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ADB:Zingerle, Pius

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Artikel „Zingerle, Pius“ von Carl Gustav Adolf Siegfried in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 320–323, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zingerle,_Pius&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 18:27 Uhr UTC)
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Zingerle: Pius Z. ward am 17. März 1801 zu Meran in Tirol geboren, wo er auch auf dem dortigen k. k. Gymnasium seine erste Ausbildung erhielt. Seine theologischen Studien begann er auf der Universität Innsbruck. Im J. 1818 trat er in das Benedictinerstift Marienberg in Tirol, dessen Profeß er 1822 wurde. Die Priesterweihe empfing er 1824. Schon früh hatte er neben seinen theologischen Studien sich in die der classischen und orientalischen Sprachen und Litteraturen versenkt. In dem idyllisch gelegenen Platt im Passeierthal als Cooperator angestellt, trieb er insbesondere Syrisch, Arabisch und Persisch. Nach längerer Beschäftigung am Gymnasium zu Meran seit 1827, im J. 1837 als Vicar nach St. Martin im Passeierthale berufen, setzte er diese Arbeiten fort bis 1840, wo er an das Meraner Gymnasium als Professor zurückgeholt wurde. In dieser Stellung wirkte er bis 1851, in trauter Freundschaft mit dem katholischen Kirchenhistoriker Beda Weber und dem Geschichtsforscher Albert Jäger verbunden. Die Idealität seiner anspruchslosen Natur ermöglichte es ihm, trotz des äußerst kargen Gehalts hier auszuhalten, ganz geistigen Bestrebungen und der Aufgabe des Erziehers lebend. Da er kein Geld zur Anschaffung eines syrischen Lexikons erübrigen konnte, so legte er sich mit eisernem Fleiße ein handschriftliches, solches besonders aus den Werken des Ephraem Syrus, dessen erster Kenner er in seiner Zeit wurde, an. Seit 1830 hatte er schon begonnen die Werke desselben ins Deutsche zu übersetzen. Doch hielt er mit den diese betreffenden Publicationen noch zurück. – Sein Erstlingswerk, soweit wir haben ermitteln können, bilden die im J. 1836 erschienenen „Echten Akten heiliger Märtyrer des Morgenlandes“ (2 Theile, Innsbruck), die er aus dem Syrischen ins Deutsche übersetzt hatte. Die Notiz im Südtiroler Volksblatt (Bozen), Jahrg. 1881, Januar, daß auf Grund dieser und andrer Erstlingswerke die deutsche morgenländische Gesellschaft „bei ihrer Gründung in Leipzig 1846 unsern Z. gleichzeitig mit Friedr. Rückert zum Ehrenmitgliede ernannt habe“, ist in mehrfacher Beziehung unrichtig. Erstens ist diese Gesellschaft in Darmstadt, zweitens 1845 gegründet; drittens ist Z. erst im J. 1848 in dieselbe eingetreten, viertens sind weder Rückert noch Z. jemals Ehrenmitglieder derselben gewesen (vgl. Die dtsch. morgenl. Gesellsch. 1845–1895, Leipz. 1895, S. 42, 54, 99 ff.). Aber jedenfalls ist Z. ein sehr eifriges, verdientes und hochgeschätztes Mitglied der Gesellschaft bis zu seinem Tode gewesen. – Mit seinen Arbeiten über Ephraem Syrus trat Z. zuerst 1845–6 hervor, indem er sechs Bände deutscher Uebersetzungen von ausgewählten Schriften Ephraem’s aus dem Griechischen und Syrischen veröffentlichte, deren Inhalt im einzelnen man bei Eberh. Nestle, Syr. Grammatik, 2. Aufl. 1888, Litterat. Syriaca, S. 43 aufgeführt finden kann. Apart erschienen noch 1850 (Kempten) „Ephraem’s Reden gegen die Ketzer übersetzt“ und 1871 die Reden desselben über Selbstverleugnung mit dem Briefe an Einsiedler (Innsbruck). – Im J. 1848 folgte im 2. Bde. der Zeitschr. d. d. m. Ges. S. 66–73 eine gründliche Studie über die Metrik Ephraem’s, in der Z. besonders das bei E. seltene Metrum 6silbiger Worte an einem Grabgesange des Kirchenvaters, der syrisch und deutsch abgedruckt ist, und an einigen anderen Beispielen erläutert. – Daß die syrische Poesie ihn besonders [321] anzog, erklärt sich aus der eignen poetischen Begabung und der religiös-dichterischen Stimmung des zartsinnigen Gemüthes Zingerle’s. Schon 1840 waren seine „Harfenklänge vom Libanon“, 1843 ein Band „Gedichte“ erschienen; 1846 folgte „Das syrische Festbrevier oder die Festkränze aus Libanons Gärten“. 