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Ahrenshoop, Oktober 1945

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: Ahrenshoop, Oktober 1945
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Entstehungsdatum: 1945
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Tagebuchauszüge zum Thema Ahrenshoop, Oktober 1945
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Einführung

Der Artikel Ahrenshoop, Oktober 1945 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Ahrenshoop vor und im Krieg“ zusammengestellten Tagebuchauszüge von Oktober 1945. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].

Tagebuchauszüge

[1]
Dienstag, 2. Okt. 1945.     

[1]      Gestern Vormittag erschien Herr Frey, Kriminalbeamter aus Ribnitz, bei mir im Amt. Er fragte nach PG's u. Flüchtlingen u. entlassenen Soldaten u. behauptete dann, daß ich meinen entlassenen Sohn seit einer Woche irgendwo verberge. Ich lachte darüber, worauf er mich sehr ernst ermahnte, die Wahrheit zu sagen. Ich wurde darauf grob. – Er gab sich dann damit anscheinend zufrieden, verlangte aber, Herrn Kühme zu sprechen. Von diesem behauptete er dann, daß er SS=Mann gewesen sei u. das Goldene Parteiabzeichen getragen habe. Herr Kühme ist tatsächlich, wie sich dann herausstellte früher als junger Bengel in die SA eingetreten, hat sich dann aber am Putsch gegen Hitler unter Hauptmann Stennes (oder so ähnlich?) beteiligt u. ist aus der Partei ausgestoßen worden. Im Jahre 1933 hat er dann aus Existenzgründen versucht, wieder in die Partei zu kommen, doch ist ihm das nicht gelungen. Das war sein Glück. – Herr Frey verhörte ihn sehr scharf, aber schließlich ließ er sich doch überzeugen, daß Herr Kühme ihm die Wahrheit sagte. – Die ganze Sache ist also wieder eine neue Denunziation. [...]

[...] [2]
Mittwoch, 3. Okt. 1945.     

[2] Mein Rücktrittsgesuch habe ich unterschrieben, es geht morgen auf den Weg. [...]

[2]
Freitag, 5. Oktober 1945.     

[2]      Mein Rücktrittsgesuch ist gestern rausgegangen. Inzwischen ist es im Dorf bekannt geworden u. die Leute kommen zu mir, um mich zu bitten, daß ich bleiben möchte. Sie haben Angst, daß irgend ein ortsfremder Kommunist hierher geschickt werden wird. [...]

[2]
Sonntag, 7. Oktober 1945.     

[2]      Gestern war eine Gemeinde-Vorstands-Sitzung u. es war sehr rührend, wie mir alle ihre Liebe u. Sympatie ausdrückten u. mich inständig baten, doch zu bleiben. [...]

[3]
Montag, 8. Okt. 1945.     

[...] [3]      Bisher hatten wir einen schönen, sonnigen Herbst, aber seit heute ist es trübe u. recht kalt. Wir bekamen heute morgen ein großes Stück Pferdefleisch von Tietz in Althagen, ein Pferd von Dr. Umnus, das da geschlachtet worden ist. Seit langer Zeit wieder einmal etwas Nahrhaftes zwischen den Zähnen. [...]

[3]
Dienstag, 9. Okt. 1945.     

[3]      Heute morgen kam Helm-Saatmann ins Amt u. berichtete, daß die Russen seinen Sohn Herbert erschossen hätten. Ich ging, sobald ich konnte, zum Monheim'schen Hause u. nahm Herrn Gläser als Dolmetscher mit. Der junge, stotternde Leutnant kam auch gleich heraus. Er sagte, seine Soldaten hätten Herbert in der Nacht gegen 1/2 12 Uhr in der Nähe des Darss aufgegriffen u. ihn zum Monheim'schen Hause gebracht. Er hätte gleich verhört werden sollen, doch hätte er nichts gesagt. Die Russen haben ihn dann die Nacht über festgesetzt. Heute Morgen hätte der Leutnant ihn wieder vernehmen wollen, aber Herbert hätte wieder nicht geantwortet. Dann habe Herbert gebeten austreten zu dürfen u. bei dieser Gelegenheit habe er einen Fluchtversuch gemacht. Der Bewachungssoldat hat drei Mal stoi gerufen u. hat zweimal in die Luft geschossen. Als Herbert dann bereits über den Zaun gestiegen sei, habe er auf ihn geschossen. Er wurde getroffen u. war nach Ansicht des Leutnants sofort tot. Die Leiche liegt an der Stelle, wo er gefallen ist, außerhalb des Zaunes. Der Leutnant erklärte mir, daß eine Kommission aus Zingst kommen u. ein Protokoll aufnehmen würde. Die Kommission würde darüber entscheiden, ob die Leiche freigegeben werden soll oder nicht. – [...]

