Zum Inhalt springen

ADB:Werdmüller

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Werdmüller“ von Heinrich Zeller-Werdmüller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 771–774, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Werdm%C3%BCller&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 20:58 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 41 (1896), S. 771–774 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
OFF in der Wikipedia
Werdmüller in Wikidata
GND-Nummer 123050138
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|41|771|774|Werdmüller|Heinrich Zeller-Werdmüller|ADB:Werdmüller}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=123050138}}    

Werdmüller: Der nachweisbare Stammvater dieses angesehenen Zürcher Rathsgeschlechts war Otto Werdmüller, welcher im J. 1429 der Klosterfrauen von Oetenbach Mühle an der Sihl, später die Werdmühle genannt, zu Lehen erhielt. Er soll sich 1444 bei dem Sturm der Eidgenossen auf Zürich, wobei seine Mühle in Flammen aufging, besonders ausgezeichnet haben.

Seine Enkel Heinrich und Jakob W. gehörten zu den Männern, welche das von Zwingli begonnene Werk der zürcherischen Reformation kräftig fördern halfen.

Heinrich W., vor 1480 geboren, gelangte 1515 in den Rath der Zweihundert von Zürich. Wohl gebildet, trat er von Beginn der Reformation an als Freund Zwingli’s auf und war unter den Verfassern des „Gyrenrupfens“, einer gegen den Constanzer Generalvicar Faber gerichteten Spottschrift. Als Verordneter des Rathes wirkte er kräftig mit zur Durchführung der reformatorischen Beschlüsse und Reorganisationen und gelangte 1531 in den kleinen Rath. Er starb 1548.

Jakob W., sein Bruder, geboren 1480/81, ward 1517 Mitglied des Raths der Zweihundert, 1521 Zunftmeister. Im gleichen Jahre war er zweiter Hauptmann im sog. Papstzug nach Italien, 1524 neben Rudolf Lavater Gesandter an Papst Clemens VII. Im gleichen Jahre zum Standessekelmeister gewählt, leitete er die Aufhebung der zürcherischen Klöster und Einziehung der Kirchenschätze; auch betheiligte er sich als vertrauter Freund Zwingli’s an der Untersuchung gegen die Uebertreter der Pensionengesetze. In Krieg- und Friedensgeschäften viel verwendet, verwaltete er 1530–32 die wichtige Landvogtei Locarno. Er starb als Standessekelmeister am 8. März 1559.

David W. und Heinrich W., Enkel Heinrich’s, zeichneten sich in anderer Richtung aus. Sie benutzten die Kenntnisse der ihres Glaubens wegen aus Locarno vertriebenen und in Zürich aufgenommenen italienischen Gewerbetreibenden, um mit ihrer Hülfe, namentlich Giacomo Duno’s, im J. 1587 Fabriken zur Herstellung von Woll- und Seidenstoffen zu errichten; sie sind die Begründer der heute noch in hoher Blüthe stehenden Zürcher Seidenindustrie. Sie errichteten den Seidenhof und den Wollenhof in Zürich; das Herrenhaus im Seidenhof, 1592 erbaut, war im Innern ein Schatzkästlein deutscher Renaissance (ein prachtvolles Zimmer aus demselben ist gegenwärtig eine Zierde des schweizerischen Landesmuseums in Zürich). Rathsherr David W. starb im J. 1612, sein Bruder Heinrich 1627.

