Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section/H16
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liegt 1½ bis 1¾ Stunden von Chemnitz gegen Südsüdwest, 2½ bis 3 Stunden von Hohenstein, 3 bis 3¾ Stunden von Zschopau, 3 Stunden von Stollberg, zieht sich in einem gekrümmten, anfangs seichten, dann aber tiefern, zuletzt wieder breiten und offenen Grunde an einem Wässerchen herunter, bis nahe ans linke Ufer der Würschnitz, welche sich 1 Stunde weiter unten, im obersten Theile von Alt-Chemnitz, mit der etwas stärkeren Zwönitz verbindet und so die Chemnitz bilden hilft. Jenes obengenannte Wässerchen aber entspringt nahe über dem Orte, auf derselben hochgelegenen, ebenen Gegend (zwischen hier, Leukersdorf und Mittelbach), welche auch die Quellen des Lungwitzer Baches, des Mittelbaches und des Leukersdorfer Wassers enthält und sich gegen 1400 pariser Fuss über das Meer erhebt. Die Länge des Orts beträgt über ¾ Stunden, die Richtung ist südöstlich und östlich und die Meereshöhe der obersten Häuser ist zu 1300, die der untersten zu 1000 pariser Fuss anzunehmen.
Das gegen Nord ziemlich steil ansteigende Gebirge trägt in kleiner Entfernung vom Orte den sehr grossen Neukirchner Wald.
Unterwärts am rechten Ufer der Würschnitz liegen die Rittergutsgebäude nebst zwei Mühlen in einer höchst anmuthigen Aue.
Das Schloss ist in Quadrat gebaut, umschliesst einen engen Hof, ist 3 Etagen hoch, mit einem Schieferdach, einem Thürmchen, einer Schlaguhr und mehreren Blitzableitern versehen und hat noch ein ziemlich ritterliches Ansehen. Die dicht dabei stehenden in zwei Gehöfte vertheilten Wirthschaftsgebäude sind wohlgebaut, tragen ebenfalls viele Blitzableiter und enthalten eine starke Brauerei. Hinter derselben sind die schönsten Parkanlagen.
Neukirchen gehörte als Vorwerk in den früheren Zeiten zu der Herrschaft Rabenstein, welche erst die Burggrafen und dann deren Nachfolger, die Dynasten von Waldenburg besassen.
Johann von Waldenburg und dessen Söhne verkauften im Jahre 1375 die Herrschaft an das Berg- oder Johanniskloster zu Chemnitz, in welchem Kaufe dem Abte nebst dem Convente des Klosters ausdrücklich bemerkt worden war, dass die Herrschaft Rabenstein bei Niemandem zu Lehn gehe.
Später gerieth das Kloster zu Chemnitz mit denen von Schönburg in Fehde und im Jahre 1386 endigte diese Fehde mit der Eroberung „des Steins.“ Das Johanniskloster erhielt aber Letzteren bald wieder und durch Schenkungen der Kaiser, der Burggrafen und der Dynasten von Waldenburg wuchs dasselbe bald so gewaltig an, dass es ums Jahr 1500 fast die ganze Rabensteiner Herrschaft oder das Zubehör des Burggrafenamtes besass. Es hatte die Marktnutzung in der Stadt, die Berg- und Salzregale in der ganzen Gegend und der Abt war nicht nur Collator zu Penig, sondern auch Archidiakon über die Erzpriester zu Chemnitz Waldenburg, Stollberg und Wolkenstein.
Der letzte Abt Hilarius von Rehberg und der Klostervoigt Johann von Seydewitz waren Günstlinge des Herzogs Heinrich des Frommen, woher es kam, dass die Aufhebung des Klosters nicht so schnell vor sich ging, obschon auf dem im Jahre 1539 zu Chemnitz gehaltenen Landtage in diesem Jahre noch die Einführung der Reformation erfolgte. Die Besitzungen des Klosters selbst wurden erst im Jahre 1546 gegen Entschädigung an Herzog Moritz abgetreten, welcher im Jahre 1548 nach Chemnitz zog.
