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ADB:Widmann, Johann

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Artikel „Widmann, Johann“ von Wilhelm Heyd in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 355–357, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Widmann,_Johann&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 16:25 Uhr UTC)
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Widmann: Johann W., latinisirt Salicetus, auch Möchinger (Mechinger) genannt nach seinem Geburtsort Maichingen bei Sindelfingen (Württemberg), dessen Name früher Möchingen lautete, bekannter Arzt und medicinischer Schriftsteller, wurde einer übrigens nicht sicher begründeten Annahme zufolge im J. 1440 geboren und starb am 31. December 1524 zu Pforzheim. Ob wir die Bildungsstätten, denen er sein Wissen verdankte, alle kennen, ist fraglich; sicher sind darunter die Universitäten Heidelberg (laut Inscription vom 1. Oct. 1459) und Parma; an letzterer wirkte zwischen 1455 und 1483 der berühmte Professor der Arzneikunde Giov. Marliani und wurde Widmann’s Lehrer. Bereits Doctor der Medicin und Chirurgie, somit über die Lernzeit hinaus war W., als er [356] sich in die Matrikeln von Ingolstadt (1473) und Tübingen (1484) eintragen ließ. Ziemlich spät trat er in eine amtliche Laufbahn ein, und zwar bekleidete er zuerst die Stelle eines markgräflichen Leibarztes in Baden, in welche er nach einer von ihm selbst gegebenen Andeutung jedenfalls vor 1480 eingetreten ist, während sein Verbleiben darin für die Jahre 1481 bis 1483 durch Briefe seines Freundes, des Straßburger Humanisten Peter Schott, an ihn bezeugt wird. Diese Briefe, welche bis 1490 fortgehen, geben uns außerdem zu erkennen, welch großes Vertrauen als Arzt W. in weiten Kreisen genoß. Nicht minder aber bewährte er sich als Mann der Wissenschaft nach Uebernahme der ordentlichen Professur für Arzneikunde in Tübingen 1484. Freilich eröffnen die bis jetzt publicirten Universitätsacten noch keinen Einblick in seine dortige Lehrthätigkeit. Aus ihnen geht bloß hervor, daß W. einer der zwei Professoren war, welche Namens der medicinischen Facultät ihren Namen unter die zweite Ordnung setzten, die Eberhard im Bart am 20. Dec. 1491 der Hochschule gab. Im selben Jahre bestellte ihn der Graf zum Leibarzt für sich, seine Gemahlin und den Prinzen Heinrich (den späteren Herzog Ulrich) und bekräftigte diese Ernennung im J. 1493, indem er ihn noch weiter mit der Visitation der Hospitäler für „Sondersieche“ im ganzen Lande Württemberg betraute. Weder Eberhard noch die auf ihn folgende Vormundschaftsregierung, welche im J. 1498 den Posten eines Leibarztes für W. zu einem lebenslänglichen machte, wollte ihn dadurch dem Tübinger Lehramt entfremden. Aber W. selbst harrte nicht bis zum Ende in der Doppelstellung aus, nahm vielmehr im J. 1506 die Stelle eines Stadtarztes in der Reichsstadt Ulm an und siedelte zuletzt als markgräflich badischer Leibarzt nach Pforzheim über (Denkstein in der dortigen Schloßkirche 1522, Tod 1524). – Wenn seine Landsleute und überhaupt die Zeitgenossen W. als einen der ersten Aerzte priesen, so beruhte dies nicht bloß auf der Kunde von einzelnen glücklichen Kuren, wie er eine solche z. B. an Eberhard im Bart vollbrachte, oder überhaupt auf seiner Geschicklichkeit in der Krankenbehandlung, sondern wesentlich auch auf seinen Verdiensten als medicinischer Schriftsteller. Als in den Jahren 1495 und 1496 die gefürchtete Lustseuche in Süddeutschland um sich griff, beschäftigte sich mit derselben auch W. und gab im J. 1497 seinen „Tractatus de pustulis et morbo, qui vulgato nomine mal de Franzos appelatur“ (wahrscheinlich in Straßburg) in den Druck. W. entwickelt darin nüchterne Ansichten über die Ursachen der Krankheit, die Heilmittel entlehnt er meist von griechischen und arabischen Aerzten, und die frühere Annahme, W. sei der erste gewesen, welcher bei den von der Seuche Befallenen Quecksilber angewendet habe, läßt sich nicht aufrecht halten. Wol aber ist man berechtigt, ihn den ersten deutschen Arzt zu nennen, der eine Monographie über die Lustseuche schrieb (das Niederschreiben fällt noch ins Jahr 1496). Eine andere epidemisch auftretende Krankheit, die Pest, hatte Widmann’s Lehrer Marliani im J. 1450 als Arzt in Mailand erlebt und die dabei gemachten Erfahrungen in seinen Vorlesungen mitgetheilt; W. sah sie im J. 1500 auch gegen Schwaben heranrücken und legte nun in einem größeren „Tractatus de pestilentia“ eine Schilderung ihrer Symptome und seine wieder vielfach den Arabern entlehnten Rathschläge zu ihrer Bekämpfung nieder. Otmar in Tübingen druckte die Schrift ohne Zweifel gleich nach ihrer Vollendung im J. 1501. Seinen Töchtern zu Liebe gab W. diesen Pesttractat auch in deutscher Sprache und zugleich in kürzerer Fassung heraus unter dem Titel: „Regimen, wie man sich in pestilentzischem Lufft halten soll.“ Man kennt davon 3 Drucke aus den Jahren 1511, 1514 und 1519, alle aus Straßburger Officinen hervorgegangen. Endlich widmete W. eine Arbeit dem von ihm selbst öfters besuchten Wildbad im Schwarzwald: „Tractatus de balneis thermarum ferinarum (vulgo Wildbaden) …“ (Tubinge [357] per Thomam Anshelmum 1513, ebenda im selben Jahre auch deutsch mit einigen Kürzungen).

Steinhofer, Wirt. Chronik 3, 506 f., 537, 813. – Schnurrer, Erläuterungen der Würt. Kirch.-Ref. u. Gel.-Gesch., S. 333–335. – Pfaff, Wirt. Plutarch I, 83–85. – Stälin, Wirt. Gesch. 3, 774. – Moll, Vier schwäbische Aerzte, im Medic. Corresp.-Bl. d. württ. ärztl. Vereins Bd. 22 (1852), S. 151–153. – Weyermann, N. Nachr. v. Ulm. Gel., S. 609–611. – Petr. Schott, lucubratiunculae. Argent. 1498. – Steiff, Der erste Buchdruck in Tübingen, S. 60 f., 104 f., 229. – Fuchs, Die ältesten Schriftsteller über die Lustseuche in Deutschland, S. 95–112 (hier ein Abdr. der betr. Schrift v. W.), 394–396 (Anmerk. biogr. u. bibliogr. Natur). – Renz, Lit. Gesch. v. Wildbad, S. 8 ff. (hier auch Facsimiles der Titel der beiden Badschriften Widmann’s und Proben daraus).