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ADB:Wieland, Heinrich

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Artikel „Wieland, Heinrich“ von Rudolf Brüderlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 497–501, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wieland,_Heinrich&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 06:46 Uhr UTC)
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Wieland *): Johannes Heinrich W., Oberst, Commandant des IV. schweizerischen Armeecorps, wurde geboren in Basel im J. 1822 als zweiter Sohn des Buchhändlers und Artilleriemajors August Wieland-Landerer. In früher Jugend verlor er den Vater, der anläßlich des Auszugs der Stadtbasler gegen das revolutionirte Landvolk am 3. August 1833 in der „Hardt“ bei Basel den Soldatentod fand. Anfänglich dem Kaufmannsstande bestimmt, absolvirte Heinrich W. seinen ersten Militärdienst beim Milizcontingent seines Kantons, in dessen Infanterieofficiercorps er, nachdem ihm 1846 das Brevet als 2. Unterlieutenant ertheilt worden, im J. 1848 zum Oberlieutenant avancirte. Die bewegte Zeit, in welche die ersten Dienstleistungen des jungen Officiers fielen – 1847 hatte er am Sonderbundsfeldzug, 1848 an der Besetzung der Rheingrenze theilzunehmen –, weckten in demselben jedoch bald die Lust, dem Beispiele des Oheims, des Obersten Johannes Wieland, zu folgen und sich ganz der Militärcarriere zu widmen. Er trat in dieser Absicht 1849 als Lieutenant in die Standestruppe des Kantons Basel-Stadt – ein zum Zwecke des Stadtschutzes gebildetes kleines ständiges Truppencorps – ein, verließ jedoch diese Stellung schon ein Jahr darauf, um dem Chef dieser Truppe, dem Commandanten v. Mechel, dem Ferdinand II., König beider Sicilien, die Werbung und Bildung eines schweizerischen Jägerbataillons übertragen hatte, in die Dienste des Neapeler Bourbonen zu folgen. Die Functionen, welche die neue Stellung dem jungen Officier brachte – Commando des Werbedepots in Lecco, Beihülfe bei der Organisation und Instruction des (laut Organisationsdecret von 1850 mit 40 Officieren und 1300 Unterofficieren und Soldaten in Aussicht genommenen, im J. 1854 aber bei 1700 Mann zählenden) Bataillons, Führung von Detachementen bei den Streifzügen der „Colonnes mobiles“ im Innern des neapolitanischen Reiches –, gaben ihm ausgiebige Gelegenheit, Beweise seiner Thatkraft und militärischen Eignung zu liefern. Als kräftige Stütze des Bataillonschefs, nunmehrigen königl. neapolitan. Majors, v. Mechel, erwies er sich aber namentlich auch hinsichtlich dessen Bestrebungen, mit Bezug auf taktische Durchbildung aus dem 13. Jägerbataillon eine Mustertruppe zu schaffen. Der Lohn dieser erfolgreichen Thätigkeit wurde W. 1856 durch seine Beförderung zum Hauptmann und Chef einer Centrumscompagnie.