Neukirchen aber, welches zur Zeit der Klosterherrschaft als ein abteiliches Vorwerk vorkommt, wurde mit Claffenbach und Burkersdorf, dem Marktflecken, an Wolf Hünerkopf zu Annaberg schon ums Jahr 1543 veräussert und kommt seit dieser Zeit als Rittergut vor. Von der Familie Hünerkopf kam es an die Herren von Gröbel. Nach dem Aussterben dieses Geschlechts fiel es dem Churhause Sachsen zu, welches die Grafen und Freiherrn von Taube damit belehnte, bei welcher Familie die Besitzung nebst dem damit verbundenen Gute Höckerigt vom 17. Jahrhundert bis zum Jahre 1819 geblieben ist. Aus dem Stifte Paderborn in Westphalen stammend, erscheinen die Ritter „von Duve“ schon im Jahre 1221 in den liefländischen Ordenslanden. Von hier aus verzweigten sie sich nach Preussen, Sachsen, Schweden, Dänemark und Würtemberg und [122] erwarben überall, wohin sie kamen, die ersten Würden und Aemter. Während sie in Schweden – wo sie den Admiralsrang, wie ein hohes Erbe bewahrten – wiederholt die Freiherrn- und Grafenwürde an ihr Haus brachten, gelangten sie nicht minder in Deutschland in den Besitz der höhern Adelskronen. Dietrich von Taube geb. 1594 aus dem alten Stammhause Maard und Halinapp in Esthland, kurfürstl. sächs. Ober-Hofmarschall ward nebst seinen Brüdern: Claus, kurfürstl. sächs. Obersten und Reinhard, kurfürstl. sächs. Ober-Stallmeister, so wie mit seines ältesten Bruders Hans einzigem Sohne Johann Georg, kurfürstl. sächs. Kammerherrn, vom Kaiser Ferdinand III. laut Diplom d. d. Wien, 19. Juni 1638 in das heil. röm. Reichs Panner- und Freiherrenstand erhoben. Dietrich und Claus starben ohne Descendenz; Reinhard dagegen hinterliess einen Sohn, Reinhard Dietrich, der als kurfürstl. sächs. wirkl. Geh. Rath und Kanzler laut kaiserl. Diplom d. d. Neustadt, 25. Juni 1676 zum Grafen des heil. röm. Reichs ernannt ward. Letzterer hatte von seiner Gemahlin Rahel, geb. von Friesen, einen einzigen Sohn, Ernst Dietrich (geb. 1661, gest. 1694), kurfürstl. sächs. Kammerherrn und Reichspfennigmeister des obersächsischen Kreises, welcher indessen nur Töchter besass, die unvermählt vor ihm starben. Seine reichen Besitzungen und auch Neukirchen, womit derselbe beliehen war, vererbte er deshalb seinem Vetter, dem Reichs-Freiherrn Johann Georg von Taube.
Die beiden Enkel dieses Johann Georg bildeten hierauf die Linien von Neukirchen und Nieder-Pöllnitz bei Neustadt an der Orla. Die Nachkommen derselben blühen noch gegenwärtig, die Besitzungen aber, von welchen sie sich nannten, sind in fremde Hände übergegangen.
Die ältere Linie bildete der Reichs-Freiherr Herrmann Oskar geb. 7. Febr. 1814 zu Neukirchen, der Sohn des Claus Moritz von Taube und der Mathilde, geb. Gräfin von Bünau einziger Sohn. Im Jahre 1819 erkaufte Neukirchen mit Höckricht Herr Carl Heinrich Hänel, Kaufmann aus Schneeberg.
Der dermalige Besitzer aber ist Herr C. G. Clauss auf Seusslitz.
Vor der neuen Gerichtsorganisation befand sich ausser der Gerichtsstube, in welcher jede Woche Donnerstag ordentlicher und gewöhnlich noch ein oder zwei Mal Gerichtstag gehalten wurde, eine immer offene Gerichtsexpedition, so dass die Gerichtsuntergebenen stets Rath, Hülfe und Beistand ohne grossen Kostenaufwand finden konnten.
Ja man kann sagen, dass zwischen Gerichtsherrschaft, Gerichtsdirektor und Gerichtsuntergebenen ein so schönes Einvernehmen herrschte, wie es wohl nicht selten wieder zu finden sein dürfte.
Auf der einen Seite wurde allen Beschwerden, allen Klagen so kurz als möglich abgeholfen, auf der andern allen Verhältnissen so viel als möglich Rechnung getragen und so die Zufriedenheit aller Orten eingeerndtet.
