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ADB:Weidmann, Johann Peter

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Artikel „Weidmann, Johann Peter“ von Franz von Winckel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 458–459, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weidmann,_Johann_Peter&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 10:50 Uhr UTC)
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Weidmann: Joh. Peter W., 1751–1819. Am Ende des vorigen Jahrhunderts beschäftigten sich viele Geburtshelfer genau mit denselben Fragen, die auch heute wieder die Gelehrten dieses Faches bewegen – mit der Frage nach den Indicationen des Kaiserschnittes und der Symphyseotomie, mit der Erörterung über die beste Behandlung der Nachgeburtsperiode, mit der Entscheidung darüber, ob der Wendung sofort die Extraction des Kindes folgen müsse u. s. w. Zu den Lehrern der Geburtshülfe, die in diesen Thesen besonders arbeiteten und eine Reihe trefflicher Aufsätze geschrieben haben, gehört mit in erster Reihe Joh. Peter W. Er hat das große Verdienst, zu einer Zeit, wo der operative Furor in der Geburtshülfe unter Dr. B. Osiander in Göttingen seine höchste Blüthe erreichte, seine Schüler auf die Nothwendigkeit des genauen Studiums der natürlichen Vorgänge der Schwangerschaft, der Geburt und des [459] Wochenbettes immer wieder mit Nachdruck hingewiesen zu haben. Er hatte in Würzburg studirt und unter dem Präsidium von Karl Kaspar v. Siebold seine Inauguraldissertation: „Comparatio inter sectionem Caesaream et dissectionem cartilaginis et ligamentorum pubis, in partu ob pelvis angustiam impossibili suscipiendas“ 1779 vertheidigt. In diesem Schriftchen, in welchem er einen von K. K. v. Siebold am 4. Februar 1778 mit Glück ausgeführten Fall von Durchsägung der Symphyse und einen Kaiserschnitt beschrieb, war er auch schon zu dem Vorschlag gekommen, bei verengtem Becken im siebenten Monat den Muttermund nach und nach auszudehnen und die Frucht hervorzuziehen – er war also der Idee der Einleitung der künstlichen Frühgeburt schon sehr nahe. Diese war seit 1756 in England schon ausgeführt worden, aber in Deutschland nicht in Aufnahme gekommen. Bezüglich der Behandlung der natürlichen Geburten, zu denen W. auch die Beckenendlagen rechnete, lehrte er, daß die Expulsion der Placenta wie jene des Kindes als das Werk der Natur zu betrachten sei und daß die allzuschleunige Herausschaffung der Nachgeburt nicht in den Absichten der Natur liege – ein Satz, von dem man nur wünschen könnte, daß ihn wenigstens heutzutage, nicht etwa die praktischen Aerzte – nein zuerst und endlich einmal alle Lehrer der Geburtshülfe als durchaus richtig anerkennen und befolgen möchten! W. war bald nach Beendigung seiner Studien als Professor der Chirurgie und Geburtshülfe in Mainz angestellt und zugleich Director der dortigen Universitäts-Entbindungsanstalt geworden. Auch nach Aufhebung der Universität (1798) blieb er als Director jener Anstalt ferner in Mainz, aber erst 1808 nachdem er 20 Jahre hindurch daselbst Vorlesungen gehalten, publicirte er seinen „Entwurf der Geburtshülfe“. Inzwischen war seine Schrift: „In quaestionem ab illustr. medica Tolosana praemio expositam: utrum forcipis usus in arte obstetricia utilis sit an noxius“, Magont. 1806, von der Akademie zu Toulouse mit dem Preise gekrönt worden. In ihr hatte er die Indicationen zu dieser Operation, ihre Ausführung genau beschrieben und namentlich auch den Irrthum widerlegt, daß sie mittelst des Druckes durch Verkleinerung des kindlichen Kopfes wirke. Er hatte ferner energisch vor dem Mißbrauch dieses Instrumentes gewarnt. – Nach der Wendung führte er die Extraction des Kindes nicht immer sofort aus, sondern wenn möglich, überließ er nachher mit Recht die Expulsion des Kindes den Naturkräften. – Ein lebendes Kind perforirte W. nur dann, wenn die Mutter den Kaiserschnitt verweigerte, oder wenn nur zweifelhafte Zeichen des kindlichen Lebens zu ermitteln waren. W. trat zwar für die Ausübung der Geburtshülfe nur durch Männer auf, verlangte indeß andrerseits, daß die angehenden Geburtshelferinnen nicht durch mangelhafte Hebammenbücher und Katechismen, sondern auch theoretisch ebenso eingehend wie die Aerzte unterrichtet werden sollten. – Außer seinen nicht zahlreichen geburtshülflichen Schriften hat er zwei kleinere Aufsätze über Knochennekrose und kurz vor seinem Tode noch einen Fall von Verwachsung des Uterus mit dem Netz, in welchem plötzlich der Tod der gravida eintrat, publicirt (Mainz 1818). Er starb am 23. Juni 1819 in Mainz.

E. K. J. v. Siebold, Versuch einer Geschichte d. Geburtsh. II, 659–663. – Hirsch, Hervorragende Aerzte VI. – J. S. Billings, Index Catalogue XVI (1895), 351.