Während beinahe einem Jahrzehnt hatte das Bataillon langweiligen Platzdienst in der Hauptstadt – für die Officiere freilich gemildert durch die Annehmlichkeiten des intimen Verkehrs in den Kreisen der glänzenden und lebensfrohen neapolitanischen Gesellschaft – mit anregenderem Felddienst in dem – dafür in gesellschaftlicher Beziehung trostlosen – Maddaloni wechseln gesehen, [498] als sich im Frühjahr 1859 die Wolken über dem Königreich beider Sicilien zusammenzuballen begannen. Ferdinand II. starb am 22. Mai unerwartet in Caserta und sein Sohn Franz II. folgte ihm, erst 24 Jahre alt, auf dem Thron. Bald nach Beginn des oberitalienischen Krieges machten sich in Süditalien Spuren revolutionärer Gährung bemerklich. Das 13. Jägerbataillon wurde deshalb nach Neapel gezogen, wo das 2., 3. und 4. Schweizerregiment bereits garnisonirten; das 1. Schweizerregiment stand in Palermo. Das Wetterleuchten, das dem Sturm voranging, bildete eine Meuterei, die unter den Soldaten des 2. und 3. dieser Regimenter ausbrach, als die neapolitanische Regierung, einem Ansuchen des schweizerischen Bundesraths Folge gebend, die kantonalen Abzeichen aus den Fahnen der Schweizertruppen entfernen ließ. Die Aufständischen wurden zwar durch die im Gehorsam verbliebenen 4. Regiment und 13. Jägerbataillon rasch zu Paaren getrieben, das Vorkommniß lieferte jedoch dem neapolitanischen Ministerium, das bereits mit der Actionspartei des einheitlichen Italiens geheime Beziehungen unterhielt, den erwünschten Anlaß, beim Könige die Entlassung der Schweizer Truppen durchzusetzen. v. Mechel hatte unterdessen zu erreichen gewußt, daß diejenigen Officiere und Soldaten der aufgelösten Verbände, die zurückbleiben wollten, in ein neu zu bildendes Corps von Fremdentruppen – 3 Bataillone (à 2 Halbbataillone à 4 Compagnien) und 1 Batterie – übertreten konnten. Unter den verbleibenden Officieren befand sich auch W., der – weil vorwiegend die jüngeren Kameraden sich zum Bleiben entschlossen hatten -– nun von einem der jüngsten Hauptleute zum drittältesten Officier seines Bataillons vorrückte. Der 1. Januar 1860 brachte die Beförderung zum Hauptmann Adjutant-Major (Charge eines berittenen Stabsofficiers und Stellvertreter des Bataillonschefs) und das Commando des zweiten Halbbataillons („linken Flügels“) des 3. Fremdenbataillons, gleichzeitig aber auch – da die Vorgesetzten durch Verhandlungen in Neapel zurückgehalten waren – die ganze Arbeit der Heranbildung des in Kürze wieder auf 1300 Mann (worunter 2/3 Schweizer, der Rest meist Baiern und Oesterreicher) angewachsenen, in Avellino garnisonirten Truppenkörpers.

Bald jedoch sollte die Instructionsthätigkeit jäh unterbrochen werden; zuerst durch die Detachirung Wieland’s mit einem, aus der gedienten Mannschaft sämmtlicher Compagnien gebildeten Detachement nach Salerno, dann am 4. Mai, nach Garibaldi’s Landung in Marsala, durch Einschiffung des ganzen Fremdenbataillons unter Oberst v. Mechel’s Befehl nach Palermo. In Sicilien angelangt, nahm das 3. Fremdenbataillon am 16. Mai an der Expedition v. Mechel’s nach Castellamare, sodann am 20.–27. an dem zu Recognoscirungszwecken ins Innere der Insel unternommenen Streifzug einer, unter dem Commando des schweizerischen Corpschefs stehenden, combinirten Brigade theil. Im Verlauf des letzterwähnten Zuges hatte W. an der Einnahme des Dorfes Parco hervorragenden Antheil; eine ungleich schwierigere, aber auch das Vertrauen des Chefs bekundende Aufgabe fiel ihm jedoch zu, als v. Mechel auf die Nachricht, daß Garibaldi mit einem Corps seiner Verfolgung entwichen sei und die Hauptstadt eingenommen habe, Kehrt machte und auf demselben Wege, den der Freischaarenführer genommen hatte, am 30. in Palermo eindrang. Wieland’s Compagnien an der Spitze, nahm die Colonne, ohne von General Lanza, dem mit 20 000 Mann nach der Westseite der Stadt zurückgedrängten neapolitan. Oberbefehlshaber, unterstützt zu werden, in erbittertem Straßenkampfe neun hinter einander liegende Barrikaden der Garibaldianer und arbeitete sich bis in das Stadtcentrum vor, von wo an sich die Bahn als frei erwies. Da, im Moment, als es nur noch den Sieg zu vollenden galt, wurde vom neapolitan. Obercommando Einstellen des Feuers befohlen! Es folgte ein 24stündiger [499] Waffenstillstand, während dessen das 3. Fremdenbataillon förmlich in die garibaldianischen Abtheilungen eingekeilt blieb, sodann eine mehrtägige Waffenruhe, und schließlich am 7. Juni eine Capitulation, die jedoch nicht, wie am 30. den v. Mechel’schen Truppen vorgespiegelt worden war, den Abzug Garibaldi’s, sondern vielmehr die Räumung Palermos und des größten Theils der Insel durch die königlichen Truppen zur Folge hatte.

