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ADB:Wilhelm Ludwig (Graf von Nassau-Dillenburg)

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Artikel „Wilhelm Ludwig, Graf von Nassau-Diez“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 134–136, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_Ludwig_(Graf_von_Nassau-Dillenburg)&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 00:32 Uhr UTC)
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Wilhelm Ludwig, Graf von Nassau-Diez, Statthalter von Friesland, Stadt und Lande und Drenthe, wurde am 13. März 1560 geboren als ältester Sohn des Grafen Johann von Nassau-Katzenellnbogen, des Bruders Wilhelm’s des Schweigers. Als sein Vater Statthalter von Gelderland geworden [135] war, 1578, erhielt er, wenn auch noch sehr jung, ein Regiment deutscher Infanterie, an dessen Spitze er mit Auszeichnung an den Kämpfen im Norden und Osten der Niederlande gegen die Spanier theilnahm. Ein überzeugter Reformirter gewann er bald das Vertrauen seines Onkels und der Patrioten, während sein ruhiges und energisches Wesen, seine Anspruchslosigkeit und Festigkeit jedermann imponirte und scharf gegen die Unbändigkeit eines Hohenlohe, eines Sonoy, eines Entens abstach, den er durch sein ausgesprochenes militärisches Talent weit überragte. Kein Wunder daß Wilhelm von Oranien ihn zu seinem Stellvertreter in Friesland ernannte und daß er dort nach dessen Tode die Nachfolge erhielt. Mit zäher Energie hielt er in den schwierigsten Umständen im Kampfe an den friesischen Grenzen gegen Vardugo aus bis bessere Tage kamen. Treu hielt er in den schwierigen Jahren von Leicester’s Regierung zu den Holländern und bekämpfte die Ausschreitungen der Ultracalvinisten, die Friesland der englischen Königin zu überliefern versuchten. Die friesischen Regenten fanden an ihm eine treue Stütze und ließen ihn nicht im Stich, als Karl Roorda versuchte die Provinz vollkommen republikanisch einzurichten, wenn er sich auch manche Schmälerung seiner statthalterischen Gewalt gefallen lassen mußte. Mit nicht geringerem Eifer wie sein Vetter Moritz von Oranien studirte er die Kriegswissenschaft und versuchte die Einführung einer neuen Taktik, wie er denn auch seine Soldaten in der Leeuwarder Garnison, wo er, wenn er nicht im Felde war, seinen Sitz hatte, eifrig nach römischem Vorbild einexercirte. Die Feldzüge der neunziger Jahre, an denen er einen wenn nicht glänzenden doch sehr wichtigen Antheil hatte, zeigten die Früchte seines Wirkens. Ohne seine Hülfe hätte Moritz seine Aufgabe, in wenigen Feldzügen das Gebiet der sieben Provinzen zu befreien, gewiß nicht so glänzend lösen können. Ihm selbst trugen sie die Statthalterschaft der, nach Groningens Uebergabe oder, wie man schonend sagte, Zurückführung (Reductio) in die Union, neuorganisirten Provinz Stadt und Lande, und ihres Anhangs, der Landschaft Drenthe ein. Leider mißlang der Plan durch Vereinigung der letzteren mit der Stadt Groningen und dem „Ommelanden“ zu einer einzigen Provinz eine weniger unbequeme politische Einrichtung des Nordostens herbeizuführen, wie es Oldenbarnevelt und auch W. L. gewünscht hatten. Mit dem Advocaten scheint letzterer lange Zeit gut gestanden zu haben. Seine ruhige, durchaus praktische Natur fand sich besser mit demselben zurecht als die heftige, doch zugleich anhaltend grollende Art des Vetters, der überhaupt, wie Fruin in seinen Tien Jaren bemerkt, weit weniger den Geist des Vaters geerbt hatte, wie der Neffe, der, so streng reformirt er war, doch immer den politischen Erwägungen Raum gab. Freilich scheint auch W. L. die Ansicht des Advocaten, es sei nothwendig für längere oder kürzere Zeit Frieden mit Spanien zu machen, nicht getheilt zu haben, wenn er sich auch als erster Deputirter der Generalstaaten