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ADB:Wittorf, Andreas von

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Artikel „Wittorf, Andreas von“ von Ludwig Stieda in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 650–651, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wittorf,_Andreas_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:12 Uhr UTC)
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Wittorf: Andreas v. W., ein bekannter baltisch-deutscher Dichter, wurde am 13./25. November 1813 als der jüngste von 7 Geschwistern zu Reval (im Gouv. Esthland) geboren, woselbst sein Vater Andreas Gottfried v. W., früher Officier in russischen Diensten, als Inspector des Militärhospitals lebte. Der Großvater des Andreas Gottfried, einer hannoverschen Adelsfamilie angehörig, war zu Beginn des vorigen Jahrhunderts nach Livland gekommen und hatte in Dorpat die Stelle eines Landesgerichtsnotars inne gehabt. Unser Andreas v. W. verlor seinen Vater schon früh und wurde von der Mutter, Dorothee Juliane Holzhausen aus Kurland erzogen. Als er 8 Jahre alt war, nahm ihn sein Schwager, der Gutsbesitzer Gustav v. Querfeld, zu sich, um väterlich für ihn zu sorgen. Der junge Andreas bezog, nachdem er in Dorpat in einer Privatlehranstalt vorgebildet war, 1827 das Gymnasium zu Riga, verließ dasselbe mit dem Zeugniß der Reife 1832 und wandte sich nach Dorpat, um sich dem Studium der Medicin zu widmen. Aber die Medicin behagte ihm nicht, er ging zur Philologie über, blieb auf der Universität bis 1836, war ein flotter Student, legte jedoch kein Schlußexamen ab. Nun begann W. – wie so viele in gleicher Lage – ein 20 Jahre dauerndes Wanderleben als Lehrer oder Hofmeister. Er war anfangs Lehrer in Erlaa, dann in Adjamünde bei der Familie des russischen Generals v. Reußner, begleitete seinen Zögling nach Südrußland ins Gouvernement Cherson, war später Lehrer in Riga, dann Leiter einer kleinen Fabrikschule auf Sassenhof bei Riga, zuletzt in Kurland. Des langen Hin- und Herziehens müde, übernahm W. endlich, 1858, um eine bleibende Lebensstellung zu gewinnen, das Amt eines Secretäts am Kreisgericht zu Wenden (Livland). Kränklichkeit und das herannahende Alter nöthigten ihn indeß schon nach elf Jahren, 1869, das Amt niederzulegen. Er ging zunächst aufs Land, aber dann 1872 wieder nach Wenden, wo er einsam und bescheiden, vielfach kränkelnd, von [651] einer kleinen Pension lebte. Ende der siebziger Jahre besuchte er noch einmal die heimathlichen Stätten der Jugend – Reval, Walk und Dorpat. – Am 15. April 1886 erlöste ihn der Tod von seinen Leiden. Mit ihm starb der letzte v. Wittorf in Livland. Doch sollen im Innern Rußlands russische Nachkommen des eingewanderten Andreas Gottfried v. W. leben.

W. war begabt und kenntnißreich, eine feinfühlende, ideal angelegte Natur, aber ohne Sinn fürs praktische Leben. Er hatte auf der Schule, auf der Universität viel gelernt, aber er war nicht im Stande, seine Kenntnisse in ergieb1ger Weise zu verwerthen. Wäre es ihm vergönnt gewesen, eine feste und gesicherte Lebensstellung zu gewinnen, so hätte er unzweifelhaft Bedeutendes geleistet. Was er als Schriftsteller hinterlassen hat, sind in der Form vollendete lyrische Gedichte, die von wahrer, inniger, poetischer Empfindung zeugen; außerdem einige lyrisch-epische Dichtungen. Die ersten dichterischen Versuche erschienen in den „Schneeglöckchen“ (Deutsche Lieder aus den Ostseeprovinzen. Riga, Leipzig 1838). Bald darauf gab W. seine gesammelten Gedichte (Leipzig 1844) heraus. Weitere Sammlungen von Gedichten brachten die „Federnelken“ (1851); „Von dir und für dich“ (Ein lyrischer Kranz, 1854); „Baltische Sagen und Mären“ (1859); außerdem lieferte W. Beiträge zu verschiedenen in Livland erschienenen Gedichtsammlungen, so zu den Balladen und Liedern (Dorpat 1846), zu Rehbinder’s „Baltischem Album“ (Dorpat 1848); zu Jegor v. Sivers’ litterarischem Taschenbuch für 1858 u. a. Eine Zeit lang war W. in den Ostseeprovinzen der vielgelesenste und beliebteste Dichter.

Sein letztes Werk ist „Brigitte, lyrisch-epische Dichtung in Rhapsodien“ Riga 1879, mit dem Motto: „Der beste Friedensstifter ist der Tod“. Es behandelt in leichten Versen eine Revaler Sage und ist der Vaterstadt Reval gewidmet. Ueberdies hat W. Gelegenheitsgedichte in großer Menge gefertigt; die meisten sind so schnell verschwunden, wie sie auftauchten – viele von ihnen hätten ein besseres Loos verdient, als ihnen zu Theil geworden. Aber als die „Brigitte“ erschien, war ihr Verfasser bereits hochbetagt, und niemand erkannte in ihm den beliebten Dichter der vierziger und fünfziger Jahre! W. hat auch eine Reihe von kritischen, geschichtlichen und sprachlichen Aufsätzen für verschiedene baltische Zeitungen, für „das Inland“, für die „Rigasche Zeitung“, für die „Neue Dörptsche Zeitung“ geschrieben. – Schließlich sei noch erwähnt, daß W. vortreffliche leichte Gedichte in lateinischer Sprache gelegentlich verfaßt hat.