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ADB:Krapf, Johann Ludwig

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Artikel „Krapf, Johann Ludwig“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 49–55, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Krapf,_Johann_Ludwig&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 14:20 Uhr UTC)
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Krapf: Johann Ludwig K., evangelischer Missionar und Ostafrikareisender, geb. am 11. Jan. 1810 in Derendingen bei Tübingen, † am 27. Nov. 1881 in Kornthal. Seine Eltern waren wohlhabende Bauersleute von altem Schrot und Korn. Ludwig war etwa 11 Jahre alt, da mißhandelte ihn ohne allen Grund der Dorfschneider so, daß er ein halbes Jahr krank darniederlag. In dieser Zeit beschäftigte er sich viel mit der Bibel und andern Andachtsbüchern. Wenn er, was er gerne that, den Leuten auf dem Felde biblische Geschichten lebhaft erzählte, sagten sie: „der Ludwig wird noch Pfarrer werden“. Und die Umstände entwickelten sich so, daß es wirklich in gewissem Sinne dazu kam. Der Vater brachte selber den 13jährigen Sohn in die Lateinschule des nahen Tübingen. Er machte durch seine Begabung und Fleiß so rasche Fortschritte, daß er noch in dem nämlichen Jahre 1823 eine Classe überspringen konnte. Er behauptete immer den ersten Platz, und Jedermann hatte eine Freude an ihm. Von Religion war in der Schule wenig die Rede, und kam es einmal dazu, so war es der armselige Rationalismus, K. aber suchte mehr und grub tiefer. Neben dem Studium der alten Klassiker zog ihn besonders die Geographie an. Beim Durchblättern eines Atlas fielen seine Augen auf Ostafrika, das große Werk von Bruce über Abessinien, das er durchlas, fesselte ihn sehr. Wer hätte damals gedacht, daß gerade jenes Stück Erde der Schauplatz seiner Reisen und Arbeiten werden würde? Der Gedanke, die weite Welt zu sehen, bewegte ihn damals und nachher mächtig. Eines Tages las der Rector in der Schule eine kleine Schrift über die Mission unter den Heiden vor und befahl den Schülern, in drei Tagen darüber einen Aufsatz zu liefern. Noch nie hatte K. über die Mission etwas gehört. Jetzt wurde ihm mit einem Male klar, daß die Mission das Ziel sei, welches Gott für ihn im Auge habe. In einer Vakanz reiste er im J. 1826 nach Basel, um sich zum Missionsdienste zu melden. Er war natürlich zu jung, um in das Missionshaus aufgenommen zu werden, aber der edle herzliche Inspector Blumhardt hatte einen solchen Eindruck auf ihn gemacht, daß er mit demselben in inniger Verbindung blieb. Der Jüngling betrieb eifrig seine Studien und wuchs auch am innern Menschen. Im Frühjahr 1827 kam zu seiner Freude der Ruf zum Eintritt ins Basler Missionshaus. Sein Vater geleitete ihn selber nach Basel. Weil der junge Mensch, von Idealen geleitet, meinte, hier werde er lauter vollkommene Menschen finden und selber Riesenschritte in der Heiligung machen, und das nicht so fand, verlor er die Freudigkeit zum Missionsdienste. Was ihn noch darin bestärkte, war das eigentlich verbotene Lesen mystischer Schriften einer Madame Guyon, eines Jakob Böhme. Er bat um seine Entlassung und erhielt sie auch. In Derendingen trat eine Ernüchterung ein, er verwarf in einem Briefe an Burkhardt jene mystische Erregung, er habe verkehrt und in heftiger Eile gehandelt. Im J. 1829 machte er sein Abiturienten-Examen und bezog die Universität Tübingen um Theologie zu studiren. Die trockene Wissenschaft einiger Professoren genügte ihm nicht. Die Bekanntschaft mit Oetinger’s und Michael Hahn’s Schriften hielten ihn jedoch beim Studium der Theologie. Im Jahre 1834 hatte er seine theologischen Studien vollendet, was nun? Sein alter Sinn zur Missionssache wachte wieder mächtig in ihm auf, aber er ließ sich nun in einigen Gemeinden als Vikar verwenden und ward auch Hauslehrer bei einem Pfarrer. Bei einem Besuche in Stuttgart traf er einen seiner lieben Freunde von Basel her, den Missionar Fjelstädt, der ihm den