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ADB:Tilemann, Philipp Johann

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Artikel „Tilemann, Philipp Johann“ von Bernhard Beß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 297–298, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tilemann,_Philipp_Johann&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 05:05 Uhr UTC)
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Tilemann: Philipp Johann T. gen. Schenck, Erbauungsschriftsteller und Dogmatiker, geboren am 11. November 1640 zu Bückeburg, wohin sich seine Eltern der Kriegsgefahr wegen begeben hatten. Der Vater, erst schaumburgischer Rath, wurde dann Syndicus und Senator in Bremen. Hier erhielt T. seine erste Bildung, studirte darauf in Rinteln, Gröningen, Franeker und Leyden, lernte auf einer längeren Reise die spanischen Niederlande, Frankreich, Italien und England kennen, promovirte 1667 zum Doctor der Theologie in Franeker und wurde in demselben Jahre Prediger der französischen Gemeinde in Bremen. Hier entfaltete er bereits sein Talent als Erbauungsschriftsteller in dem dem Oberst v. Mollesen gewidmeten Gebetbuch „Tägliche Opfer der Christen in geistreichen Andachten und schönen Seel-rührenden Gebehten auf alle Morgen und Abend der gantzen Woche gerichtet“ (Bremen 1673). Es enthält meist an alttestamentlichen Vorbildern entwickelte Gedanken von einfacher religiöser Haltung, anknüpfend an die täglichen Vorkommnisse, ohne doch eintönig zu sein. Gelegentlich tritt die Seele auf, die nach ihrem Bräutigam schmachtet, aber was man ungesunde Mystik nennt, ist vermieden und ebenso alles Dogmatische. – Eigenartiger zeigt sich Tilemann’s Talent in den zuerst Cöthen 1680 erschienenen, dann noch fünfmal aufgelegten, auch in das Raeto-Romanische (von P. C. Ruffet, Gadira 1755) übersetzten „Sechzehn Stuffen des Gnadenthrons Jesus Christus, begreiffend acht Vorbereitungen und soviel Danksagungen auff jedweden Tag in der Wochen vor und nach dem Brauch des Hl. Abendmahls“. Als Vorbild hat offenbar das 4. Buch der Imitatio Christi gedient. Es findet wie dort ein Zwiegespräch zwischen Christus und der Seele statt, und demgemäß tritt die Mystik stärker hervor; aber die Vereinigung der Seele mit Christus wird doch nur als die auf Vergebung der Sünden beruhende Heilsgemeinschaft dargestellt. Die Fülle der stets wechselnden Bilder ist bewunderungswerth, zumal wenn, wie die Vorrede sagt, diese Betrachtungen in acht Tagen aufgezeichnet worden sind. – T. hat dieses Buch in Lüchau als Hofprediger der Herzogin Sophie Elisabeth von Braunschweig verfaßt. Von da kam er 1676 an das Gymnasium zu Hamm, 1685 als Professor der Theologie, Consistorialrath und Prediger der reformirten Gemeinde nach Marburg. Schon in Hamm verfaßte er eine Reihe gelehrter, theils exegetischer, theils dogmatischer Dissertationen. Aus der Marburger Zeit sind hervorzuheben eine Abhandlung „De Agapis“ (1690), ein Abriß der Dogmatik „Fundamenta Sionis XII seu principia religionis reformatae, delineatio operis [298] plenioris“ (1691), entstanden aus Vorlesungsdictaten, ein Commentar zum Judasbrief (1692). Seine gelehrte Schriftstellerei zeichnet sich aus durch Ausscheidung alles Ueberflüssigen und präcise, auf den praktischen Gebrauch berechnete Zusammenfassung. Als Dogmatiker ist er strenger Prädestinatianer, aber mit der praktischen Tendenz eines Voetius und nicht ohne Coccejanische Beeinflussung. In einer Dissertation „De temporum mutatione in Dan. VII, 25“ tritt er ein für die Reception des Gregorianischen Kalenders; gegen den Stader Prediger Johann Faes vertheidigt er den Satz, daß Christus das Abendmahl mitgenossen habe („De communione peregrina“, 1687); in Marburg kämpft er mit allen Mitteln gegen die Cartesianer, besonders seinen Collegen Georg Otho (s. A. D. B. XXIV, 537), der sogar vom Abendmahl wegen dieses Zwistes ausgeschlossen wird, und erhält von dem Landgrafen eine Ermahnung zur Verträglichkeit (vgl. Marburger Universitätsacten A IV, 1, b. A Nr. 11 im dortigen Staatsarchiv). Zu seiner Rectorwahl 1691 wurde er in drei Poëmen beglückwünscht (s. unter Personalia Hassiaca in der Marburger Universitätsbibliothek). Derselbe Otho, dem er das Leben so sauer gemacht, hat ihn nach seinem Tode am 26. December 1708 pflichtschuldigst in einem Gedicht verherrlicht (s. Joh. Tilemann gen. Schenck, Vitae Proff. Theol. Marburg. p. 278). – Von den bei F. W. Strieder, Hess. Gel.- und Schriftstellergesch. XVI, 201 ff. aufgeführten Erbauungsschriften habe ich nur die oben erwähnten auftreiben können, außerdem zwei Leichenpredigten auf Marburger Professoren, in deren einer die Lehrer der Theologie als eine göttliche Einrichtung gefeiert werden. Vgl. über ihn noch Zedler, Universal-Lexikon Bd. 44; M. C. Curtius, Fasti Rectorum etc. p. XLII und Geschichte des Stipendiatenwesens in Marburg S. 14 f.

Aus zweiter Ehe hatte T. einen Sohn Johann, geboren in Marburg am 13. März 1691. Er wurde dort 1720 Professor der Ethik und Politik, zog sich aber 1747 auf ein Landgut zurück. Er ist der Verfasser der „Vitae Proff. Theol.“ Seine Schriften bei Strieder a. a. O. XVI, 207–209.