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ADB:Zimmermann, Johannes

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Artikel „Zimmermann, Johannes“ von Paul Steiner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 267–270, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zimmermann,_Johannes&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 18:11 Uhr UTC)
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Zimmermann: Johannes Z., Missionar der evangelischen Missionsgesellschaft zu Basel, von 1850–1876 auf der Goldküste, Westafrika, thätig, wo er die Gã-Sprache bearbeitete und eine Litteratur in derselben schuf. – Z. wurde am 2. März 1825 in dem württembergischen Dorf Gerlingen bei Stuttgart geboren und entstammte einer einfachen Bauernfamilie. Obwol mit reichen Gaben ausgestattet, widmete sich der junge Z. nach seiner Confirmation zunächst der Landwirthschaft und erlernte dann das Bäckerhandwerk. Aber vom Missionsgedanken schon frühzeitig erfaßt und dazu weiter angeregt durch seinen Landsmann Miss. Rebmann (den späteren Entdecker des Kilimandscharo, siehe A. D. B. XXVII, 485), trat er 1844 in die evang. Missionsgesellschaft zu Basel ein, um sich für den Missionsberuf ausbilden zu lassen. Unter der Anleitung tüchtiger Lehrer gelangten hier seine reichen Geistesgaben zur schönsten Entfaltung. Bald waren ihm die hebräische Bibel und das griechische Neue Testament seine liebsten Begleiter und er wurde in denselben so heimisch, daß er später die hl. Schrift meist nur im Grundtext las. Und wie sich schon damals seine Vorliebe und besondere Befähigung für sprachliche Studien zeigte, so hat er sie [268] später in den praktischen Dienst der Mission gestellt. Aber auch große, weltumfassende Missionsgedanken, wie er sie nochmals auf dem afrikanischen Arbeitsfelde zur Ausführung gebracht wissen wollte, regten sich schon damals in dem genialen und weitblickenden Jüngling. – Als Arbeitsfeld wurde ihm nach fünfjähriger Vorbereitung die Goldküste in Westafrika zugewiesen, ein Gebiet, auf dem die Basler Mission nach einem fehlgeschlagenen Versuch (1828) im J. 1843 die Arbeit aufs neue aufgenommen und seitdem mit vielen Opfern fortgeführt hatte. Z. landete daselbst Anfang 1850 und trat an die Leitung des kleinen Katechisten-Instituts auf der Küstenstation Christiansborg, womit er zugleich das Studium der Gã-Sprache, die noch nicht bearbeitet, ja nicht einmal schriftlich fixirt war, verband. Schon nach sechsjährigem Aufenthalt auf afrikanischem Boden konnte er sein Erstlingswerk, eine Grammatik der Gã-Sprache mit Wörterbuch dem Druck übergeben. Zugleich war er eifrig bemüht, eine gediegene Litteratur in Gã zu beschaffen, die sowol der Missionsarbeit als auch der geistigen Hebung des Volkes förderlich sein sollte. So übersetzte er in den folgenden Jahren die ganze Bibel, und verfaßte eine Reihe von Büchern für Kirche, Schule und Haus. Alle diese litterarischen Erzeugnisse haben den großen Vorzug, daß sie dem Verständniß des Afrikaners angepaßt sind und den Volkston durchweg treffen. War es ihm doch stets ein Hauptanliegen, sich in die Gedankenwelt des Negers einzuleben und ihm dadurch möglichst nahe zu treten. Seine hohe Begeisterung für das Volk und Land seiner Wirksamkeit veranlaßte ihn auch, 1851 mit einer gebildeten Afrikanerin in die Ehe zu treten, um, wie er sagte, „sich mit Afrika zu vermählen“. Seine Frau hatte merkwürdige Lebensschicksale hinter sich. Als Kind von Sklavenhändlern an der westafrikanischen Küste geraubt, war sie auf ein Sklavenschiff geschleppt worden, um nach Westindien verbracht zu werden. Dasselbe lief aber bei Jamaica auf den Strand und so erhielt sie ihre Freiheit. Sie kam in das Haus des englischen Gouverneurs und erhielt hier die Taufe und eine christliche Erziehung. Später wurde sie Lehrerin in einer Mädchenanstalt