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ADB:Vogel von Glarus, Jakob

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Artikel „Vogel, Jakob (von Glarus)“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 749–750, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vogel_von_Glarus,_Jakob&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 15:05 Uhr UTC)
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Vogel: Jakob V. (von Glarus), Schweizer Dichter, wurde am 11. December 1816 zu Glarus in der Schweiz geboren und erhielt die Elemente seiner Schulbildung in der dortigen Gemeindeschule. Sein Jugendtraum, sich zum Schullehrer auszubilden, wurde bald zerstört, da der Vater den Knaben schon in seinem achten Jahre aus der Schule nahm und in die Fabrik schickte. Die gemüthreiche Mutter tröstete mit der Zukunft, und so las der Knabe in den Freistunden den „Bachofen“ (eine damals äußerst populäre Liedersammlung), den „Göttinger Musenalmanach“ (Jahrgang 1737) und die Bibel – die einzigen Bücher, welche ihm damals zur Verfügung standen. Zwei Winter hindurch besuchte er die Abendschule. Zum Kattundrucker befördert, kaufte er aus dem an Zahltagen von seinem Vater erhaltenen Taschengelde nach und [750] nach Bücher an, so daß er schon im 20. Lebensjahr eine Bibliothek von 600 Bänden besaß, darunter die Heroen der deutschen Litteratur. Einundzwanzig Jahre alt, durchreiste er zu Fuß die deutsche Schweiz und das südliche Frankreich, und auf dieser Reise fand das poetische Talent Vogel’s in dem ersten Liede seinen Ausdruck. Im J. 1839 in die Schweiz zurückgekehrt, lernte V. in St. Gallen den bekannten Historiker Dr. Otto Henne kennen und empfing von demselben manche willkommene Anregung. Nach manchen wechselvollen Schicksalen im Fabrikleben machte er sich 1843 selbständig, begründete in Glarus eine Buchdruckerei und verband später damit eine Verlagsbuchhandlung; aber noch lange blieb sein Loos ein schwer zu tragendes, bis endlich seine eiserne Energie es erreichte, daß seine gefährdete Existenz unerschütterlich fest stand. Der schwerste Verlust traf ihn, als er nach achtjähriger Ehe die treue Gattin und Mitkämpferin verlor; aber gerade in dieser Zeit des Schmerzes wurde der in seiner Brust schlummernde Funke der Poesie zu einem lebendigen Feuer angefacht. Erst nach Jahrzehnten, nachdem seine Kinder das Vaterhaus verlassen und er sein Geschäft anderen Händen übergeben hatte, fand er in seiner Einsamkeit eine neue Lebensgefährtin, die ihn bis zu seinem Tode, 22. April 1899, getreulich gepflegt hat.

V. war ein gründlicher Kenner der poetischen Litteratur der Schweiz und allen hervorragenden Dichtern in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eng befreundet; seiner Begeisterung für die Litteratur seines Heimathlandes entstammt auch die Anregung zu dem von ihm verlegten umfassenden Werke: „Die poetische Nationallitteratur der deutschen Schweiz von Haller bis auf die Gegenwart“ (Bd. 1–3 bearbeitet von Robert Weber 1866–67; Bd. 4 bearbeitet von J. J. Honegger 1870). Noch bekannter ist V. durch seine herzlich gemeinte und aufopfernde Gastfreundschaft und durch die neidlose und thatkräftige Theilnahme geworden, die er fremdem Verdienst und aufstrebenden Talenten gewährte, so daß er mit Recht der Schweizer „Vater Gleim“ genannt werden konnte. „Als Dichter ist V. ausschließlich Lyriker; sein Vorbild ist Heinrich Heine, mit dem er auch bis auf einen gewissen Grad das Stimmungsvolle, den subjectiven Ton und die echt lyrische Kürze und Einfachheit gemein hat, ohne jedoch in seine Verirrungen zu fallen. Einen besonderen Vorzug erhalten seine Lieder noch dadurch, daß V. auf den poetischen Ausdruck die größte Sorgfalt verwendet, was um so mehr Anerkennung verdient, als er zum größten Theil Autodidakt ist und seinen Geschmack beharrlich an großen Vorbildern geläutert hat.“ V. gab heraus „Erinnerungen an Emil“ (Gedichte, 1860); „Gedichte“ (1861); „Lyrische Gedichte“ (1868); „Neue Gedichte“ (1868); „Gedichte“ (7. Aufl.; eingeleitet von J. J. Honegger, 1877; 14. Aufl. 1890); „Schönheiten und Schrecknisse der schweizerischen Alpenwelt“ (Ged. zum Besten der verunglückten Bewohner von Bilten, mit J. J. Bandlin herausgegeben 1868, 3. Aufl. 1870); „Taranteln“ (Epigr., 1868); „Erinnerungen an das Klönthal“ (1870; 7. Aufl. 1888); „Raketen“ (Epigr., 1871); „Wilde Kastanien“ (Epigr., 1871); „Birkenzweige“ (Epigr., 1871); „Der Glärnisch im Lichte der Dichtung“ (1873); „Bilder aus den Alpen“ (Gedichte, 1874); „Aus der Jugendzeit“ (Gedichte, 1875); „Dornen“ (Epigr., 1875); „Stille Lieder“ (1875); „Wespen“ (Epigr., 1880); „Vor einem Denkmale“ (Gedichte, 1884); „Wilde Rosen“ (Satiren und Epigr., 1888) und „Meine Heimath. Naturbilder“ (1893).

Persönliche Mittheilungen. – Die poetische Nationallitteratur d. deutschen Schweiz (s. o.), Bd. 2, S. 270. – Ueber Land und Meer, 47. Bd., Jg. 1881–82, S. 316. – Schweizerisches Sonntagsblatt 1891, Nr. 45.