Missionsberuf dringend an das Herz legte und er ließ sich leicht überreden. So fand das Ende seines Lebensganges wieder den Anfang. Er trat wieder ins Basler Missionshaus. Im J. 1836 ließ der Secretär der kirchlichen Missionsgesellschaft von England ihn fragen, ob er als Missionar nach Abessinien gehen wollte. Schon am Anfange [50] des folgenden Jahres finden wir ihn auf der Reise dahin. In Malta traf er den Missionar Gobat, den späteren Bischof von Jerusalem, welcher eben aus Abessinien gekommen war, und ihm nützliche Winke für seine Reise und die Arbeit in Abessinien gab. Nach einigen heftigen Stürmen kam er in Alexandrien an und sah auf einem Sklavenmarkte in Kairo den herzdurchschneidenden Jammer Afrika’s. Erst im Herbste konnte er abreisen und benutzte die Zwischenzeit, sich mit dem Vulgär-Arabischen bekannt zu machen, was ihm bei seiner Sprachengabe leicht gelang. Unter den größten Schwierigkeiten drang er in Abessinien ein, unterstützt von 60 Abessiniern, welche ihm der Missionär Isenberg entgegengesandt hatte, der zu seiner Freude an Krapf einen Mitarbeiter erhielt. Sie hatten ihren Aufenthalt in Adoa, der Hauptstadt von Tigre. Hier herrschte der Fürst Ubin, der sich bisher den Missionaren freundlich bezeigt hatte; er wurde aber von der Priesterschaft und den Großen, zuletzt noch von einem römischen Priester so bestürmt, daß er endlich den Befehl an die Missionare erließ: „Stehet auf und geht in euer Land zurück“. „Wir trauern gemeinsam über den Verlust unserer Mission“ schrieb K. damals. Während Isenberg und ein anderer Mitarbeiter Blumhardt sich nach Aegypten zurückzogen, entschloß sich K. nach Schoa, der südlichen Provinz Abessiniens zu reisen, wo ein wohlgesinnter König Sahela Selassin regierte. Im Januar 1839 ging er mit Isenberg, welcher seinen Freund nach Schoa begleiten wollte, dorthin. Der König nahm sie freundlich auf. Während Isenberg zurückkehrte, begleitete K. den König auf einem Kriegszuge gegen die feindlichen Galla, deren Bekehrung unserm K. besonders am Herzen lag. In Ankober, der Hauptstadt Schoa’s, begann er nun eine Schule, die nach und nach Anklang fand, aber die wilden Galla hatte er für seine Missionsthätigkeit mehr im Auge, als die erstorbene abessinische Kirche. Ihre schöne Sprache studirte der Sprachenmann gründlich, und übersetzte bald die Evangelien und den Römerbrief in ihre Sprache (über die Galla lese man das „Gallabüchlein“ von K. F. Ledderhose mit einem interessanten Aufsatze Krapf’s über „die Galla-Nation“, 3. Aufl., Basel bei C. F. Spittler). Er fühlte sich zu den heidnischen Galla hingezogen, die wohl eher das Wort vom Kreuz annähmen, indem „die abessinischen Christen es nur noch in ihren hölzernen oder eisernen Kreuzen kennen, während ihr Herz Eisen geworden ist“, sagt er. Vergeblich war jedoch seine Arbeit unter den Abessiniern nicht. Der König schätzte seine Dienste so, daß er ihm das Silberschwert verlieh, wodurch er den Rang eines Gouverneurs erlangte. Damals entschloß er sich, mit Rosine Dietrich von Basel in Kairo in den Ehestand zu treten, und zwei Mitarbeiter mitzunehmen. Die Reise war eine durch Schicksale aller Art ausgezeichnete. Während seiner Abwesenheit bestürmten die Priester den König von Schoa, den Missionaren die Erlaubniß zur Rückkehr zu verweigern, indem sonst das Volk vom Glauben seiner Väter abfallen werde. Auch ein Franzose gewann in diesem feindseligen Sinne Einfluß auf den König, so daß dieser wirklich die Missionare ausschloß. Krapf’s litterarische Thätigkeit fand in Europa Anerkennung. Er hatte seltene und unbekannte äthiopische Handschriften gesammelt und der gelehrten Welt zugänglich gemacht. Im J. 1842 ernannte ihn die Tübinger Universität zum Doctor der Philosophie. Unerschüttert in seinem Glauben an den endlichen Sieg der Mission beschloß er nun den Versuch, im Süden der Ostküste Afrikas festen Fuß zu fassen, um von dort aus die Galla, die sich bis zum Aequator hinabziehen, zu erreichen, und ihre Sprache verstand er ja.