Johann Rudolf W., Enkel des Rathsherrn David, Sohn Johann Rudolf’s im Seidenhof, wurde am 4. Februar 1614 geboren. Er verlor den Vater schon im dritten Jahre. Mit seinem um zwei Jahre jüngeren Bruder Hs. Georg wurde er von dem Stiefvater Hs. Caspar Schmid als vornehmer Cavalier erzogen. Von 1627 bis 1630 hielten sich die Brüder in Genf auf, begaben sich dann nach Lyon, wo sie namentlich Befestigungswissenschaften studirten, und durchreisten bis zum Frühjahr 1633 den größten Theil Frankreichs. Als Freiwilliger nahm Rudolf am 1. September 1632 unter Schomberg an der Schlacht von Castelnaudary Antheil. – Im Frühjahr 1633 mit Anna [772] Reinhard vermählt, übernahm er das väterliche Geschäft, trat aber schon im September 1633 in schwedische Dienste. Als Freiwilliger begleitete er Horn während der Belagerungen von Constanz und Ueberlingen und in der Schlacht von Nördlingen am 6. September 1634. – In den Jahren 1635 bis 1637 diente er unter seinem Stiefvater Schmid in der Armee des Herzogs von Rohan im Veltlin und begleitete im J. 1638 als Oberstlieutenant den Herzog ins Lager Bernhard’s von Weimar vor Rheinfelden. Nach Rohan’s Tode wandte sich Werdmüller vorerst wieder dem Geschäfte zu, verließ aber im April 1642 plötzlich seine Familie, um den aus der Gefangenschaft befreiten Feldmarschall Horn nach Schweden zu begleiten. Als Oberstlieutenant und Generaladjutant der Artillerie unter Torstenson war er Anfangs 1643 bei der Belagerung Freibergs thätig und wurde zum Obersten befördert. Als solcher betheiligte er sich an der Belagerung von Eulenburg in Mähren, 1644 an der Eroberung von Christianprieß und der Insel Fehmarn in Holstein, und führte das Commando an genannten Orten und zu Kiel. Im J. 1645 befehligte er eine Brigade unter Königsmark zu Verden, Buxtehude und Bremervörde. Im Januar 1646 ward er Stadtcommandant zu Nordhausen. Bald nachher nach Hause zurückgerufen und vorübergehend im Dienste der Vaterstadt, nahm er doch noch 1647 an der Belagerung von Lindau theil, trat dann aber auf bestimmten Befehl des Zürcher Rathes aus dem schwedischen Dienste aus. In den Jahren 1648 bis 1651 befehligte er in Dalmatien ein von Zürich und Bern der befreundeten Republik Venedig bewilligtes Regiment Fußvolk.

Die Jahre 1651 bis 1657 verbrachte Oberst Rudolf W. in Zürich. Er erbaute das Landhaus auf der Halbinsel Au am Zürichsee und gelangte 1655 in den Kleinen Rath. – Im J. 1653 führte er als Generalmajor die Vorhut der unter dem Commando von J. Konrad Werdmüller zur Unterdrückung des großen Bauernaufstands ins Feld gerückten Armee; im Religionskriege von 1656 mißlang sein Angriff gegen das von spanischen Söldnern vertheidigte Rapperswil infolge der Zuchtlosigkeit seiner ungeübten Milizen.

Ein Haupt der französisch-schwedischen Partei, wurde er wegen dieses Mißerfolgs und seiner religiös freiern Ansichten von der kaiserlich-spanischen Partei mit einem Processe bedroht, in seiner Rathswürde eingestellt und 1659 zu Buße und Widerruf seiner heterodoxen Ansichten verurtheilt. Das verleidete ihm die Heimath. Schon 1655 als Haupt der französischen Partei von Ludwig XIV. zum Generallieutenant und Ritter des Michaelsordens ernannt, focht er 1658 unter Turenne in Flandern, verfeindete sich aber durch sein herrisches Benehmen mit diesem Feldherrn; 1659 trat er ganz in französische Dienste, wurde aber, als zu Hause nunmehr einflußlos, als Commandant des Château d’If bei Marseille auf die Seite geschoben. Infolge dessen trat W. im April 1663 als Generallieutenant der Artillerie wieder in den Dienst Venedigs. Als Commandant der Landtruppen auf der von den Türken bedrängten Insel Candia schiffte sich der General am 22. Mai 1664 auf der Flotte des Admirals Cornaro nach der Levante ein. Im December 1665 ward er dem Commando des Marchese Villa unterstellt. – In vorzüglicher Weise leitete er während der Jahre 1666 und namentlich 1667 die Vertheidigung der Festung Candia, kehrte dann aber wegen Zwistigkeiten mit Villa im Februar 1668 nach Venedig zurück. Im J. 1669 leitete er die Herstellung der Festung Cattaro.

