ADB:Tommasini, Mutius Ritter von
Jacquin angeregt, durchforschte T. die Umgebungen Wiens, welches er jedoch, nachdem infolge der veränderten politischen Verhältnisse Triest wieder zu Oesterreich gekommen, verließ, um, dem Rufe seiner Familie folgend, sich nach seiner Heimathsstadt zurückzubegeben. Auf dem Wege dahin ergriff ihn ein typhöses Fieber, dessen Folgen seinen Gesundheitszustand so schwächten, daß er das Studium der Medicin aufgeben mußte. Er wandte sich nun der Rechtswissenschaft zu und bezog die Rechtsschule zu Graz. Seine neue Thätigkeit zog ihn zunächst von der Botanik ab. Seine aus Wiens und Laibachs Umgebung stammenden Pflanzensammlungen überließ er seinem Freunde und Landsmanne Host in Wien. 1817 erhielt T. seine erste Anstellung als Conceptspraktikant bei dem Kreisamte für Istrien, wurde im folgenden Jahre zum Kreissecretär in Spalato befördert und bald darauf als Concipist an dem Gubernium zu Zara beschäftigt. Hier blieb er vier Jahre, ohne daß sich ihm zur Wiederaufnahme seiner botanischen Thätigkeit ein besonderer Anlaß geboten hätte. Erst als er 1823 als Kreiscommissar nach Spalato kam, wurde er durch die dortige prachtvolle Frühlingsflora so mächtig angezogen, daß die Liebe zur Botanik mit voller Kraft wieder in ihm erwachte. Wenn auch ernste Amtspflichten und die Schwierigkeit des Botanisirens in dem unwegsamen Lande die Ausdehnung seiner botanischen Forschungen hemmten, so unternahm er doch wiederholt größere Ausflüge, unter anderen auch die höchst mühselige Besteigung des Berges Biokovo, die einen achtzehnstündigen Hin- und Rückmarsch erforderte. 1827 als erster Kreiscommissar nach Cattaro versetzt, dehnte er von hier seine Excursionen auch auf die Gegenden längs der Grenze von Montenegro und Albanien aus. Schon nach vier Monaten wurde T. als Magistratsassessor nach Triest berufen, womit seine botanische Thätigkeit während des neunjährigen Aufenthaltes in Dalmatien abschloß. Von nun an blieb Triest sein ständiger Wohnsitz. Eine litterarische Frucht seiner botanischen Wanderungen im Kreise von Cattaro war ein Aufsatz in den Beiblättern zum 2. Bande der Zeitschrift Flora vom Jahre 1835. Obwohl durch Amtsgeschäfte vollauf in Anspruch genommen, reifte dennoch in ihm der Plan, die Flora des österreichischen Küstenlandes und der pflanzengeographisch damit zusammenhängenden Gegenden Krains wissenschaftlich zu durchforschen. Der Lösung dieser Lebensaufgabe unterzog er sich ebenso beharrlich, wie erfolgreich. 1832 nahm T. seine botanischen Studien in größerem Umfange wieder auf. Drei Jahre lang untersuchte er, meist in Begleitung des Triester Apothekers Dr. Biasoletto die Umgebung von Triest und der Küste bis Monfalcone, sowie die Höhen des Karstgebirges; dreimal, zu verschiedenen Jahreszeiten, bestieg er den pflanzenreichen Slavnik in Istrien, worüber er in einem, auch gesondert erschienenen Aufsatz in der Linnaea v. J. 1839 berichtete, unternahm ferner gemeinschaftlich mit den Brüdern Theodor und Louis Necker de Saussure aus Genf eine an Ergebnissen reiche Reise auf den Monte Maggiore, dann quer durch Istrien nach Rovigno und auf die [440] benachbarten Inseln und besuchte endlich die anmuthigen Umgebungen von Görz, die Thäler des Isonzo, den Predil und das Raibler Thal in Kärnten. Auch diese Excursionen gaben ihm den Stoff zu einigen Abhandlungen in der Linnaea v. J. 1837. Der Ausbruch der Cholera im Frühjahr 1836, die dadurch gesteigerten Amtsgeschäfte, sowie der Verlust seiner durch die Seuche dahingerafften Gattin und endlich die infolge dieser Ereignisse eingetretene Schwächung seiner Gesundheit, ließen ein Jahr lang seine Excursionen ruhen; doch schon 1837 nahm er sie wieder auf, diesmal in Begleitung des berühmten G. Bentham, und bereiste Kärnten, Krain und Friaul. Er berichtet darüber im 2. Bande der Flora 1839. Gegen Ende desselben Jahres wurde T. zum Bürgermeister seiner Vaterstadt ernannt. Seine botanische Thätigkeit beschränkte sich nunmehr auf die Erforschung der Triester Umgebung; nur 1840 besuchte er noch einmal die Görz-Friauler Alpen, im Anschluß woran er zwei Aufsätze über die Besteigung des Matajur (Flora 1840 u. 42) veröffentlichte. Desto eifriger aber nahm er darauf Bedacht, für Erreichung des Zieles, das er sich vorgesteckt, andere Kräfte zu gewinnen. In Otto Sendtner in München fand er eine dazu ausgezeichnet geeignete Persönlichkeit (s. A. D. B. XXXIV, 7). Währte auch Sendtner’s Thätigkeit nur die drei Jahre 1841–43, so muß sie doch als der Gipfelpunkt der von T. eingeleiteten Durchforschung der österreichischen Riviera bezeichnet werden und die von ihm eingesammelten Pflanzenschätze bilden mit den werthvollsten Bestandtheil von Tommasini’s Herbar. Sendtner’s Arbeit