Im Januar 1844 landete er auf der Insel Sansibar, wo der Sultan Said Said, der ein großes Stück beherrschte, residirte. Er, und der englische und amerikanische Consul zeigten sich sehr zuvorkommend. K. stellte dem Sultan seine Erlebnisse in Abessinien mit Offenheit dar, und freute sich, von demselben [51] alle Hülfe zu erhalten. Obwol der Sultan ihn vor den Galla warnte, so entschloß sich der eifrige Missionar dennoch, ins Innere zu denselben einzudringen. Wußte er doch, daß, wenn die Boten des Evangeliums dem Islam nicht zuvorkommen, dieses Ungeheuer, wie er ihn nennt, die Galla und andere Völker Afrikas verschlingt. Er kam nach der Insel Mombas. Hier traf er heidnische Wannika, und es kam ihm der Gedanke, gerade diese Insel zu einer Anfangsmission für diese Küste zu erwählen, und hier die weit verbreitete Suahilt- und Kinika-Sprache zu erlernen, und Ausflüge in das noch unbekannte Innere von Ostafrika zu machen und das Evangelium zu verkündigen. Es gab keine Grammatik und kein Wörterbuch dieser Sprachen, aber mittelst des Arabischen überwand er die Schwierigkeiten und brachte es bald so weit, daß er mit Hülfe eines Eingeborenen die Uebersetzung des ersten Buches Mosis beginnen konnte. Hier ergriff ihn und seine Frau das Fieber, er hatte den Schmerz, sie zu verlieren und bald nachher sein Töchterlein neben ihr Grab zu betten.

Im Juni 1846 traf der längst erwartete Mitarbeiter Joh. Rebmann von Gerlingen in Württemberg bei ihm ein. Während K. ein Mann von Beweglichkeit und weitaussehenden Gedanken eine ganze Kette von Missionsstationen von Mombas quer durch Afrika bis zum Niger im Westen in seinem Geiste sah, beschloß der ruhige Rebmann, sich an einem Orte bleibend niederzulassen. Das hoch und gesund gelegene Wanikdorf Rabbai Mpia wurde als Missionsniederlassung erwählt. Die Häuptlinge ertheilten willig die Erlaubniß. Diese Willigkeit war schon eine Frucht der Krapf’schen Arbeit. Vom Fieber geschwächt konnten die beiden Männer kaum ihr Ziel erreichen und mußten sich eine nothdürftige Hütte und eine solche größere für den Gottesdienst selber bauen. Es waren tief versunkene Heiden, diese Wanika, an denen diese Männer zu arbeiten hatten. An Treue ließen sie es nicht fehlen, und die Treue wird endlich belohnt. Sie merkten wirklich, daß es ein Stück vorwärts ging. Ueber dem Kleinen vergaß K. nicht das große Ganze, das ihm vor der Seele schwebte. Er, sowie Rebmann machten von Zeit zu Zeit Reisen in das früher gänzlich unbekannte Innere Ostafrikas. Auf einer Reise in das Dschaggaland im Jahre 1848 entdeckte Rebmann den 18000 Fuß hohen Schneeberg Kilimandscharo, und im Juli desselben Jahres besuchte K. südwestlich von Mombas das Land Usambara oder Usambala. Er hat diese und andere Reisen in seinem 2bändigen Werke: „Reisen in Ostafrika“ ausführlich beschrieben. Es ging durch eine Wüste, und sie hatte für ihn viel Anziehendes. Etliche Gepäckträger begleiteten ihn, und obwohl er ein paar Mal in