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ADB:Werdum, Ulrich von

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Artikel „Werdum, Ulrich von“ von Paul Wagner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 486–487, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Werdum,_Ulrich_von&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 08:11 Uhr UTC)
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Werdum *): Ulrich von W., Häuptling zu Werdum, hat sich als Theilnehmer an einigen diplomatischen Sendungen, sowie als Schriftsteller einen Namen gemacht. Er ist am 1. Januar 1632 in Werdum bei Esens in Ostfriesland geboren, erhielt seinen frühesten Unterricht auf der väterlichen Burg, wurde aber 1645 in die Schule des benachbarten oldenburgischen Städtchens Jever gesandt und besuchte von 1648 bis 1652 die Universität in Franeker, dann 1654 die von Heidelberg. Auf beiden Hochschulen legte er den Grund zu umfassenden Kenntnissen, namentlich auch auf dem Gebiete der classischen Litteratur. Nach seiner Rückkehr 1655 lebte er in Werdum 15 Jahre lang, beschäftigt mit politischen und historischen Studien. Namentlich war es die Geschichte seiner engeren Heimath, Ostfriesland und Harlingerland, sowie die seiner Familie, welche ihn zu schriftstellerischen Versuchen reizten. Seine Schriften sind bis jetzt sämmtlich ungedruckt geblieben; genannt sei davon nur die „Series familiae Werdumanae“, eine Geschichte der Familie von Werdum. Sie ist in vielen Abschriften verbreitet, reicht bis zum Jahre 1667 und enthält namentlich für das 17. Jahrhundert interessante auf Acten gestützte Nachrichten nicht bloß über die Familie von Werdum, sondern auch über Ostfriesland und das Harlingerland, Nachrichten, die um so schätzbarer sind, je weniger chronikalisches Material gerade für jene Zeiten vorhanden ist. Nach dem Tode seiner Eltern in den Mitbesitz der väterlichen Güter gelangt, begab sich Ulrich v. W. auf Reisen in der Absicht, zunächst die Länder des Ostens kennen zu lernen. Auf dem Schiffe zwischen Travemünde und Danzig lernte er einen französischen Agenten, Jean de Courthonne, Abt von Paulmiers, kennen, der im Auftrage seiner Regierung nach Polen reiste, um dort den Sturz des Königs Michael und die Wahl eines französischen Prinzen, des Herzogs von Longueville, zum polnischen Könige zu betreiben. Der Agent, der sich, um unerkannt zu bleiben, zunächst für einen Herrn v. Beauval ausgab, bot Ulrich eine Anstellung angeblich bei einem Vetter für eine Reise nach Polen an. Ulrich willigte ein, erfuhr aber erst später, daß der Vetter eine erdichtete Person sei, und der Abbé selbst ihn als Gefährten auf seiner im Geheimen erfolgenden Reise geworben hatte. Er hat dann diesen während zweier Jahre begleitet. Da beide sich vor dem polnischen Hofe zu scheuen hatten, waren sie gezwungen, oft abenteuerliche Verkleidungen und Namen anzunehmen, sowie ihren Aufenthaltsort von Zeit zu Zeit zu wechseln. So lernte Ulrich v. W. ganz Polen und das benachbarte Preußen kennen, sah die einflußreichsten polnischen Großen, wie z. B. den Großfeldherrn Sobieski, in dessen Heere er 1671 den Feldzug gegen Tataren und Kosacken in der Ukraine mitmachte. Der Tod des französischen Candidaten für den polnischen Thron bereitete der Sendung des Abbé de Paulmiers vorzeitig ein Ende und veranlaßte diesen, nach Frankreich zurückzukehren. Ulrich begleitete ihn auch dorthin, gab dann aber seine Stellung bei dem Abte auf, und bereiste England und die Niederlande, nahm kurzen Aufenthalt auf seiner ostfriesischen Besitzung, um dann von neuem auf Reisen zu gehen. In Stockholm trat er in die Dienste des Grafen Bengt von Oxenstjerna und wurde dessen Hofmeister. Als dieser Graf eine Mission an den Wiener Hof erhielt und mit großem Gefolge im Jahre 1674 dorthin abreiste, ging Ulrich mit ihm, trennte sich aber auf der Rückreise für einige Zeit. Der Graf schätzte ihn indessen so sehr, daß, als er 1676 als schwedischer Bevollmächtigter zu den Friedensverhandlungen nach Nymwegen gesandt wurde, er den Wunsch hegte, Ulrich möge ihm auch dorthin folgen. Es geschah, doch Ulrich hielt es hier nicht lange aus, sondern kehrte im Februar 1677 in die ostfriesische Heimath zurück. Ueber diese seine verschiedenen [487] Reisen hat er ein ausführliches Journal geführt, das für die Person des Verfassers, sein Leben, seine Anschauungsweise ebenso von Interesse ist, wie für die Cultur der Länder, die er bereiste, und die Sitten der Zeit, weiter aber auch nicht unwichtige Beiträge zur Geschichte Polens und der Ereignisse in den Jahren 1670–1672 enthält. Die auf Polen bezüglichen Abschnitte sind gedruckt, das Werk als Ganzes harrt aber noch der Veröffentlichung. Nach seiner Heimkehr lebte Ulrich v. W. zwei Jahre hindurch auf seinen Gütern mit der Ausarbeitung seiner Reiseaufzeichnungen beschäftigt, bis er 1679 in die Dienste der Fürstin Christine Charlotte von Ostfriesland trat, die ihn zu ihrem Geheimen Rathe und Vicekammerpräsidenten ernannte. Er hat indessen dieses Amt nicht lange bekleidet, da er schon am 20. März 1681 starb.

Tjaden, Das Gelehrte Ostfriesland, III, 77–110, woselbst ein Verzeichniß der Schriften Ulrich’s v. W. – Pannenborg, Ulrich v. W. und sein Reisejournal (1670–1677), Emder Jahrbuch, III, 2 S. 89 ff.

[486] *) Zu Bd. XLI, S. 774.