1853 erschienen die „Marienrosen aus Damaskus“ nach syrischen Vorbildern insbesondere Ephraem’s gearbeitet, vgl. Z. D. M. G. Bd. 10, S. 628, deren 2. Auflage von 1865 durch deutsche Nachbildungen der Gebete Ephraem’s an die Maria vermehrt ward. Zu diesem Studienkreise gehören auch die 2 Reden Ephraem’s, die der Verf. 1868 aus 2 römischen Handschriften veröffentlichte, s. den Titel bei Nestle a. a. O. S. 42. – Die syrische religiöse Dichtung hatte sein ganzes Herz ergriffen und er trat wiederholt als eifriger Vertheidiger ihrer Schönheit in die Schranken. So in der Apologie der syrischen Poesie in der Tübinger theol. Quartalschrift, Jahrg. 1855, H. 3. Auch gegen Herder nahm er sie in Schutz in der Z. D. M. G. Bd. 15 (1861), S. 629–647 sowie gegen Eichhorn a. a. O., Bd. 29 (1875), S. 497. Ebenso unermüdlich war er in der Erforschung ihrer Eigenthümlichkeit und in der Verbreitung der Kenntniß derselben. Dem ersten Gesichtspunkt dienten besonders die metrischen Untersuchungen, welche er der oben erwähnten Studie über die Metrik Ephraem’s folgen ließ. So erschien in der Z. D. M. G. Bd. 10 (1856), S. 110–116 eine Abhandlung über den Reim in den syrischen Gedichten, in der Z. aus der reichhaltigen von ihm durchgelesenen Litteratur zahlreiche Beispiele von Paronomasien, Assonanzen und Reimen sowie sieben vollständige Gedichte mit durchgehendem Reime anführt. Eine interessante Untersuchung über das gemischte Metrum in syrischen Gedichten ist in der Zeitschr. f. Kunde d. Morgenlandes, S. 1 ff., 185 ff. angefangen und in dem eben genannten Bande der Z. D. M. G. S. 116–126 fortgesetzt. Ebendahin gehören auch Zingerle’s „Proben syrischer Poesie aus Jakob von Sarug“ (in Z. D. M. G. Bd. 12 [1858], S. 117–131; Bd. 13 [1859], S. 44–58; Bd. 14 [1860], S. 679–691; Bd. 15 [1861], S. 629 bis 647). Nach einer kurzen Biographie des Jacob von Sarug, Bischofs von Batnae in Mesopotamien geht der Verf. hier näher auf die metrischen Homilien, desselben im 4silbigen Versmaß ein. Diese Gedichte beziehen sich auf kirchliche Feste, Heilige, einzelne biblische Stoffe oder Stellen u. dgl. Die ausgewählten Proben im syrischen Texte hat der Verf. aus dem Breviarium feriale Syriacum von 1787 entnommen und begleitet sie mit metrischer deutscher Uebersetzung und lehrreichen Erläuterungen. Zum Schluß ist auch eine Uebersicht über die Geschichte der syrischen Poesie gegeben. Nachträge hiezu erfolgten in Z. D. M. G. Bd. 20 (1866), S. 511–526. Zur syrischen Metrik gehört auch die in Z. D. M. G. Bd. 17 (1863), S. 687–690; Bd. 18 (1864), S. 751–759 geführte Untersuchung über das alte metrische Handbuch Mensura carminum secundum rhythmum von Stephanus Aldoensis, einem Patriarchen der Maroniten aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, dessen System der Verf. nach cod. 441 des Vaticans darstellt unter Mittheilung ausführlicher Proben. – Im engen Zusammenhange mit diesen Studien stand das „Breviarium syriacum, officium feriale iuxta ritum ecclesiae Syrorum Maronitarum … ed. 5“, Rom 1863, s. den vollständ. Titel bei Nestle a. a. O., S. 33. – Daneben waren anderweite Früchte von Zingerle’s ausgedehnten syrischen Studien an das Licht getreten. In den Jahren 1849/50 veröffentlichte er in der Tübinger theol. Quartalschrift Bd. 67, S. 183–205; Bd. 68, S. 267–285 aus einem handschriftlichen Werke des Johannes von Dara über das Priesterthum mehrere Abschnitte. 1853 erschienen Mittheilungen über und aus acht Reden des Jacob von Satug, Bischofs von Batnae in Mesopotamien, über das Leiden Christi in [322] der genannten Quartalschrift Bd. 76, S. 465–475, welchen Gegenstand Z. später noch vervollständigte in derselben Zeitschrift Jahrg. 1870, S. 92–114, wo Reden des Isaac von Antiochien und Jahrg. 1871, S. 409–430, wo solche des Jacob von Sarug über Jesu Kreuzigung mitgetheilt wurden. – Hiezu wäre auch die Schrift: „Sechs Homilien des J. v. S. aus syr. Handschriften übersetzt“, 1867, anzuführen. Daneben hatten ihn die Quellen der Geschichte des Simeon Stylites angezogen. 1858 verbesserte er in Z. D. M. G. Bd. 7, S. 233 einige Stellen der syrischen Arten dieses Säulenheiligen in Assemani’s Acten der heil. oriental. Märtyrer Bd. 2 durch geschickte Emendationen des Textes. 