Die Oekonomie des Gutes ist bedeutend und die Rindviehzucht wegen der grossen Wiesenflächen an der Würschnitz sehr nutzbar. Ausser dem grossen Neukirchner Wald, der sich zwischen hier, Markersdorf und Stelzendorf ausbreitet, gehören noch mehrere Waldungen bei Adorf und Claffenbach, so wie bei Stelzendorf zum Gute, ausserdem mehrere Teiche von mittlerer Grösse und 2 grosse Schäfereien.
Mit dem Rittergute ist das neu schriftsässige Gut Höckricht combinirt, wozu das Dorf Neustadt gehört. Auch der Marktflecken Burkersdorf und die Dörfer Claffenbach, Stelzendorf und Neusteg waren der Gerichtsherrschaft von Neukirchen vor der neuen Gerichtsorganisation untergeben, im Ganzen überhaupt 4000 Unterthanen inclusive eines Erbgerichts, 9 Mühlen, 122 Bauergütern.
Neukirchen allein hat jetzt 264 bewohnte Gebäude mit 2717 Einwohnern. Das starke Anwachsen der Volksmenge seit einigen 20 Jahren beruht vorzüglich auf der starken Fabriksarbeit im Orte. Unter den Einwohnern, welche zum grössten Theile Strumpfwirkerei und Weberei verschiedener baumwollener Zeuge ins Grosse treiben, giebt es auch viele Factors und Kaufleute, deren Wohnungen schöner sind, als die, im Ganzen doch auch wohlgebauten übrigen Häuser. Unter den letzteren befindet sich ein Gasthof an der Strasse, die nach Stollberg und Schneeberg führt. Neukirchen bildet in allen Angelegenheiten nur eine Gemeinde ausser den Schulbezirken.
Die Gerichtsherrschaft von Neukirchen hat die Collatur über Kirche und Schule des Ortes.
Die Kirche steht nordöstlich im Niederdorfe auf einem Hügel und ist sehr alt, aber mit zwei Thürmen geziert. Ausser vielem, zum Theil nicht schlechten Schnitzwerk und einer guten Orgel sind besonders die Freiherrl. Taubeschen Denkmäler bemerkenswerth.
Eins darunter gilt dem[WS 1] General Freiherrn von Taube, welcher im [123] Türkenkriege sich ausgezeichnet hat; es ist jedoch mit allerlei Emblemen überladen.
Auf dem grossen Gottesacker um die Kirche sieht man unter andern schönen Denksteinen auch einen herrlichen von Marmor.
In die Kirche sind noch die beiden grossen Dörfer Claffenbach und Adorf, so wie Stelzendorf und Markersdorf gepfarrt und mit Einschluss des Filials Leukersdorf begreift die Parochie über 5000 Seelen. Das Pastorat gehört zu den best dotirten des Landes.
Die Pfarrwohnung, dicht bei der Kirche gelegen, hat grosse, sehr schöne Gebäude und bietet eine herrliche Aussicht nach Adorf und Johnsdorf dar. Dazu gehören ansehnliche Gärten und Parkanlagen.
Leukersdorf ist gewissermassen als Schwesterkirche zu betrachten, indem der Frühgottesdienst in beiden Kirchen abwechselt.
Kirche und Schule stehen unter der Ephorie Chemnitz und der Ort selbst gehört jetzt zum Gerichtsamt und zum Bezirksgericht Chemnitz, zur Amtshauptmannschaft Chemnitz, zum Regierungsbezirk Zwickau.
Der oben erwähnte Marktflecken Burkersdorf oder Burkhardsdorf, welcher früher Neukirchen untergeben war und jetzt zum Gerichtsamt Stollberg gehört, ist der Geburtsort des berühmten Oberbibliothekar Canzler und dessen Bruders Oberrechnungsrathes und sächsischen Statistikers Canzler, von denen der erstere 1733, der letztere 1740 hier das Licht der Welt erblickte.
In der Nähe befinden sich die hohen und steilen Niklas-, Geiers-, Stein- und Mühlberge, so wie der abentheuerliche Nestler Felsen, der zwar nur 120 Ellen hoch ist, aber einen so sonderbaren Felsen trägt, dass derselbe in neuerer Zeit sehr häufig von berühmten Künstlern abgezeichnet worden ist. Von diesem Felsen hat man auch eine reitzende Aussicht in das niedere Zwönizthal.
Burkersdorf hat auch ein Lehngericht, welches als Gasthof dient und im Jahre 1368 das einzige Gut innerhalb der Chemnitzer Bier-Meile mit freier Brauerei und Schankgerechtigkeit war.