setzten später zwei jüngere Botaniker fort: Ludwig v. Heufler und Julius v. Schröckinger, welche als Beamte im Küstenlande beschäftigt waren. Trotz der sich mehrenden Amtsgeschäfte und der Stürme des Jahres 1848 setzte T. unentwegt seine Sammlungen im Lande fort, unterhielt einen lebhaften Briefwechsel und Tauschverkehr mit auswärtigen Freunden, betheiligte sich fördernd an dem Zustandekommen eines naturgeschichtlichen Museums in Triest und gab schließlich die Anregung zu einer von Sendtner zu unternehmenden Erforschungsreise Bosniens, welche allerdings infolge einer schweren Verwundung des Reisenden bei einem Ueberfalle vereitelt wurde. Im J. 1860, nach einer dreiundvierzigjährigen Dienstzeit wurde T. der ersehnte Uebertritt in den Ruhestand auf die ehrenvollste Weise zu theil. In einem Alter von 66 Jahren noch geistig und körperlich frisch, konnte er nun sorgenfrei und ungestört seiner Lieblingswissenschaft leben und sein vor 30 Jahren begonnenes Werk, die Erforschung der vaterländischen Flora, der Vollendung entgegenführen. Im Streben darnach war er unermüdlich thätig bis an sein Lebensende. Ein Greis von 71 Jahren, scheute er selbst nicht zurück vor der Besteigung des hohen Mangart, die er im Mai 1865 ausführte und bis zum Sattel des Berges unternahm, wo der tiefe Schnee ein weiteres Vordringen verbot. T. genoß einen ruhigen Lebensabend, ohne von den Schwächen des Alters allzusehr belästigt zu werden, bis ihn, 85 Jahre alt, eine Lungenentzündung hinwegraffte, die sich in wenigen Tagen aus einer Erkältung entwickelt hatte.
Tommasini: Mutius Ritter v. T., geboren am 4. Juni 1794 zu Triest, † am 31. December 1879 ebendaselbst, zuletzt Bürgermeister seiner Vaterstadt und bedeutender Florist, war als Sohn eines aus Livorno eingewanderten vermögenden Kaufmannes ursprünglich zu demselben Stande bestimmt, wählte jedoch, nachdem der Vater sein Vermögen verloren, die wissenschaftliche Laufbahn. Auf dem Gymnasium zu Laibach war es dessen Director Franz Hladnik, ein hervorragender Botaniker Krains, der in dem empfänglichen Jüngling zuerst den Sinn für Botanik weckte in dem Maaße, daß er in einem Alter von 15–16 Jahren bereits eine recht gute Einsicht in die vaterländische Flora erhielt. Inzwischen waren Triest und Laibach französisch geworden und T. begab sich 1811 zur Fortsetzung seiner Studien nach Wien, in der Absicht, hier Medicin zu studiren. Durch den Botaniker BaronDas durch Tommasini’s vieljährige Bemühungen zusammengebrachte Material war ein wahrhaft großartiges. Von den beiden Abtheilungen seines Herbars, dem küstenländischen und dem allgemeinen, enthält das erste in 330 Fascikeln gegen 2400 Arten von Gefäßpflanzen, jede Art in verschiedenen Exemplaren aus verschiedenen Standorten, das zweite in 180 Fascikeln gegen 15 000 Arten aus allen Ländern der Erde. Ebenfalls umfangreich war die botanische Bibliothek, welche im Laufe der Jahre auf 1000 Bände angewachsen war. Die beiden Herbarien gingen noch bei Lebzeiten Tommasini’s durch Schenkung an das städtische Museum in Triest über, welchem er überdies noch durch letztwillige Verfügung den botanischen und geologischen Theil seiner Bibliothek und ein [441] Legat von 10 000 Gulden bestimmte. Die gleiche Summe und die übrigen naturwissenschaftlichen Werke erhielt die Società adriatica di scienze. Zum Erben seiner Notizen und seines botanischen Schriftwechsels bestimmte er den Director des städtischen Museums Dr. C. v. Marchesetti. Mit fast allen namhaften Botanikern seiner Zeit stand T. in lebhaftem Verkehr. 34 Akademien und gelehrte Gesellschaften zählten ihn zu ihrem Ehren-, wirklichen oder correspondirenden Mitgliede. 29 Pflanzen tragen nach ihm ihre Artnamen. Nur Tommasini’s Bemühungen ist es zuzuschreiben, wenn die Flora des österreichischen Küstenlandes so genau erforscht ist, wie irgend eine der bestgekannten Oesterreichs. Allein das Resultat dieser mühevollen Forschungen ist bisher nur in Tommasini’s Herbar niedergelegt. Es ist Stoff geblieben für eine Flora, welche erst noch geschrieben werden soll. Tommasini’s litterarische Thätigkeit hat sich, in der Richtung der schon angeführten Arbeiten, auf solche Publicationen beschränkt, welche unmittelbar an seine Excursionen anknüpfen oder vergleichende systematische Beobachtungen anstellen. Es sind im ganzen 36 Aufsätze, welche theils in der Regensburger Flora, theils in der Linnaea und der Wiener botanischen Zeitung in den Jahren 1835–1876 veröffentlicht wurden.
- Neilreich, Biogr. Oesterr. Bot. Zeitg. XVI. 1866. – Carlo de Marchesetti, Discorso commemorativo di Muzio de Tommasini, Bolletino della società adriat. di scienze nat. in Trieste. Vol. V. 1880. – J. Freyn, Nachruf, Oesterr. bot. Zeitschr. XXX. 1880.