Auf das Festland zurückgekehrt, wurden die unter dem Commando des inzwischen zum General beförderten v. Mechel vereinigten und die 1. Brigade der 3. neapolitan. Division bildenden Fremdentruppen (Fremdenbataillone 1., 2., 3. – Fremdenbatterie) erst planlos in verschiedene Garnisonen hin- und herverlegt, sodann, nach dem Einmarsch Garibaldi’s in Calabrien, gleich der ganzen neapolitan. Feldarmee hinter den Volturno zurückgezogen. Während sich diese Rückzugsbewegungen vollzogen, nahm Garibaldi am 7. Septbr. mit einem kleinen Gefolge von Officieren die vom königlichen Obercommando preisgegebene Hauptstadt in Besitz und concentrirte sodann seine Scharen herwärts des linken Volturno-Ufers. In verschiedenen Scharmützeln schlugen sich nun die Gegner mit wechselndem Erfolg, bis es am 1. October zu einem größeren Zusammenstoß kam. Das königliche Obercommando hatte für diesen Tag einen combinirten Angriff auf die feindlichen Stellungen befohlen. Die neapolitan. Hauptkräfte sollten von Capua aus die Position der Freischaren bei S. Maria und Monte S. Angelo attackiren, die Brigade v. Mechel und die neapolitan. Brigade Ruiz, die ihre Quartiere in und nördlich Cajazzo hatten, diesen Hauptangriff durch einen, schon in der vorhergehenden Nacht anzusetzenden, gegen Maddaloni und die rechte Flanke des Gegners zu führenden Stoß unterstützen. Am Ponte della Valle herwärts Maddaloni stieß in der Morgenfrühe die um Mitternacht aus ihren Cantonnements aufgebrochene v. Mechel’sche Brigade – 3000 Mann stark – auf die feindliche Division Bixio (5600 Mann), die diesen dreistöckigen Aquäduct und ein an dessen Eingang liegendes Gehöfte zur Vertheidigung eingerichtet und stark besetzt hatte. Das Halbbataillon Wieland, zum Angriff befohlen, rannte mit dem Bayonett die doppelt so starke garibaldianische Brigade Eberhard über den Haufen und nahm nach hartem Kampf das Gehöft, etwa 100 der Gegner zu Gefangenen machend. Hierbei fiel ein Sohn des Generals v. Mechel und Hauptmann W. wurde durch einen Schuß ins Bein schwer verwundet. Mit dem Erfolg Wieland’s und einem glücklichen Vorstoß des Centrums hatte jedoch die dem Angreiser günstige Phase des Gefechts ihr Ende erreicht. Auf dem linken Flügel schlug der Angriff fehl; auch das Eingreifen der Brigade Ruiz blieb aus. So sah sich v. Mechel, als Bixio nach sechsstündigem Kampf seine Reserven heranführte, genöthigt, den Befehl zum Rückzug zu geben.

Einen ähnlichen Verlauf hatte der Hauptangriff von Capua aus genommen. Anfänglich von Erfolg begleitet, war derselbe Mangels rechtzeitigen Einsetzens der Kräfte und Nichtausnützens der Ueberlegenheit an Artillerie und Cavallerie gleichfalls in einen Mißerfolg umgeschlagen. W. wurde nun nach der Festung Gaeta gebracht, wohin ihm die Reste der neapolitan. Armee, nachdem sie noch bei Molo di Gaeta ein letztes blutiges Gefecht gegen die unter Cialdini’s Befehle ins Neapolitanische eingedrungenen Piemontesen bestanden hatten, bald folgten. Am 4. November begann die Belagerung. W., obwol kaum hergestellt und noch an der Krücke gehend, meldete sich wieder zum Dienst. Er erhielt den Majorsgrad und den Befehl über die „Frazioni dei Battaglioni esteri“, ca. 800 Mann Versprengte und Spitalgänger der Fremdenbataillone, wozu später noch das Commando der Batterie di Vico im Centrum der Angriffsfront kam. Die Schützen mußten nun als Kanoniere einexercirt werden, daneben aber ihre infanteristischen Functionen weiter versehen. Wo ein wichtiger [500] Posten zuverlässig zu besetzen war, hatten sie die Wache zu stellen. W., auf seinen Krückstock gestützt, war stets da zu finden, wo es am heißesten herging, mit seinem unverwüstlichen Humor die Mannschaft ermunternd, Allen in unermüdlicher Pflichterfüllung mit leuchtendem Beispiel vorangehend.