der Brüdermission und kehrte 1843 mit einer Anzahl von christlichen Negercolonisten in ihre afrikanische Heimath zurück. Z. fand in ihr eine ihm treu ergebene Gehülfin, mit der er über 25 Jahre verbunden gewesen ist. – Seine Arbeit in Christiansborg währte nur wenige Jahre. In einem Negeraufstand 1854 wurde die Stadt von den Engländern zerstört und die kleine christliche Gemeinde flüchtete ins Inland auf die dortigen Plantagendörfer. Z. zog ihr deshalb mit seinem Collegen Steinhauser und den Katechistenzöglingen nach und sucht die zersprengten Christen auf einer der Mission gehörenden Plantage zu sammeln und die Arbeit unter der eingebornen Bauernbevölkerung aufzunehmen. Dadurch entstand die Station Abokobi, die in der Folge zu einer blühenden Christenansiedlung wurde. Der Aufenthalt in dem fruchtbaren Inland ließ nun in Z. jene großartigen Cultur- und Colonisationspläne zur Reife gelangen, mit denen er sich von Anfang an getragen und die er Zeit seines Lebens nie aus den Augen gelassen hat. Seinem Afrika, meinte er, sei nicht damit geholfen, daß man nur ein paar Missionare hinaussende, sondern ganze Scharen von christlichen Colonisten sollten hinausziehen und dort in die Arbeit eintreten. Und zwar sei hiefür vor allen andern Nationen gerade das deutsche Volk nach seiner ganzen Eigenart besonders berufen, weshalb er es auch für die Aufgabe des deutschen Reiches hielt, dort als christliche Colonialmacht aufzutreten, damit es Afrika mit seinen Culturmitteln diene und nicht den ganzen Erdtheil der anglikanischen und romanischen Rasse überlasse. Auf dem afrikanischen Boden sollte auch nach ihm die sociale Frage Deutschlands gelöst werden; hier sollten die bodenlosen und heimathlosen Arbeitermassen des übervölkerten Deutschlands Raum, Beschäftigung, Wohnung und Nahrung [269] finden. Im Austausch gegen die Reichthümer Afrikas, die diesem bei ihrer Nichtverwerthung nur zum Fluche und zur Pestilenz würden, sollte ihm das christliche Europa die Segensfrüchte des Christenthums und seiner Cultur darreichen: die christliche Kirche, Schule, Obrigkeit, sowie alle geistigen und leiblichen Güter, vom Lebenstrost des Evangeliums an bis herab zu den Eisenbahnen und Telegraphen. Und was er in dieser Richtung für sein Afrika erstrebte, das suchte er, so viel an ihm lag, wenigstens im kleinen anzubahnen. Er erwarb aus seinen Privatmitteln ein größeres Areal in der Nähe seiner Station Abokobi und arbeitete darauf hin, christliche Colonisten aus seiner Heimath auf die Goldküste zu verpflanzen, die Hand in Hand mit der Mission als Bauern und Gewerbetreibende mithelfen sollten, der Cultur und Civilisation Eingang zu verschaffen. Schon waren auch die ersten Schritte zu deren Ansiedlung gethan, als unvorhergesehene Verhältnisse den Plan vereitelten. Es gehörte dies zu den mancherlei Enttäuschungen seines Lebens, wie er denn überhaupt mit seinen weitgehenden Ideen seiner Zeit vorauseilte und deshalb von vielen nicht verstanden wurde. Er hat es auch nicht mehr erlebt, daß Afrika der Schauplatz der deutschen Colonialbestrebungen wurde, daß der deutsche Handel an seinen Küsten aufblühte, daß die großen Wasserwege ins Innere des dunkeln Erdtheils erforscht und zugänglich wurden, der Kampf gegen den Menschenraub und Sklavenhandel aufgenommen wurde, daß Telegraphenlinien die afrikanische Welt mit der europäischen verbinden und die afrikanischen Ströme und Seen von Dampfern belebt sind. Was er aber für Afrika ersehnte und voraussagte, davon hat sich seitdem manches erfüllt oder doch angebahnt. Auch darin, daß er dem dunkeln Erdtheil eine hohe Bedeutung für die Colonialbestrebungen zuschrieb und den afrikanischen Völkern noch eine Zukunft weissagte, hat die bisherige Entwicklung Afrikas ihm Recht gegeben. – Von Abokobi aus führten ihn seine Predigtreisen in das 15 Stunden entfernte