische, mit steifen Fremdworten unbedenklich bereicherte Sprache jeder feineren Schulung. Aber T. baut trotzdem gerne seinen Vers. Auf Putten hat er ebenso einem treuen Diener, Koch und Dolmetsch, der ihm in Persien gestorben, ein poetisches Epitaphium gesetzt, wie er 1618 die Anlage eines Brunnens ebenda inschriftlich feiert, beides in Reimpaaren. Dieselbe alte bequeme Form herrscht nun auch in seiner größten Dichtung, der ’Reiß Vhr, darinnen die Vrsachen begriffen, warumb Er das Lutherthumb verlassen, vnd den alten Catholischen Glauben angenommen‘, gedruckt zu Ingolstadt 1620. Dieser Druck wurde wider seinen Willen von einem eifrigen Katholiken veranstaltet: T. selbst hatte seine Dichtung nur zur handschriftlichen Verbreitung bestimmt, in erster Fassung mit Widmung an seine Muhme, die Wittib Anna v. Polhaimb (1613), in zweiter (1620), stark vermehrter mit Zueignung an seine Schwester, die Wittib Susanna v. Tiefenbach; der Druck stimmt in dem Texte des Widmungsgedichts zur zweiten, in der Dichtung selbst zur ersten Bearbeitung. Die höchst naive Polemik gegen das Lutherthum kommt nur in der strophischen Einleitung zu Worte: die unschuldigen Argumente des Convertiten halten Luther z. B. vor, daß er nie Mirakel vollbracht, daß noch nie ein Heidenvolk zum Lutherthum sich bekehrt, daß die Lutheraner nicht so zahlreich seien wie die Katholiken und Aehnliches. Besondern Eindruck hat es auf den Verfasser offenbar gemacht, daß sich die beiden Prädicanten, die er in seiner lutherischen Zeit gehabt, immerfort über den Glauben bösartig und grobdrähtig gezankt haben, während die katholische Kirche Liebe und Glaubenseinheit hege: dieser persönliche Eindruck berührt ja wirklich einen sehr wunden Fleck des damaligen Protestantismus. Das lange, in eintönigen Reimpaaren dahinschleichende Hauptgedicht selbst dagegen, die ’Reisuhr‘ (Sand- oder Wasseruhr) berührt den Kirchenzwist nicht mit einer Silbe. Hervorgerufen durch den schwer empfundenen Tod der geliebten ersten Gattin, erinnern diese Todesbetrachtungen doch ungleich mehr an Teuffel’s zornigen mittelalterlichen Landsmann Heinrich v. Melk als etwa an Andreas Gryphius’ ’Kirchhofsgedanken‘: T. ist scheltender Didaktiker; selbst der sein Gemüth tief bewegende Anlaß entlockt ihm keine lyrischen Töne. Auch seine Gedanken schmecken eher nach dem Mittelalter als nach dem 16. Jahrhundert. Daß T. einen Todtenkopf warnend reden läßt, klingt ebenso an den alten Vorgänger an, wie die breite Ausführung der Leiden, die selbst der glückliche Mensch sein Leben hindurch zu erdulden habe; wie unendlich oft ferner hat die mhd. Poesie die Frage aufgeworfen: wo sind Absalon und Alexander, Aristoteles und Virgilius mit all ihrer Schöne, Macht und Weisheit vor dem Tode geblieben? Von rührender Dürftigkeit sind Teuffel’s Versuche, Himmel und Hölle phantastisch [791] auszumalen: weder glänzende noch tiefschwarze Farben hat er auf der Palette, und das in dem farbengrellsten Jahrhundert unserer Dichtung. Auch die eingelegten bîspel, etwa von dem alten Mönch, dem dreihundert Jahre sind wie eine Viertelstunde, oder von dem andern Mönch, der im Trunk drei Todsünden begeht, sind gute alte Bekannte aus der mittelalterlichen Litteratur. Das Selbsterlebte, auch nur das Locale, tritt wenig hervor: T. läßt etwa einen übermüthig stolzen Prahler rühmen, daß er mit den Herrn von Oesterreich vertraut sei; bei einer Philippika gegen die Trunkenheit nimmt er den Trunk auf die Gesundheit des Hauses Oesterreich als unumgänglich für jeden Cavalier ausdrücklich aus; und den unruhigen, thätigen, vielgereisten Mann kennzeichnet es, daß ihm ein Leben im Bett, mag es sonst noch so reich und üppig ausgestattet sein, wie ein Vorschmack der Hölle scheint. An sittlichem Ernst und gutem Willen fehlt es T. nicht, wol aber an jeder poetischen Gestaltungsfähigkeit, und sein geistiges Niveau läßt nicht wittern, daß er jemals Lutheraner gewesen sei, jemals protestantische Litteratur gelesen habe: wir spüren nur die ungestörte Tradition aus dem Mittelalter her.

Cod. Vindob. 10 100a. (Rec. 2201) fol. Bl. 32 ff. – Taschenbuch für die vaterländ. Geschichte, hsg. von Hormayr, Jahrg. IX. (1828), S. 28 bis 30. – Bucelinus, Germania topo-chrono-stemmatographica III, 236.

[789] *) Zu S. 611 oben.