ADB:Velser, Michel
Erscheinungsbild
Anton Sorg) von 1481 und seiner Sippe liegt sie zu Grunde. Dann aber wird sie durch die sowohl in Treue und Verständniß wie sprachlich durchaus tieferstehende Uebertragung des Metzer Domherrn Otto v. Diemringen ausgestochen; es entsprach nur dem Wandel der Mode, daß der schlichte Baier durch den Alemannen zurückgedrängt wurde.
Velser: Michel V. oder der V., der erste deutsche Uebersetzer von Mandeville’s wundersamer Beschreibung seiner merkwürdigen Orientreise, hat sein Werk jedenfalls vor 1409 vollendet, da es schon in einer von diesem Jahre datirten Münchener Handschrift (Cgm. 332) sich findet. Ueber seine Heimath ist nichts bekannt; die beiden von mir eingesehenen Handschriften (Cgm. und Gött. cod. hist. 823) zeigen aber ausgesprochen bairischen Lautstand, und auch der ärmliche und wenig charakteristische Wortschatz deutet auf Baiern (z. B. das Adj. tenk = link). Dem gegenüber fällt es wenig ins Gewicht, daß V. nach eigner Angabe das ’erste puech das ist von diser materj‘ Herrn Hans v. Hornstein geschenkt hat, auch wenn der Beschenkte dem bekannten schwäbischen Geschlecht angehört haben sollte. Denn V. ist viel herumgekommen: in ’Pehemund‘ (Beaumont?) auf der Burg Ludwig Berton’s hat er französisch gelernt; in Pavia hat er einen von dem Vogel Frakolos geborenen Hund gesehen, den der junge Herzog von Lancaster über Meer gebracht, und auch mit Genuesen ist er irgendwo in Berührung gekommen. Gerade den Vielgereisten mußte Mandeville’s curiöse Reisebeschreibung besonders anziehen. Er benutzte einen französischen Text, dessen Anordnung offenbar ganz genau stimmte zu der von Halliwell publicirten englischen Handschrift; die unverkennbare Verwandtschaft ihrer Bilder mit den Holzschnitten, die den Druck der Velserschen Uebertragung schmückten, erlaubt vielleicht den Schluß, daß Velser’s Vorlage illustrirt war, und er die Illustration beibehielt. V. übersetzt recht getreu; nur ganz geringfügige Kürzungen gestattet er sich, anfangs sehr schüchtern und selten, später etwas reichlicher, aber so daß, abgesehen von den fremdartigen Alphabeten, die Mandeville mittheilt, kaum eine thatsächliche Angabe unterdrückt wird. Er schreibt ein recht lesbares und schlichtes, aber freilich eintöniges und wortarmes Deutsch: kurze Sätze, die mit ’und‘ an einander gereiht werden; immer wieder dieselben Phrasen; namentlich die ständige, freilich durch das Original begünstigte Lieblingsformel ‘Ihr sollt wissen‘ wird zu Tode gehetzt. V. arbeitet nicht mechanisch, sondern mit Aufmerksamkeit und innerem Antheil. Er hält Glossen nicht zurück; doch nennt er dabei meist ausdrücklich seinen Namen. Diese Glossen erklären zum Theil schwierige, zweideutige, fremdsprachliche Ausdrücke, wie Port (= Hafen), Leg (= wälsche Meile), Stadium oder gestehen zu, daß der Uebersetzer sie nicht zu verdeutschen wisse; einmal tragen sie eine Conjectur vor zur Besserung eines der meist arg verderbten Namen; besonders stützen sie Mandeville’s Glaubwürdigkeit durch zuverlässige Zeugnisse und eigene Erfahrungen. Velser’s saubere, durch Uebersetzungsfehler nur verschwindend selten entstellte Leistung fand Beachtung und Verbreitung: in München allein liegen 5 Handschriften; noch dem Augsburger Druck (- Jenaische Litteraturzeitung, Mai 1810, Sp. 266.