Um sich an Frankreich, namentlich seinem Feinde Turenne, zu rächen, suchte W. nunmehr eine Anstellung in kaiserlichem Dienste. Er trat deshalb insgeheim zum Katholicismus über, und stand seit April 1670 mit Montecuculi in Verbindung. Im Februar 1673 wurde er zum Feldmarschall-Lieutenant ernannt; im August 1673 rückte er unter Montecuculi an den Rhein. Von Montecuculi [773] bevorzugt, von Bournonville gehaßt, zeichnete er sich im November 1673 bei der Belagerung von Bonn aus und erzwang bald nachher die Uebergabe von Lechenich. Am 4. October 1674 entschied er unter Markgraf Hermann von Baden das Treffen von Enzheim im Elsaß zu Gunsten der Kaiserlichen. In der unglücklichen Schlacht von Türkheim am 5. Januar 1675 focht W. unter den Augen des ihm sehr gewogenen Großen Kurfürsten. – In der Kanonade bei Sasbach am 27. Juli 1675, bei welcher W. das Geschütz befehligte, ward ihm die Genugthuung zu theil, daß sein alter Gegner Turenne, welcher ihn übrigens militärisch hoch stellte, durch eine Kanonenkugel getödtet wurde. Am 1. August lieferte er in Verbindung mit Starhemberg das Gefecht von Goldscheuer. – Unbestrittenes Verdienst und die Anerkennung des Reichsmarschalls Markgraf Friedrich von Baden-Durlach erwarb sich W. im J. 1676 durch die Belagerung und Einnahme der Festung Philippsburg bei Mannheim. – Seine letztere größere Waffenthat war die Einnahme von Saarbrücken im Frühjahr 1677. Er starb zu Villingen als Befehlshaber des Schwarzwaldes am 16. December 1677. – Hochgebildet, ein ausgezeichneter Officier, hat er sich Zeit seines Lebens durch sein barsches rücksichtsloses Auftreten selbst am meisten geschadet. Werdmüller’s Gestalt ist der Gegenwart durch K. Ferdinand Meyer’s frei dichterisch schaltende Erzählung: „Der Schuß von der Kanzel“ vor die Augen gerückt worden. – Sein Bruder Joh. Georg W., geboren 1616, † 1678, zürcherischer Feldzeugmeister, leitete von 1642–1677 den Bau der Befestigung von Zürich, 1660–1663 in pfälzischen Diensten die Befestigung von Heidelberg.

Hans Konrad W., geboren 1606, † 1674, gehörte demjenigen Zweige des Geschlechtes an, welcher auf der alten Werdmühle seßhaft geblieben war. Als junger Mann diente er 1629 als Lieutenant im holländischen Kürassierregimente des Markgrafen Christoph von Baden bei der Belagerung von Herzogenbusch. Später widmete er seine Dienste ausschließlich der Heimath, reorganisirte die zürcherische Reiterei und unterdrückte im J. 1653 als Obergeneral an der Spitze eines schweizerischen Heeres den gefährlichen Bauernaufstand im Gebiete von Bern, Luzern und dem Aargau. – Seit 1648 Standessekelmeister zu Zürich, wurde er schon 1650 als Gesandter nach Paris abgeordnet; ebenso stand er 1663 mit Bürgermeister Waser und seinem Vetter Thomas W. an der Spitze der schweizerischen Gesandtschaft zum Bundesschwur mit Ludwig XIV.

Hans Felix W., geboren 1658, diente von 1676 bis 1679 als Lieutenant bei dem deutschen Cavallerieregiment Lochmann in französischen Diensten, von da an in einem schweizerisch-französischen Garderegiment, bis Zürich seinen Angehörigen 1688 den Dienst unter Ludwig XIV. verbot. Im J. 1693 bewilligte Zürich dem glaubensverwandten Holland ein Defensivbataillon, in welches W. als Major eintrat. Bald erhielt er als Oberstlieutenant das Commando eines zweiten Bataillons, später im Regiment Albemarle, welches er 1701 als Oberst zu einem rein schweizerischen umgestaltete. An der Spitze dieses Regiments nahm er an den Belagerungen von Bonn und Trarbach, sowie an der Schlacht von Höchstädt theil. In der Schlacht von Ramillies am 23. Mai 1706 nahm er auf Befehl Marlborough’s mit 4 Bataillonen das Dorf Taviers auf dem rechten französischen Flügel und entschied dadurch den Sieg der Verbündeten. Er wurde dafür zum Brigadier befördert. Die Schlacht von Oudenarde (11. Juli 1708), in welcher er mit der Vorhut das Gefecht eröffnete, und die Belagerung von Lille im gleichen Jahr brachten ihm die Ernennung zum Generalmajor. Er erhielt als solcher das Commando der Festung Tournay, später dasjenige zu Mastricht. Die von ihm erkaufte Herrschaft Elgg vermachte er als Fideicommiß der Gesammtfamilie W. Er starb als Commandant von Mastricht und Inhaber des Regiments Albemarle am 29. November 1725.

[774] Reiche Belege zur Familiengeschichte befinden sich im Schloßarchive zu Elgg (vgl. R. Hauser, Geschichte der Stadt, Herrschaft und Gemeinde Elgg, 1895), sowie im Staatsarchive zu Zürich, die Papiere des Generals Hans Rudolf Werdmüller auf der Zürcher Stadtbibliothek. – Monographieen über Johann Rudolf und über Johann Felix W. bot W. Meyer-Ott in den Neujahrsblättern der Zürcher Feuerwerkgesellschaft für 1874 und 1876.