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ADB:Rebmann, Johann

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Artikel „Rebmann, Johannes“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 485–489, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rebmann,_Johann&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:24 Uhr UTC)
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Rebmann: Johannes R., ein in Basel und England gebildeter Missionar, ist in Gerlingen bei Stuttgart am 16. Januar 1820 geboren und am 4. October 1876 in Kornthal gestorben. Er ging aus einfachen Verhältnissen hervor. Sein Vater war Bauer und Weingärtner. Schon in der Volksschule zeigte sich seine Begabung; er lernte schnell lesen, und die Bibel ward ihm sein liebstes Lesebuch; seine Mitschüler nannten ihn deßhalb nur den Pfarrer; der Schullehrer erklärte ihn öffentlich für seinen bravsten Schüler, was, wie er bekennt, ihn gerade in den Leichtsinn getrieben habe. Ein Vicar ertheilte den Confirmandenunterricht, ohne seine Schüler in den Mittelpunkt der evangelischen Lehre einzuführen. Nach seiner Confirmation fand er bei seinem Vater Arbeit genug. Wie in Württemberg überhaupt wol in den meisten evangelischen Gemeinden Privatversammlungen der christlich angeregten Leute stattfinden, so auch in Gerlingen. Auch der junge R. hielt sich zu ihnen, und gleich in der ersten Stunde wurde die Missionssache behandelt. Daß sich R. von nun an fest an die Versammlung anschloß, trug ihm den Spott der Welt ein. Bei ihm aber begann der ernste Kampf zwischen Geist und Fleisch, welchen er in seinem nach Basel geschickten Lebenslaufe auf eine ergreifende Weise schildert. Obwol noch ein junger Mensch, regte sich in ihm mächtig der Gedanke, Missionar zu werden. Sein kenntnißreicher Pfarrer Stange stellte ihm das Zeugniß aus: „R. ist nach Geist und Herz, nach natürlichen Anlagen und Leibesconstitution, vor allem aber nach dem Leben, das aus Gott ist, zum Missionsdienste tauglich.“ Obwol erst 19 Jahre alt, berief ihn das Comité, um in Basel seine Vorbereitung für den Missionsdienst auszuführen. Weil aber Basel damals noch nicht genug selbständige Missionsarbeit hatte, so wurde er an die kirchliche Missionsgesellschaft in London abgetreten. Wir besitzen eine Reihe von Briefen von ihm an den damaligen Inspector Hoffmann, späteren Generalsuperintendenten in Berlin, in welchem er seine Erlebnisse in Islington schildert, bis er endlich vom Bischof von London nach vorausgegangener Prüfung zum englischen Geistlichen ordinirt ward. In Ostafrika arbeitete Dr. Krapf schon längere Zeit, man möchte fast sagen, fruchtlos, doch bedurfte er dringend Unterstützung. Dazu wurde nun sein Landsmann, unser R., bestimmt. Die Reise dahin um das Cap der guten Hoffnung währte lange. Endlich ist er in Mombas bei Dr. Krapf und freut sich „der grossen Stärkung und Förderung“, die er bei ihm reichlich findet. Mit ihm machte er bald einen Besuch im Wanikalande, und in dem Dorfe Rabbai Empia wurden sie freundlich aufgenommen. R. meint, es sei ihnen hier eine große Thüre geöffnet. Später mußten sie schmerzliche Erfahrungen machen. Gegen Ende des August 1846 machten sich die beiden Männer auf den Weg, ihre Mission in Rabbai zu beginnen; es war ein Leidensweg, denn sie litten am Fieber. R. giebt eine rührende Schilderung. Krapf war sterbenskrank, und [486] R. hätte am liebsten alle 20 Schritte geruht. Endlich sind sie am Ziele angekommen. Was für Noth hatten sie nun, bis eine Hütte, die nicht viel besser war, als die der Wanikas, hergestellt war. Nur mit Mühe gelang es ihnen, den Heiden das Vorurtheil zu nehmen, daß sie nicht gekommen seien, Handel zu treiben, sondern ihnen den Rath Gottes zur Seligkeit der Menschen zu verkündigen. Es währte nicht lange, so bauten sie sich eine andere Wohnung, unter dem Namen Kisiludini bekannt, etwa eine halbe Stunde von Rabbai entfernt. Weil überhaupt Ostafrika ein unbekannter