Lebensgefahr gerieth, so lief die Reise doch glücklich ab. Am 10. August erschien er vor Kmeri, dem König von Usambara, der ein verhältnißmäßig gutes Regiment führte, und legte ihm die Absicht seines bisherigen Wirkens dar. Der König willigte freundlich ein, einen Missionar aufzunehmen. Als K. zurückgekehrt war, fand er den ihm zugegesandten Missionar Erhardt und einen europäischen Diener, der aber leider vom Fieber ergriffen, nur zu bald starb. Die Wanika sahen jetzt zum ersten Mal eine christliche Leichenbestattung. 1849 wollte K. noch weiter ins Innere vordringen. Er wählte als Ziel das Land der Wakamba, nämlich Ukambani. Den ersten Häuptling hatte er an der Küste bereits kennen gelernt. Im November machte er sich mit einer Anzahl von Wamba und Suaheli auf den Weg. In großer Wassernoth entdeckte er endlich den Fluß Zawo. Wie erquickt waren sie jetzt! In dem Wakambagebiet staunten alle den Mann des großen Wassers an und wollten alles sehen und betasten, was er trug und an sich hatte. Sie benahmen sich achtungsvoll und hörten ihm gerne zu. Nach einer Reise von vier Wochen traf er bei dem Oberhaupte Kiwoi ein, der es sich zur Ehre rechnete, daß ihn ein Europäer besucht habe. Er und seine Großen richteten [52] viele Fragen über Europa an K., und er benutzte die Gelegenheit, ihnen das Evangelium zu verkündigen. Er konnte sich aber nicht entschließen, mit Kiwoi an den Danafluß zu reisen, besonders da er sich nicht ganz wohl fühlte. Auf dieser Reise sah er zum ersten Mal den Schneeberg Kenia, der auch 18000 Fuß hoch war. Auf der Rückreise hatte er Wasser genug. Am 21. December traf er wieder mit seinen Mitarbeitern in Rabbai Mpia zusammen.

Zur Stärkung seiner Gesundheit hielt er eine Reise nach Europa für nöthig. Nach einer Abwesenheit von 13 Jahren und nachdem er noch vorher eine Küstenfahrt bis zum Kap Delgado gemacht hatte, kam er im Sommer 1850 gerade zu den Basler Festen, die ihn sehr erquickten. Württemberg und namentlich seine Heimath Derendingen wurden natürlich nicht vergessen. Ueberall war Freude. In England fand der durch seine Entdeckungsreisen berühmt gewordene Mann selbst in den höchsten Kreisen, bei dem Prinzen Albert, bei dem Minister Palmerston, bei dem Erzbischof von Canterbury und andern großes Interesse. Von größerer Wichtigkeit für den Missionar war die freundliche Aufnahme, welche seine Vorschläge für die ostafrikanische Mission bei seinem Komité fanden. Gedruckt sollten werden seine Grammatik und Wörterbuch in Kisuaheli, das Evangelium in Kikamba, und drei deutsche Missionare so wie drei deutsche Mechaniker sollten im Januar mit ihm ziehen. Die Fortführung seiner Idee eines Missionsnetzes quer durch Afrika wurde damit in Angriff genommen. Der Gedanke, Kolonien anzulegen und die Arbeit zu theilen, indem sie für K. und Rebmann zu viel war, leitete sie. Seine Schriften wurden in Tübingen gedruckt. In Berlin erwies man ihm viel Ehre, Friedrich Wilhelm IV. und die Königin, Alexander