1855 folgte dann sein Werk: „Leben und Wirken des h. Simeon Stylites“ (Innsbruck), worin auch eine Lobrede des Jacob von Sarug und einige Lieder auf den Säulenheiligen in deutscher Uebersetzung angehängt waren, vgl. Z. D. M. G. Bd. 10, S. 759. – Auch der Alexandersage wandte er nebenher sein Interesse zu. In Z. D. M. G. Bd. 8 (1854), S. 835 bis 837; Bd. 9 (1855), S. 780–784 besprach er eine syrische Handschrift, welche eine Uebersetzung des Ps. Callisthenes zur Geschichte Alexander’s d. Großen enthielt und beleuchtete das Verhältniß beider Texte zu einander. Auch diesen Gegenstand nahm er später wieder auf in seiner Abhandlung: „Ein altes syrisches Alexanderlied übersetzt“ (1882, Brünn). – 1869 erschienen vom Verf. die „Monumenta Syriaca ex romanis codd. collecta Vol. 1“, worin er vieles Neue aus der vaticanischen Bibliothek veröffentlichte. – Weitere Beiträge zur hymnischen syrischen Litteratur erschienen in Z. D. M. G. Bd. 17 (1863), S. 730–735, worin der Eheritus der Nestorianer und darauf bezügliche Lieder behandelt wurden. Andres erschien in Heidenheim’s deutscher Vierteljahrsschrift Bd. 2, S. 336–345, wo in Bd. 4 auch die deutsche Uebersetzung der Apocalypsis Pauli abgedruckt war, und in der Tübinger theol. Quartalschrift 1873, S. 462–509. – In Bd. 29 der Z. D. M. G. 1875 endlich erfolgte die große Abhandlung über das syrische Buch des Paradieses von Ebedjesu, Metropoliten von Nisibis, S. 496–555. Die Handschrift dieses bei den Syrern so sehr geschätzten Buches hatte Z. bereits 1864 im Museum Borgianum der Propaganda zu Rom gefunden und große Auszüge aus derselben gemacht. In der Z. D. M. G. gibt er eine eingehende Uebersicht über den Inhalt des Werkes von Ebedjesu und theilt hervorragende Proben syrischer Poesie im Original und in metrischer deutscher Uebersetzung mit. Auch viel sprachliches Material zum syrischen Lexikon, Etymologisches, Bedeutungsentwicklungen u. a. wird in der gründlichen Abhandlung vorgetragen, in der das Horazische delectando lectorem pariterque monendo zu reichlicher Verwendung kommt. – Für die weitere Verbreitung der syrischen Studien sorgte Z. durch seine „Chrestomathia Syriaca“ (Rom 1871) und sein „Lexicon Syriacum“ (ebd. 1873).

Fortgerissen durch Zingerle’s gehaltreiche Studien, die sich eine an die andre drängten, haben wir den Faden der äußeren Lebensschicksale desselben unseren Händen entgleiten lassen und beeilen uns nunmehr, da der greise Gelehrte mit den strengeren Studien abzuschließen sich genöthigt sah, diese Dinge nachzuholen. Als Meraner Professor hatten wir Z. oben 1851 verlassen. Im selben Jahre ward er zum Director des dortigen Gymnasiums ernannt, welche Stellung er bis 1862 behielt. In diesem letzteren Jahre berief ihn Papst Pius IX. als Professor der orientalischen Sprachen an die Sapienza nach Rom. Wie gewissenhaft und erfolgreich er diese Stellung zur Durchforschung der litterarischen und handschriftlichen Schätze der Vaticana und anderer römischer Bibliotheken benutzte, geht aus den oben berichteten Veröffentlichungen Zingerle’s zur syrischen Litteratur hinreichend hervor. Leider konnte er das Klima nicht vertragen und auf das Drängen der Aerzte sah er sich genöthigt 1866 Rom wieder zu verlassen, [323] wozu Papst Pius IX. ungern, doch in einer für Z. sehr ehrenvollen Weise, seine Genehmigung ertheilte. Er verlebte die folgenden Jahre vorzugsweise in dem Benedictinerstift Marienberg, dessen Subprior er wurde, hochgeehrt und gefeiert nicht nur in katholisch-kirchlichen sondern auch in allen dem Studium des Morgenlandes sich widmenden wissenschaftlichen Kreisen, bis er am 10. Januar des Jahres 1881 dahinschied. – Eine der anziehendsten katholischen Gelehrtenpersönlichkeiten, wie sie jetzt immer seltener werden. Von religiöser Innigkeit und Tiefe, durchweht von einem Hauch der Poesie, seiner Kirche treu, ohne jede fanatische Härte und Kälte Andersglaubenden gegenüber, am liebsten in stille Studien sich versenkend, bei aller Gelehrsamkeit schlicht und einfach, nicht dem eigenen Ruhm sondern der Wissenschaft dienend: so tritt das Bild des Mannes dem Beschauenden aus seinen Werken entgegen. Auch die uns vorliegende Photographie zeigt in den nervenfeinen durchgeistigten Zügen das geschilderte Gepräge der ganzen edlen Persönlichkeit.

Vgl. Südtiroler Volksblatt. Bozen 1881, Januar. – Studien des Benedictinerordens 1881, I, 355 ff.