Continent war, so entschlossen sie sich, Reisen ins Innere zu unternehmen. Eine solche und zwar eine bedeutende führte R. aus. Das Ziel war das Schneeland Dschagga. Wir haben eine ausführliche Beschreibung derselben. In sieben Tagen kam er mitten durch die Wüste an das Gebirg Bura, das aus mehreren Bergketten bestand. Als er die zweite Kette bestieg, war er ganz entzückt über die herrliche Gegend. „Wie prächtig“, ruft er aus, „ist doch die ganze Landschaft in ihrer reichen Mannigfaltigkeit von Bergen, Hügeln und Thälern mit dem üppigsten Pflanzenwuchs! Ich glaubte, in den Jurabergen oder in der Gegend um Cannstatt in meinem Vaterlande zu wandeln, so schön war das Land, so lieblich das Klima. Ich wandelte über Berg und Thal so leicht und froh wie dort.“ An einem Sonntage schreibt er: „Es war mir, als ob die Natur mit mir den Sonntag feierte. Die hoch anstrebenden Berge mit ihrer üppigen Vegetation und der mannichfaltige, schöne Gesang der Vögel priesen mit mir ihren Schöpfer … Der tiefe Abfall des Menschen von Gott zeigt sich in diesen Ländern namentlich auch darin, daß die Natur über ihn herrscht, statt er über die Natur.“ Am 11. Mai kamen die Gebirge von Dschagga in Sicht, aus deren Mitte wie ein König ein Bergkegel hervorragte, dessen Gipfel mit ewigem Schnee geziert war. Es war kein anderer Berg, als der nun allgemein bekannte Kilimandscharo. An der Küste hatten beide Missionare öfters von diesem Schneeberge gehört. Jetzt sah ihn R. zum ersten Male. Endlich wollte er wieder zurückreisen und schreibt: „Ehe ich von dem schönen Berge herunterging, auf dem ich eine so großartige Aussicht genossen hatte, betete ich aus der Tiefe meines Herzens für alle Völker umher: „Dein Reich komme!“ Noch im November desselben Jahres (1848) machte sich R. abermals auf den Weg, um nach Kikuyu, nordwestlich von Dschagga, vorzudringen. Es war trockene Jahreszeit; sein Weg führte ihn 6 Stunden vom Fuß des Kilimandscharo vorüber. Die Umrisse dieses interessanten Gebirgsstockes zeigten sich in voller Klarheit, sogar bei Mondschein konnte man ihn erkennen; aber die Kälte war so empfindlich, wie im November Europas. Das Land, das er bereiste, war von Thälern durchschnitten, wohl 2000 Fuß tief, und durchströmt von Bächen und Flüssen, deren er in anderthalb Tagen zwölf zählte, die er sämmtlich zu überschreiten hatte. Hier hörte R. zum ersten Male von großen Seen, die weiter im Inneren lägen. Auch von einem Lande Uniamesi, das weiter im Westen liege, sprach man ihm. Als er zurückgekehrt war, trat den beiden kühnen Männern der Gedanke wieder nahe, eine Reise bis in die Mitte des Erdtheils und, wenn möglich, bis an die Westküste zu versuchen. Hatte doch der König von Madschame versprochen, zur Ausführung behülflich zu sein. Und wirklich machte sich, reichlich ausgerüstet, unser R. am 6. April 1849 auf den Weg; Dr. Krapf begleitete ihn bis Kadiaro. Es war ein sehr beschwerliches Unternehmen. Was aber den Reisenden am meisten schmerzte, war die Treulosigkeit des Königs, welcher statt dem Wanderer Schutz und Freundschaft zu gewähren, ihn seiner Habseligkeiten beraubte. Da entschloß er sich, wieder umzukehren. Nur noch eine Tagereise von Rabbai entfernt, konnte er unter der langen Anstrengung und bei dem Mangel an gehöriger Speise fast nicht mehr fortkommen. Bei dem ersten [487] Wanika fand er etwas bessere Speise und kam am 27. Juni glücklich in Rabbai an, wo inzwischen zwei Gehilfen, die Missionare Erhardt und Wagner, angekommen waren. Er sah mit Dr. Krapf ein, daß man mit der weiteren Entdeckung des Inneren von Afrika Geduld haben müsse. Schön und wahr sagt R. in seinem Reisebericht: „Wenn des Herrn Stunde gekommen ist, so wird kein König mehr den eindringenden Missionar aufhalten können.