palmenreiche Kroboland und dessen Hauptort Odumase, wo der heidnische König dem Christenthum günstig gesinnt war. Z. siedelte deshalb Ende 1859 dahin ganz über und begründete damit die Mission unter dem rührigen Krobo-Volk. Neben seiner Evangelisationsthätigkeit setzte er auch hier seine Uebersetzungsarbeiten fort und trieb – meist in später Nachtzeit – seine Studien in Theologie, Geschichte, Geographie und Völkerkunde. Zugleich dehnte er seine Predigtreisen bis über den Woltafluß hinüber aus und wies in Schrift und Wort darauf hin, daß es die Aufgabe der Mission sei, den Wolta entlang gegen das Innere vorzugehen. Diesem Wink ist dann auch später Folge geleistet worden, wie er denn überhaupt für manchen Arbeitszweig die Anregung gab. Obschon unter dem Einfluß eines höchst ungesunden Klimas stehend, das die meisten Missionare schon nach kurzer Arbeitszeit nöthigt, Erholung in der Heimath zu suchen, oder sie in ein frühes Grab sinken läßt, konnte er sich doch erst nach 22jähriger ununterbrochener Arbeit dazu entschließen, das Land, das ihm zur zweiten Heimath geworden war, für kurze Zeit zu verlassen. Er kehrte mit seiner Familie 1872 nach Süddeutschland zurück und erregte hier durch seine Vorträge, wie durch seine ganze Erscheinung allgemeines Aufsehen. Seine Begeisterung für Afrika, mit der er zu neuen Aufgaben aufrief und ungewöhnliche Probleme entwickelte, Erfolge prophezeite und Vorurtheile zu widerlegen suchte, war außerordentlicher Art. – Es litt ihn nicht lange in Europa, und schon im folgenden Jahr (1873) befand er sich wieder auf der Goldküste, wo er als Litterat und Präses der Gã-Mission theils in Abokobi, theils in Christiansborg in der Arbeit stand. Aber seine Tage waren gezählt. Ein schweres Leiden verzehrte seine Kräfte, doch hoffte man noch eine Wiederherstellung für ihn in Europa. Nur mit Schmerzen riß er sich von seinem Afrika, wo er bis zum letzten Athemzug zu arbeiten [270] gehofft hatte, los und schiffte sich mit dem Schreiber dieses nach Europa ein. Körperlich und geistig erschöpft langte er im September 1876 in seinem Geburtsort Gerlingen an und verschied hier schon am 13. December dss. Js. – In ihm verlor die Basler Mission einen ihrer hervorragendsten Missionare, der nicht nur als Sprachforscher, sondern auch als Prediger, Lehrer und Dichter unverwischbare Spuren seines gesegneten Wirkens auf dem Arbeitsfelde hinterlassen hat. Sein allseitiges Wissen, sein weiter Blick, seine ganze geistvolle Persönlichkeit übten die anregendste Wirkung auf seine Umgebung aus. Wie ein Patriarch waltete und wirkte er unter seinen Negern, die ihn wie einen Vater verehrten. War er doch dem Afrikaner zum Afrikaner geworden; darum verstand auch keiner wie er des Negers Eigenart. Selbst im Punkt der Bedürfnißlosigkeit wußte er sich ihm anzupassen. Und wie er selbst mit ganzer Seele seinem Berufe lebte, so wußte er auch seine jüngeren Mitarbeiter für ihre Missionsaufgabe zu begeistern und sie hiefür anzuleiten. Zahlreich sind seine litterarischen Erzeugnisse in der Gã-Sprache. Von seiner Bibelübersetzung erschien das Neue Testament noch vor seinem Tode in dritter, revidirter Auflage. Ueber seine Missionspläne und Gedanken hinsichtlich der Zukunft Afrikas hat das Missions-Magazin 1877 ein beachtenswerthes Schriftstück veröffentlicht, das er nur wenige Monate vor seinem Tode für seine deutschen Landsleute und zu Gunsten seiner geliebten Afrikaner unter dem Titel: „Letztes Wort eines alten afrikanischen Missionars an sein deutsches Vaterland“ niedergeschrieben hat. Die von ihm gegründeten Stationen und von ihm gesammelten Christen, sowie seine trefflichen litterarischen Werke werden sein Andenken auf der Goldküste nie erlöschen lassen.

Ein Missionsjahrhundert von J. Hesse. Calw 1893. – Evangel. Missions-Magazin 1877, S. 225 ff. – Eigene Erinnerungen.