von Humboldt, welcher seine Opposition gegen die entdeckten Schneeberge fallen ließ, der bewährte Geograph Ritter und andere freuten sich seiner Bekanntschaft. „Es war der Ehre zu viel“, schreibt der bescheidene Mann. Am 3. April 1851 langte die ganze Karawane in Mombas an. So hoffnungsreich der Anfang sich anließ, so sehr stimmten die nun erfolgenden Umstände seine Aussichten herab. Er mußte erfahren, wo viel Köpfe, da viel Sinne. Namentlich war ein Widerstreben bei dem Einen und Andern gegen die englische Kirche. K. hatte einen vorwärts eilenden Geist, während Rebmann und Ehrhardt sachte gehandelt haben wollten. Sie hatten während der Abwesenheit Krapf’s nicht weit von Rabbai Mpia in Kisuludini Missionswohnungen gebaut, um an der Küste einen festen Sitz zu haben, während K. mit Missionar Pfefferle nach Ukambani gehen sollte. Aber Tod und Krankheit, sowie Meinungsverschiedenheiten hielten die Sache auf. K. schreibt damals glaubensmuthig: „Afrika muß durch die Mission erobert werden, eine Missionskette muß zu Stande kommen zwischen Ost und West, und ob Tausende von Streitern fielen zur Linken und Zehntausende zur Rechten. Das habe ich im Heiligthum des Herrn gelernt“. In diesem Sinne unternahm er auch seine letzten Reisen in den Jahren 1851 und 1852. Der Tod des Missionars Pfefferle, der ihn nach Ukambani begleiten sollte, um dort eine Missionsstation zu gründen, veranlaßte keinen Aufschub, sondern mahnte ihn zur Eile. In Yata, einer gesund gelegenen Gegend, sollte die Station angelegt werden. Mit 30 Wanika machte sich K. im Juli auf den Weg, es schlossen sich noch etwa 100 von der Küste zurückkehrende Wakamba an. Es war ein gefährlicher Weg. Sehr lebhaft schildert K. diese Reise in seinem Werke. In Kitui nahm ihn sein Freund Kiwoi freundlich auf, er wollte den Reisenden an den Danafluß und an andere Orte führen. In der Nähe des Flusses wurden sie von Räubern überfallen und Kiwoi erschlagen. Und K. selber entkam nur mit knapper Noth. Die Rückreise, auf der ihm der Tod drohte, erfolgte unter großer Mühseligkeit, er kam in traurigem Zustande an, ein Bild menschlichen Elends. „Was ich ausgestanden habe, kann ich nicht recht sagen“, erklärte er seinen Freunden, zu denen bereits ein Gerücht [53] von seinem Tode gedrungen war. Das sah er aber ein, daß vor der Hand in Yata noch keine Missionsstation eingerichtet werden könne. Und doch verließ er im Februar 1852 Mombas, um womöglich in Usambara eine Station zu gründen. Den König dieses Gebiets Kmeri, kannte er. Mit zwei Söhnen des Königs welche er traf, machte er die Reise Berg auf Berg ab. Die Aufnahme bei dem Könige war eine sehr gnädige, er überließ dem Missionar auf seinen Wunsch den Berg Tongun in der Nähe des Panganiflusses zu einer Missionsansiedelung. Der König sah darin nur einen äußeren Nutzen. Zurückgekehrt trat K. wieder die Arbeit unter seinen Wanika an und sie trug auch Frucht, freilich nicht in dem Maße, wie er es wünschte.