[4]
Sonnabend, den 27. Oktober 1945.     

[...] [5]      Am Montag – oder Dienstag –, ich weiß es nicht mehr genau, – wurde mir die Nachricht vom spurlosen Verschwinden von Prof. Alfred Partikel überbracht. Er ist am Vormittag zum Pilzesuchen gegangen u. ist nicht zurückgekehrt. [...]

[6]
Christkönigsfest, 28. Okt. 1945.     

[...] [7] Wir sprachen auch über den tragischen Fall Partikel u. ich bekam zum ersten Male einen wirklich sachlichen Bericht über den Vorfall. Danach ist Partikel also grade am Samstag vor einer Woche verschwunden, u. zwar um die Mittagszeit. Krull ist sofort mit Frau Partikel auf die Suche gegangen, da sie gleich zu ihm gegangen war. Sie haben die Stelle abgesucht, wo P. gewöhnlich Pilze zu suchen pflegte, doch haben sie keine Spur gefunden. Krull hat dann die Leute alarmiert, etwa 20 Mann, um nochmals zu suchen, aber die Russen haben nur 5 Mann zugelassen u. haben selbst 5 Mann dazu gestellt. Auch einen Hund hatten sie bei sich, der jedoch keine Spur aufgenommen hat. Am nächsten Tage, am Sonntag, haben sie nochmals gesucht, aber wiederum ergebnislos, nur einen verendeten Eber haben sie gefunden, der von den Russen geschossen worden war aber schon mehrere Tage gelegen haben muß, denn er stank schon u. das Gras unter ihm war gelb. Krull ist der Meinung, daß Partikel von den Russen nach Zingst verschleppt worden sei u. wiederkommen würde. Frau P. ist auch deshalb nach Zingst gefahren, um bei dem Major dort etwas zu erfahren, jedoch ergebnislos. [...]

[7]
Dienstag, 30. Okt. 1945.     

[...] [7]      Heute Mittag war Frau Partikel bei mir. Sie erzählte mir, daß an jenem Tage, als Partikel verschwand, die Töchter von Dr. Zahl im kleinen Walde gewesen sind u. mehrere Schüsse gehört haben. Bald nachher sind 3 russ. Soldaten mit Gewehren [8] aufgetaucht. Es war um die Zeit, als auch Partikel im Walde war. Die Russen-Abteilung bei Monheim behauptete aber, daß von ihnen keiner im Walde gewesen wäre, was also offenbar gelogen ist. Frau P. ist in Zingst gewesen, aber sie hat auch dort nichts erreicht. Die Russen in Zingst waren grade im Aufbruch. Sie sind abgelöst worden durch Artillerie, auch unsere Monheimer Russen sind nicht mehr da. – Frau P. hat auch die GPU in Ribnitz alarmiert u. heute Mittag war ein Auto von dort hier. Die Herren haben sich sehr wichtig getan, es soll nun morgen der Wald abgesucht werden; aber es wird auch dabei nicht viel herauskommen. Es ist mir immer klarer, daß Partikel einfach erschossen worden ist von Soldaten, die auf Jagd waren, – man wird ihn irgendwo verscharrt haben. – Die arme Frau tut mir sehr leid. [...]

[8]
Mittwoch, 31. Okt. 1945.     

[8]      Heute wollen die Herren Dr. Lasch u. Dr. Meyer hierher kommen um die Bevölkerung gegen Typhus zu impfen. In Wustrow wurde das schon an dem Tage gemacht, als ich dort entlassen wurde, in Althagen fand die Impfung gestern statt.

     Ich hörte gestern noch, daß in dem Auto aus Ribnitz der dortige Kommandant persönlich gewesen sein soll. Er hat Frau Partikel aufgesucht u. angeordnet, daß heute der Wald nochmals abgesucht werden soll. Er hat seine Unzufriedenheit geäußert, daß er nicht zuerst benachrichtigt worden sei. [...]