“ Die Schneeberge Ostafrikas und namentlich das Binnenmeer, von welchem die Missionare nach Europa schrieben, wurde von vielen Seiten als ein Hirngespinnst mit Spott und Hohn übergossen. Sie zeichneten sogar eine Karte, welche im Calwer Missionsblatt erschien. Sie gaben die Kartenskizze nicht als eine fertige und unwiderlegbare Thatsache, sondern wollten blos zu weiteren Nachforschungen anregen. Was man in Deutschland und anderwärts verspottet hatte, das betrachtete die königliche geographische Gesellschaft in London mit Ernst und veranlaßte eine Expedition der Kapitäne Burton und Speke zur Erforschung der Angaben. Was für interessante Entdeckungen diese muthigen Männer, welche selbst Freunde der Missionare waren, gemacht haben, liegt aller Welt vor Augen. Es gehört nicht hierher, näher darauf einzugehen. R. fühlte das Bedürfniß, in den Ehestand zu treten. Die Auserwählte war Mrs. Tyler, die er in Kairo als Lehrerin in der Lieder’schen Schule als gewünschte Gattin kennen gelernt hatte. Obwol sie 10 Jahre älter war, als er, war es eine glückliche Ehe. Kinder hatten sie keine. Im Januar 1852 kehrte er mit ihr nach Ostafrika zurück. Auch seine Gattin wußte sich in die Nöthe der ostafrikanischen Mission zu finden. Sie hatten eine höchst bescheidene, jedoch zureichende Wohnung in Kisiludini, welches, wie gesagt, eine halbe Stunde von Rabbai auf der Grenzscheide des Wanika- und Wakambagebietes liegt. Hier war der Mittelpunkt der Missionsarbeit. Schon Dr. Krapf hatte mit angestrengtem Fleiße sich die verschiedenen Sprachen der umliegenden Stämme angeeignet, und nun trat auch R. mit Begabung in diese Arbeit ein. Grammatisch und in Wörterbüchern wurden die Sprachen behandelt, auch einzelne Theile der heiligen Schrift in dieselben übersetzt. Was den Missionaren aber die meiste Noth verursachte, war der harte Boden der Heiden. Die Klagen der Missionare darüber sind oft erschütternd. Stumpfheit, Grausamkeit und Wollust beherrschten die Herzen derer, an denen sie zu arbeiten hatten. Dazu kamen die Einflüfterungen der Muhamedaner, welche die Heiden mit Mißtrauen gegen die Missionare erfüllten. In einer Denkschrift der Missionare vom Jahre 1854 an ihr Comittee in London sprachen die Missionare es geradezu aus, daß nach ihrer Ueberzeugung die Zeit für eine Mission in Ostafrika noch nicht gekommen sei, daß sie jedoch auch bereit seien, in Geduld ihre mühevolle Arbeit fortzusetzen, wenn es das Comittee wünsche. Dieses wünschte es mit Hinweis, daß in manchen anderen Missionsgebieten die Zeit der Prüfung noch viel länger gedauert habe. Weil zwei Kräfte, Krapf und Erhardt, wegen gebrochener Gesundheit gezwungen waren, Ostafrika zu verlassen, so war es unserem R. sehr erwünscht, den Missionar Deimler, welcher sich in Bombay ein Jahr lang für diese Mission vorbereitet hatte, im Jahr 1856 als Gehilfen zu erhalten. Da starb auf einmal der alte Imam von Maskat, welcher bisher die Stütze der Missionare gewesen war. Der Consul in Sansibar rieth den Missionaren, Kisiludini zu verlassen, weil schreckliche Kämpfe um die Thronfolge bevorständen. Auch der fromme Commodore Trotter, der die Missionare besuchte, rieth ihnen, sich auf sein Kriegsschiff zu begeben. Deimler nahm die Einladung an, dagegen blieb R. mit seiner Gattin, und hatte die Freude, die beiden Kapitäne Burton und Speke in seiner einsamen Wohnung zu empfangen. Da verbreitete sich auf einmal das Gerücht, daß die Masai, einer der wildesten und grausamsten Stämme, [488] im Begriff seien, in das Gebiet der Wakamba und Wanika, ja bis an die Küste einen Plünderungs- und Raubzug auszuführen. Bald brach auch der Feind wie ein Gewitter über sie herein. Ganze Familien wurden umgebracht, weder Alte noch Junge, weder Weiber noch Kinder wurden geschont. Der einzige bekehrte Wanika Abe Gundsche entkam mit seiner Familie. Auch die Missionare entflohen. R. schreibt: „Endlich am 14. Februar schifften wir uns von Mombas nach Sansibar ein. Es hindert mich nichts, nach Europa zurückzukehren; allein der Wunsch, die Sprache der Wanika noch gründlicher zu studieren, hält mich hier noch wahrscheinlich bis zum Herbst zurück. Denn dessen bin ich gewiß, daß die ostafrikanische Mission nicht wirklich aufgegeben, sondern nur für eine Zeit unterbrochen ist, bis der Herr die Thüren wieder öffnet.