Ehe wir den in seiner Gesundheit tief geschwächten Dr. K. in seine Heimath zurückbegleiten, müssen wir uns doch seine und seiner Mitarbeiter Verdienste um die Aufschließung Ostafrikas vergegenwärtigen. Geographisch und in Beziehung auf Völkerkunde sind die Verdienste bedeutend. Auf mannigfaltige Weise war den Missionaren die Gewißheit geworden, daß ein ungeheueres Wasserbecken im Innern vorhanden sein müsse. In diesem Sinne machten sie eine Karte, die zuerst 1856 im Calwer Missionsblatt erschien und dann auch von der geographischen Gesellschaft in London veröffentlicht wurde. Dieses afrikanische „Binnenmeer“ der Missionare wurde von vielen Seiten als ein Hirngespinnst leichtgläubiger, einfältiger Menschen verspottet. Aber sie hatten ja ihre Kartenskizze nur als Muthmaßung und mit dem Zwecke zu weiteren Forschungen entworfen. Und wie glänzend wurden sie gerechtfertigt, als die königl. geographische Gesellschaft die Expedition der Kapitäne Burton und Speke veranlaßte, um den Thatbestand zu erforschen. Man muß den interessanten Bericht dieser Männer über die Entdeckung der Seen lesen, um sich über die Verdienste Krapf’s und seiner Mitarbeiter dankbar zu freuen. Was ist inzwischen Großes in Afrika geschehen!

Um Weihnachten 1853 kam K. in sehr geschwächtem Zustande in Württemberg an, und im folgenden Jahre erstattete er seinem Komité Bericht von der Rabbai-Mission. Gegen die Aufhebung derselben stimmten die meisten Mitglieder, sie schickten sogar noch einen weiteren Missionar dahin. Da sich Krapf’s Gesundheit gebessert hatte, nahm er den Auftrag an, mit dem Chrischonabruder Flad zu dem König Theodoros von Abessinien zu reisen, der auf Bischof Gobat’s Anregung Handwerker in sein Reich aufnehmen wollte. Das Unternehmen gelang, aber K. konnte nicht daran denken, nach Ostafrika zu reisen und in die dortige Mission wieder einzutreten. Zurückgekehrt ließ er sich in Kornthal nieder, aber er sollte noch keine Ruhe haben, da er, obwol leiblich geschwächt, noch immer stark und beweglich im Geiste für sein Lebensziel, die Ausbreitung des Reiches Gottes unermüdlich thätig war. In der Nähe Basels auf einem Hügel steht ein der h. Chrischona geweihtes Kirchlein. Dieses hatte der glaubens- und liebesthätige Spittler von Basel, welcher fast alle christlichen Anstalten in und um Basel gegründet hatte, erworben, um daselbst hauptsächlich junge Handwerker für Zwecke des Reiches Gottes zu bilden. Er nannte das Werk Pilgermission, und es sind bereits von dort aus hunderte von Zöglingen ausgegangen, welche in der weiten Welt zerstreut im Segen wirken. Für dieses Werk wollte er gerade den Dr. K. als Inspektor gewinnen, und derselbe ließ sich auch zu diesem Amte bestimmen. Er hatte sich inzwischen zum zweiten Male verheiratet. Eine noch lebende Tochter war die Frucht dieser Ehe. Im J. 1859 zog er mit Sack und Pack nach dem schweizer Dorfe Riehen, das am Fuße des Chrischonahügels liegt, und scheute sich nicht, so weit seine Kraft reichte, immer den Hügel zu besteigen um den Zöglingen Unterricht zu ertheilen. Doch nach einem Jahre löste sich wegen der Kränklichkeit seiner Frau das Verhältniß und er zog sich wieder [54] nach Kornthal zurück, blieb aber ein sehr thätiges Mitglied des Komité, indem er einen wöchentlichen Halbkreuzer-Verein errichtete, wodurch er reiche Beiträge für die Pilgermission sammelte. Er nannte diese Kasse sein Oelkrüglein und es füllte sich zu seiner Freude immer wieder, besonders in Württemberg, in welchem