ADB:Weidmann, Franz
Fürstabt Pankratius (s. A. D. B. XL, 314) 1799 infolge des Sieges des Coalitionsheeres nochmals nach St. Gallen zurückkehrte, so war nach der zweiten Schlacht bei Zürich seines Bleibens nicht mehr, und das Schicksal des ehrwürdigen Stiftes, dessen wichtigste Schätze – Bibliothek und Archiv – allerdings vor den gierigen Griffen der helvetischen Machthaber und der hinter diesen stehenden räuberischen Franzosen noch rechtzeitig auf österreichischen Boden, ganz besonders durch P. Ildefons von Arx (s. A. D. B. I, 615), geborgen worden waren, zeigte sich endgültig entschieden, mochte es auch noch bis 1805 dauern, ehe die Säcularisation förmlich ausgesprochen wurde. W. war, gleich einigen wenigen anderen jüngeren Conventualen, den Neuerungen eher zugeneigt, deswegen auch nicht von St. Gallen weggegangen; immerhin sah er auch mit Betrübniß, mit welcher abscheulichen Rohheit der 1798 durch die neue helvetische Regierung für St. Gallen als Commissär bestellte Küfermeister Erlacher von Basel, ein fanatischer Zelot, mit den erreichbaren Gegenständen bilderstürmerisch umging, und nur Weidmann’s und des Mitbruders P. Dominik Schmid Fürsprache rettete die schönen Sculpturen von 1570 am Klosterthore – dem Karlsthore – vor Zerstörung durch den vandalischen Patrioten. W. war bis 1801 Pfarrverweser an der zur katholischen Pfarrkirche gewordenen Stiftskirche, wurde dann aber in die Pfarrei Berg bei Rorschach als Geistlicher versetzt. Hier blieb er bis 1813. Als nach dem Umsturz der Mediationsverfassung 1814 die Möglichkeit einer Wiederherstellung der klösterlichen Corporation aufzuleuchten schien, hatte sich W. mit noch einem anderen Conventualen nicht für diese Wiedervereinigung erklärt. Von 1813 an lag dann Weidmann’s ganze Thätigkeit auf dem Felde wissenschaftlicher Arbeit. Als Adjunct des vortrefflichen Bibliothekars der Stiftsbibliothek, des P. Johann Nepomuk Hauntinger (geboren 1756), und daneben als Professor am katholischen Gymnasium wirkte W., und er setzte nach Hauntinger’s am 18. December 1823 eintretenden Tode ebenso seine Functionen unter dem neuen Bibliothekar I. von Arx fort; er hatte dieselben um so mehr zu übernehmen, als dieser sein Vorgesetzter in seiner letzten Lebenszeit durch Schlaganfälle arbeitsunfähig wurde. Am 12. October 1833, in den letzten Tagen des I. von Arx, wurde W. als dessen Nachfolger ernannt, mußte aber 1834 bis 1836 dem durch die Tagespolitik emporgehobenen Weltgeistlichen Aloys Fuchs (s. A. D. B. VIII, 161) weichen, der freilich für diese ihm als Ersatz gebotene Stelle gar nicht ausreichte. [458] So kehrte W. am 14. September 1836 in dieselbe zurück. Eifrig gab sich jetzt der fleißige Mann den Katalogisirungsarbeiten hin; daß er aber auch zu Größerem tauglich schien, hatte der Freiherr vom Stein ausgesprochen, als er einmal von Rom aus auf W. als auf eine Persönlichkeit hinwies, die wohl für die Monumenta Germaniae auf der Vaticana arbeiten könnte. Auf die „tausendjährige Jubelfeier“ hatte W. eine „St. Gallens unsterblichen Gelehrten des Mittelalters, wie auch den spätern Fürstäbten und Bibliothekaren“ gewidmete „Geschichte der Bibliothek von St. Gallen seit ihrer Gründung um das Jahr 830 bis auf 1841“ (St. Gallen, 1846) ausgearbeitet, deren Erscheinen er freilich nicht mehr erlebte. Das Buch ist recht unübersichtlich angelegt, aber höchst inhaltreich und instructiv, ein schönes Zeichen verständnißvoller Pietät. Der Anhang enthält wichtige Beilagen, besonders das Bücherverzeichniß der Bibliothek aus dem 9. Jahrhundert und dasjenige von 1461, ebenso eine Uebersicht der 1712 nach Zürich abgeführten Kriegsbeute, nebst Actenstücken über die damaligen Vorgänge. Als der katholische Administrationsrath es W. möglich gemacht hatte, eine Reise nach Italien zu unternehmen, schrieb er sein allerlei hübsche und richtige Urtheile über Italien, besonders Kirchenstaat und Rom, enthaltendes Buch: „Ansichten auf der neuesten Reise nach Rom“ (St. Gallen, 1821). Aber auch sonst sprach sich der im Privatleben schüchterne Mann als Schriftsteller freier aus und verhehlte nicht seine von der hartnäckig zelotischen Art des letzten Fürstabts abweichende Gesinnung. In dieser Hinsicht ist vorzüglich sein 1834 (St. Gallen) erschienenes Werk interessant: „Geschichte des ehemaligen Stiftes und der Landschaft St. Gallen unter den zween letzten Fürstäbten von St. Gallen, besonders während der Jahre der helvetischen Revolution bis zur Aufhebung des Stiftes“, eine im Anhang mit zahlreichen Actenstücken, Briefauszügen, Excursen vermehrte Geschichte der Jahre 1767 bis 1805, unter Beifügung eines Abschnitts XI über Abt Pankraz bis zu dessen Tode 1829. W. verbirgt keineswegs seine Sympathie für den milden, gütigen, aber freilich für die schwieriger werdenden Verhältnisse des geistlichen Staatswesens nicht genügend ausreichenden Fürstabt Beda, an dessen Stelle 1796 das Haupt der bisherigen Opposition unter den Mönchen, der eisenharte Pankraz, trat. Wenn auch W. ganz offen sich zu der schon erwähnten Ansicht bekannte, die er in § 100 – am Schlusse seiner Darstellung, betitelt „Gedanken über die Wiederherstellung des Stiftes St. Gallen“ – ausspricht, so suchte er doch möglichst objectiv die Dinge darzustellen; immerhin wird es deutlich, daß er das Aufhören der alten klösterlichen Vereinigung als eine geschichtliche Nothwendigkeit auffaßte. W. starb, einer der letzten noch lebenden Patres, der letzte der Gelehrten des Klosters, fast genau zehn Jahre nach I. von Arx.
Weidmann: P. Franz W., Conventual des Stiftes St. Gallen, Stiftsbibliothekar, geboren am 21. December 1774, † am 15. October 1843 in St. Gallen. Geboren im Flecken Einsideln, empfing W. zuerst in der dortigen Klosterschule, hernach im Benedictinerstift St. Gallen seine Vorbildung und trat selbst in diesem Kloster in den Orden ein. 1798 empfing er die Priesterweihe. Aber dieses Jahr war nun auch der Anfang der Auflösung des klösterlichen Bestandes, und wenn auch der- Vgl. Neuer Nekrolog der Deutschen, XXI. Jahrgang, 1843, Theil II, S. 888–890.