Am 13. Februar 1861, als Lebensmittel und Munition ausgegangen, mehrere Pulvermagazine mit ganzen Stücken des Hauptwalls in die Luft geflogen waren, das Bombardement von Land und Meer her und der Typhus die Reihen der Besatzung stark gelichtet hatte, übergab Franz II. die Festung und verabschiedete die Armee. W. erhielt den Oberstlieutenantsgrad und das Ritterkreuz des Ordens Franz I., sowie die Medaille von Gaeta. Bereits in Palermo war ihm das Ritterkreuz und für Ponte della Valle das Officierskreuz des hl. Georgsordens verliehen worden. - Mit Waffen und klingendem Spiel verließ die Besatzung die Festung. An deren Spitze führte W. ein Häuflein verwetterter und martialisch aussehender Gestalten – den Rest der Fremdenbataillone.

Nach der Rückkehr in die Heimath stellte W. sein reiches militärisches Talent und durch die Kriegserfahrungen geläutertes Wissen dem Vaterlande zur Verfügung. Im September 1861 trat er als Oberstlieutenant in den eidgen. Generalstab ein und wurde in der Folge vielfach im höheren Instructionsdienst – als Leiter von Specialschulen und Lehrer in den eidgen. Generalstabs- und Centralschulen - verwendet. Daneben übernahm er successive die Stellung eines kantonalen Oberinstructors der Infanterie in den Kantonen Baselstadt, Freiburg und Neuenburg. 1866 wurde W. zum Oberst befördert. Die Grenzbesetzung von 1870 machte er als Chef der 6. Infanteriebrigade mit. 1873 wurde ihm das Commando der IX. (Gotthard-)Division übertragen. – In diese Jahre fällt auch eine intensive litterarische Thätigkeit Wieland’s, indem er nach dem Tode seines Bruders Hans die Redaction der Allgem. Schweiz. Militärzeitung übernahm und von 1864–1868 allein, von 1868–1873 im Verein mit Oberst v. Elgger führte und dabei zur Besprechung der Tagesfragen vielfach selbst das Wort ergriff.

Die neue eidgen. Wehrorganisation von 1875 brachte W. die schwierige Stellung des Kreisinstructors der VIII. Armeedivision, eines Heereskörpers, dessen Rekrutirungskreis den dritten Theil der Schweiz umfaßt und in welchem vier verschiedene Sprachen gesprochen werden. 1889 trat er aus dem Instructionsdienst aus und übernahm an Stelle seines ehemaligen neapolitan. Kameraden, des Obersten Alphons Pfyffer, das Commando dieser Division. Als 1891 in der schweizerischen Armee die Armeecorpseintheilung geschaffen wurde, wurde W. mit der Führung des IV. dieser Corps – aus den Armeedivisionen IV. und VIII bestehend – betraut, mit welcher Stellung der Sitz in der Landesvertheidigungscommission verbunden war. – Wiederholt wurde W. die Oberleitung der großen Herbstübungen der schweizerischen Armee übertragen, so 1886 und 1890 derjenigen der I. und II. Armeedivision (Truppen der französ. Schweiz), Aufgaben die er jeweilen mit hervorragendem Geschick durchführte.

Eine ungewöhnlich vollkommene Beherrschung der vaterländischen Hauptidiome ließ ihn bei diesen Anlässen – wie früher bei seiner Thätigkeit in der VIII. Division – dem Officiercorps und der Mannschaft der fremdsprachigen Landestheile in sympathischer Weise näher treten und trug viel dazu bei, den alten Soldaten mit der ritterlichen Gestalt zu einer der populärsten Erscheinungen im Schweizerheere zu machen. Bis zu seinem Lebensende geistig und körperlich rüstig geblieben, wurde Oberst W. am 3. April 1894 nach kurzem Krankenlager von einem Herzschlage hingerafft. Mit ihm verlor die schweizerische Armee nicht nur einen ihrer besten Lehrer und Truppenführer, sondern [501] auch den letzten jener Officiere, die eine schweizerische Truppe vor dem Feinde commandirt und hernach noch eine leitende Stellung im vaterländischen Heerwesen eingenommen haben.

Oberst Hans v. Mechel, Erinnerungen an Oberst Heinrich Wieland. Basel 1896. – Nekrologe in der Allg. Schweiz. Militärzeitung Nr. 15 u. 16. 1894; N. Z. Ztg. Nr. 95. 1894; Nat.-Ztg. Nr. 78. 1894; Allg. Schweiz. Ztg. Nr. 78, 80; 1894.

[497] *) Zu Bd. XLII, S. 399.