an den im J. 1607 angefangenen Unterhandlungen betheiligte, und auch die Urkunde des zwölfjährigen Stillstands unterschrieb. Schon waren damals die religiösen Wirren ausgebrochen, welche die Zeit des Stillstands zu einer der traurigsten Perioden der niederländischen Geschichte gemacht haben. W. L. nahm entschieden Partei für die Calvinisten, die Contraremonstranten, welche auch unter den friesischen und groninger Regenten bei weitem die Mehrheit besaßen. Das hatte schon bei der Gründung der friesischen Universität in Franeker im J. 1585 mitgewirkt, wenn auch der Wunsch der Friesen, in keinerlei Hinsicht von Holland abhängig, sondern ganz auf sich angewiesen zu sein, der Hauptgrund war. Bei der eben in den ersten Jahren des Stillstands unternommenen im J. 1614 vollzogenen Gründung der Groninger Universität war jedoch die Ansicht maßgebend, es sei nothwendig, dem libertinischen Leiden gegenüber eine rechtgläubige Universität zu stiften, damit [136] die jungen Prediger wenigstens in den nördlichen Provinzen bei ihrer Erziehung dem verderblichen Einfluß der Arminianer entrückt seien, wenngleich der Groninger Particularismus, der es den verhaßten friesischen Nachbarn wie den reichen Holländern gleich thun wollte, dabei auch zur Geltung kam. W. L. betheiligte sich mit Herz und Seele an dem Werke und sorgte für die Berufung rechtgläubiger Professoren. Entschieden wie er war, konnte er das lang anhaltende Zögern seines Vetters nicht vertragen. Seine Briefe aus jenen Jahren, welche in den Archives de la Maison d’Orange für die Nachwelt bewahrt sind, zeugen davon, er ließ nicht ab, Moritz anzutreiben, ihn zu entschiedenem Auftreten gegen den Advocaten und dessen libertinische und remonstantische Anhänger aufzumuntern. Doch so bestimmt er auf den Sturz der Macht des Advocaten und seiner Gesinnungsgenossen lossteuerte, so gewiß war er dem systematischen Rachekrieg, welcher nach Oldenbarnevelt’s Gefangennahme von dessen Widersachern geführt wurde, abgeneigt. Er war ein Mann der Mäßigung und des Verstandes, dem es um die Reinheit der Religion zu thun war, und nicht um die politische Macht und die Stellen der gefallenen Gegner, wie so vielen der Feinde Oldenbarnevelt’s. Lang hat er den Triumph der von ihm verfochtenen Sache nicht überlebt. Am 31. Mai des Jahres 1620 ist er gestorben. Seiner Ehe mit seiner Base Anna von Nassau waren keine Kinder entsprungen. Seine Erbschaft wie seine Würden fielen seinem Bruder Ernst Casimir zu, dem Stammvater des friesischen Zweigs des nassauischen Hauses. – W. L. war ein bedeutender Mann, ein ausgezeichneter Officier und verständiger Politiker, eine durch und durch gesunde Natur. In seltener Weise hat er es verstanden sich mit den schwierigen und zur Unbotmäßigkeit geneigten friesischen und groninger Regenten zurechtzufinden. Eine schon in seiner Jugend im Kampfe erhaltene Wunde hatte eines seiner Beine gelähmt und der kleine, breitschultrige Mann mit dem röthlichen Bart und dem pockennarbigen Antlitz war keine imposante Figur. Doch haben Freund und Feind ihn immer hochgehalten.

Vgl. Groen van Prinsterer, Archives de la Maison d’Orange-Nassau, die letzten Bände der ersten und die beiden ersten der zweiten Reihe. – van Reidt, Geschiedenis der Nederlandsche oorlogen und die Fortsetzung van de Sande, Fresinga, Memorien in Dumbars Analecta.Ubbo Emmius, Giullelmi Ludovici, comitis Nassovii vita et res gestae, und verschiedene auf ihn gehaltene orationes funebres. Bor, van Meteren u. s. w. – Von späteren Historikern sind außer Wagenaar namentlich Fruin (Tien jaren uit den Tachtigjarigen oorlog), Motley (United netherlands und Life of Barnevelt) zu nennen. Auch Blok, Geschiedenis van het nederlandsche volk, Bd. III, mein Staat der Vereenigde Nederlanden in de jaren zijner wording u. s. w.