“ Sie öffneten sich wirklich, die Heimsuchung durch die Masai hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Wie freute sich Krapf, als er nach zehn Jahren eine kleine Christengemeine von Wanika begrüßen durfte. Dieses Gemeinlein wurde vermehrt und gestärkt durch christliche Afrikaner, die in Bombay namentlich durch Missionar Isenberg gebildet und vorbereitet waren. Aber nach diesen für R. frohen Erlebnissen traf ihn ein schwerer Schlag. Es starb ihm nämlich am 8. November 1866 sein ihm so theures Weib. Er sagt von ihr: „In der dunkelsten Zeit der ostafrikanischen Mission stand sie mir mit Treue und Hingebung zur Seite, und ich werde immer auf sie als eine für eine Lage, die in dem von den Europäern so gefürchteten Ostafrika so viele Entbehrungen mit sich brachte, besonders ausgerüstete Person zurückblicken. Ihr Gedächtniß wird in der ostafrikanischen Mission im Segen bleiben, obgleich sie, theils wegen ihres vorgerückten Alters, theils aus Mangel an Sprachbegabung der Landessprache nicht so weit Meister wurde, daß sie sich mit Leichtigkeit mit den Eingeborenen unterhalten lernte. Schon jetzt spüre ich unter den Frauen eine größere Bereitwilligkeit, zu Jesu zu kommen.“ Das letzte Lebewohl der Sterbenden war ein freundliches Lächeln. Es ist bekannt, daß man von Seiten Englands damit umging, wie in Westafrika, so in Ostafrika eine Colonie für befreite Sklaven anzulegen. Dem Sklavenhandel ein Ende zu bereiten, war der bewährte Staatsmann Sir Bartle Frere beauftragt. Es war eine frohe Botschaft für den Veteran R., den gründlichen Kenner der Sprachen Ostafrikas. Daß er und seine Mitarbeiter bereit waren, für dieses edle christliche Werk einzustehen, versteht sich. Jedoch war ihm wenig Gelegenheit gegeben, hier einzugreifen; er wirkte in seinem Kisiludini in der Stille fort. Beinahe hätte den lieben Einsiedler seine Gesellschaft zurückgerufen; aber sie war froh, es nicht gethan zu haben, als im Jahr 1873 eine neue Zeit für Ostafrika anbrach. Er konnte nun ruhig von seinen Wanikachristen abreisen, freilich mit dem Gedanken, nach Afrika zurückzukehren, wenn der abgearbeitete Mann sich wieder erholt hätte. Er kam im April 1875 mit seinem Begleiter Nyendo nach England, um eine Augenoperation an sich vornehmen zu lassen. Sie gelang auch an einem Auge, das andere war verloren. Daß er seine Heimath Gerlingen nach 31 Jahren zuerst wieder aufsuchte, ist begreiflich. Der Aufenthalt in den heimathlichen Verhältnissen bei naßkaltem Herbstwetter taugte nicht für einen Mann, welcher drei Jahrzehnte im heißen Afrika gewesen war. Er erkrankte aufs heftigste an Lungenentzündung und verlor sein Augenlicht ganz. Dr. Krapf holte ihn nach Kornthal ab und fand eine Pflegerin, die den Missionar als Kind kennen gelernt hatte. Als ihr aber der Antrag gestellt wurde, R. zu heirathen, konnte sie sich nur schwer dazu entschließen. Endlich entschloß sie sich zu dem Ehebunde, da strahlte Rebmann’s Angesicht, und er fing an, den 103. Psalm zu sagen. Er hätte wirklich keine geeignetere Gehilfin finden können. Zu seiner Erholung gingen sie mehrere Wochen in das Bad Liebenzell, was [489] ihm auch gut that, denn er wollte wieder gesund und stark werden, um nochmals nach seinem geliebten Afrika zurückzukehren. Eine abermalige Lungenentzündung warf ihn aufs Krankenlager. Als seine Frau weinte, fragte er sie: „Warum weinst Du? Ich sterbe noch nicht; ich habe noch viele Arbeit vor mir.“ Ein kurzer Todeskampf nahm ihn hinweg. Er war gerade so alt geworden, wie seine erste Frau. Zu dem Suaheli-Wörterbuche des Dr. Krapf hat er viele Zusätze beigefügt, während ein anderes Suaheli-Wörterbuch von ihm allein herrührt.

Aus Tagebüchern des Archivs des Baseler Missionshauses, aus dem Baseler Missionsmagazin und Tagebüchern Rebmann’s.