er auf gewisse Kreise großen Einfluß ausübte. Doch er war zu sehr Missionar, um sich mit Geldsammeln allein zu begnügen. Er selber konnte nicht mehr ins Missionsfeld nach Afrika, aber that zu Hause Alles, um dort das Evangelium zu fördern. Und doch begleitete er, als der Ruf der englischen Methodistengesellschaft an ihn erging, zwei ihrer Missionare nach Ostafrika und hielt sich dort 16 Monate auf. Er gründete die Station Ribe, sein Grundsatz war, wie er selber sagt: „Die Station muß angefangen werden und sollte ich zu Grunde gehen“. Er und die beiden englischen Missionare erkrankten am Fieber. Sie erholten sich und der eine, Wakefield, brach von Mombas nach Ribe auf, um die Mission zu beginnen. Das Werk gelang und K. reiste wieder nach Kornthal zurück. Aber noch einmal sollte er nach Afrika kommen, in dem er so viel gelitten hatte und an dem doch sein Herz hing. So große Hoffnungen König Theodoros von Abessinien anfangs erweckt hatte, so tief sank er zuletzt und war ein blutdürstiger Tyrann geworden. Er hatte sich an englischen Unterthanen vergriffen und sie gefangen gesetzt. Die englische Regierung war deshalb gezwungen, zur Befreiung der Gefangenen und zur Herstellung ihres Ansehens einen Kriegszug gegen Theodoros zu unternehmen. Der richtige Dolmetscher, der zum Verkehre absolut nöthig war, war Dr. K., welcher die abessinischen Landessprachen verstand. Der Höchstkommandirende Lord Napier wünschte den in England wohlbekannten K. zum sprachkundigen Dolmetscher und landeskundigen Berather. K. nahm trotz seines Alters und seiner geschwächten Gesundheit den Ruf an, da die englische Regierung alle seine Bedingungen erfüllt hatte. Nach einer ergreifenden Abschiedsfeier in Kornthal mit Zurücklassung seiner leidenden Gattin und seines Töchterleins, schloß er sich einer Abtheilung des englischen Heeres in Sula an. Es kann hier dieser glücklich geführte Feldzug, der mit der Befreiung der Gefangenen und dem Selbstmorde des Theodoros endigte, nicht geschildert werden. Leider konnte er den Feldzug nicht bis zum Ende mitmachen, indem die Hitze des Tages und die Kälte der Nächte auf seine Gesundheit so nachtheilig einwirkte, daß er zurücktreten mußte, doch hatte er das Wichtigste geleistet, nämlich dem Heere in das Land hineingeholfen. Er verließ nun Abessinien für immer. Ein schwerer Schlag traf ihn in Kornthal, indem ihm nach schweren Leiden die zweite Gattin von der Seite genommen wurde. Im folgenden Jahre 1869 trat er zum dritten Male in die Ehe und fand für seinen Lebensabend eine gute Pflegerin, und für das verwaiste Töchterchen eine treue Mutter.

Er lebte nun ganz besonders den Druckarbeiten, welche er zum Dienste der Mission in verschiedenen afrikanischen Sprachen abgefaßt hatte. Weil diese Bücher in der Druckerei der Pilgermission auf Chrischona gedruckt wurden, so kam er mehrmals auf einige Zeit auf den ihm bekannten Hügel und war jeder Zeit ein angenehmer Gast daselbst. Afrika konnte er nicht vergessen. Es gereichte ihm zu innerer Erquickung, als erfreuliche Nachrichten von dem dortigen Missionsfelde eintrafen, auf welchem er scheinbar fast umsonst gearbeitet hatte. Besonders gedieh Ribe, das er hatte gründen helfen, gar erfreulich. Als sein Mitarbeiter Rebmann nach 29jährigem Missionsdienste zurückkehrte und mit gutem Gewissen bezeugen konnte, daß das Christenthum im Herzen des Volkes Wurzel geschlagen habe, war das für den greisen K. wahrhaft herzstärkend. Die Wanika können ihren Korafa, wie sie K. nennen, nicht vergessen, denn er habe ihnen das Buch (das Wort Gottes) in ihre elenden Hütten hineingetragen. Bei [55] solchen Nachrichten schlug das Feuer in dem alternden Missionar oft hell auf, daß er sagen konnte: „Wenn ich nur noch zehn Jahre jünger wäre, ich ginge wieder nach Afrika“. Und es schien mitten in den siebenziger Jahren wirklich dazu zu kommen, indem die kirchliche Mission wünschte, daß er nach Mombas gehen, die dortige Kolonie stärken und die Bibel in die Suahilisprache übersetzen möchte, so weit sie noch nicht übersetzt war. Er stand am Scheidewege, obwol der Arzt es nicht für wahrscheinlich erklärt hatte, daß er die Strapazen überwältigen werde. Als aber von seinem früheren Mitarbeiter Wakefield Nachricht kam, daß er mit der Bibelübersetzung in die Suahili-, Kinika- und Gallasprache stark beschäftigt sei, so war es ihm klar, daß er jetzt zu Hause bleiben dürfe. Noch im December 1880, als er vom Vorwärtsschreiten der Mission in Ostafrika, besonders auch im Gallalande hörte, schrieb er: „Ach wie gerne würde ich zurückkehren, wenn ich nicht zu alt und zu schwach wäre!“ Es war kein Wunder, daß besonders das erfreuliche Eindringen unter die ihm an das Herz gewachsenen Galla ihn in einem Briefe zu dem Rufe veranlaßte: „Victoria! Halleluja!“ In Schoa arbeiten zwei Pilgermissionen, und diese arbeiteten zur Freude unseres greisen Missionars unter den Galla. Aber über dem Blicke in die Ferne vergaß er nicht, die geistlichen und kirchlichen Bewegungen in der Nähe zu beachten. Sein Urtheil darüber ist jeder Zeit ein maßhaltendes.

K. war ein Mann der That und des Gebets. Seine ehemaligen Mitarbeiter können dies nicht genug hervorheben. Er war ein bedeutender Mensch, aber in seiner Demuth trug ers nicht zur Schau. Die sprachlichen Arbeiten Rebmann’s, der im October 1876 in Kornthal starb, übernahm K., aber weil sie in Folge eines Schiffbruchs lange im Wasser gelegen hatten, so athmete er daraus ungesunde giftige Ausdünstung ein und erkrankte heftig. Ueberhaupt kamen noch in diesen letzten Jahren zum Theil schwere Krankheitsfälle über ihn. Nach seinem Tode fand man ein Blatt Papier, auf das er am 18. August 1880 unter andern niedergeschrieben hatte: „Nachdem ich jetzt meine sprachliche Aufgabe erfüllt habe, muß mein Blick vor Allem auf mein inneres Leben gerichtet sein, daß ich eine gewisse Hoffnung des ewigen Lebens habe und behalte“. Noch den Tag vor dem Adventsfeste des Jahres 1881 arbeitete er an einer im Druck befindlichen sprachlichen Arbeit ohne eine Spur von Unwohlsein zu fühlen. Missionar Flad besuchte ihn, K. sprach mit Ergriffenheit von der Nähe der Zukunft Christi und arbeitete noch bis Abends 9 Uhr an seinen Correkturbogen, hielt auch eine kräftige Abendandacht, verabschiedete sich von seiner kranken Gattin und die sorgsame Tochter geleitete ihn noch zum Schlafzimmer. Als er am Morgen des folgenden Tages, des Adventfestes, zur gewöhnlichen Zeit nicht erschien, und bei verschlossener Thüre keine Antwort erfolgte, erfüllte die Seinen eine bange Ahnung. Man stieg von Außen durch das Fenster in sein Schlafgemach und fand ihn todt vor dem Bett knieend. So hatte ihn der Herr, dem er treulich gedient hatte, ohne Schmerz in das himmlische Vaterland geführt.

Die Hauptquelle ist: Reisen in Ostafrika von J. L. Krapf. 2 Theile, Kornthal und Stuttgart 1858, und das mit Liebe geschriebene Buch: Dr. Ludwig Krapf, weil. Missionar in Ostafrika. Ein Lebensbild aus unseren Tagen von W. Claus, Basel 1882.