Der einstige Bergbau hiesiger Gegend ist schon seit 300 Jahren verschwunden und die Versuche auf Steinkohlen hier und da belohnten sich nicht.
Auch Burkersdorf gehörte zur früheren Reichsherrschaft Rabenstein.
Am 29. Juli des Jahres 1739 zog über Burkersdorf ein schweres heftiges Gewitter.
Der 2. Busstag des Landes hatte die Einwohner in die Kirche gerufen und halb 10 Uhr war es, als eben die Worte der Litanei: „Vor einem bösen schnellen Tode behüt uns lieber Herre Gott“ gesungen wurden und zu gleicher Zeit fiel unter einem schrecklichen Donnerschlag ein Wetterstrahl auf den Thurmknopf. Er zertheilte sich nach den angerichteten Verwüstungen zu urtheilen, in 3 Aeste, richtete am Gebäude selbst grossen Schaden an, ohne jedoch zu zünden, tödtete den Obermüller des Orts Lange, so dass er in seinem Stuhle sitzend mit aufgehobenen Händen, offenen Augen und Munde als ein Betender oder Singender todt gefunden wurde, traf ferner einen Bauer, Namens Fischer, beschädigte ihn am Rücken, ohne dass die Verletzung lebensgefährlich geworden wäre und verbrannte den Erblehnrichter Canzler dermassen, dass er am nämlichen Tage Abends 7 Uhr nach grossen Schmerzen bei vollem Bewusstsein starb. Gegen 30 andere Personen wurden zwar zu Boden geworfen und einzelne Theile ihrer Kleidung zerrissen und versengt, sie erholten sich jedoch alle wieder.
Auch von grossen Wasserfluthen können die Burkersdorfer erzählen.
Eine solche kam über Burkersdorf im Jahre 1628, bei weicher 28 Personen ums Leben kamen, und eine zweite ereignete sich im Jahre 1694, wo ein Haus weggerissen wurde, ohne ein Menschenleben als Opfer zu fordern.
liegt angenehm überm linken Flöhe-Ufer, an der Schellenberg-Dresdner Strasse, eine starke halbe Stunde östlich von Schellenberg.
Das Rittergut, welches eine schöne herrschaftliche Wohnung mit guter Schäferei besitzt und wozu eine Mühle gehört, ist erst im Jahre [124] 1680 von Georg Günther aus mehreren zusammengeschlagenen bäuerlichen Grundstücken gebildet worden. Dieser Georg Günther war Wildmeister und Besitzer des Jägerhofs bei Schellenberg.
Im Jahre 1688 kaufte dann dieses Rittergut ein gewisser Pitterlin für 2600 Rthlr. Darauf kam es in den Besitz derer von Zanthier und von Schütz. Von diesen ist es auf Johann Christoph Grundmann übergegangen, von welchem es dessen Sohn Carl Friedrich Ernst Grundmann überkommen hat, der noch im Besitze des Gutes ist.
Das Rittergut Hohenfichte hat eine angenehme und romantische Lage, ihm gegenüber auf dem rechten, etwas hohen und steil abfallenden Ufer der Flöhe liegt Metzdorf, welches durch eine hölzerne bedeckte Brücke mit Hohenfichte verbunden ist.
Bemerkenswerth ist auch die grosse am Flöhestrom gelegene Spinnfabrik der Herren Hauschild und Pensa.
Der jedesmalige Gutsbesitzer von Hohenfichte ist Collator über die dasige Schule, wogegen das Collaturrecht über die Kirche zu Schellenberg, wohin Hohenfichte und Jägerhof mit Grünberg, Metzdorf und Hennersdorf eingepfarrt ist, dem Ministerio des Cultus zusteht, und bildet diese Kirche mit den genannten Orten und mit Augustusburg die Parochie Augustusburg. Um die Morgen- und Mitternachtseite des Berges, welcher das Schloss Augustusburg trägt, ziehet sich die Stadt Schellenberg. Die Zeit ihrer Gründung ist ungewiss; wahrscheinlich jedoch ist sie zugleich mit dem Schloss Schellenberg, welches an der Stelle der Augustusburg stand, schon ums Jahr 968 vorhanden gewesen.
Schellenberg ist oft von Brandunglück heimgesucht worden. Unter diesen Bränden ist vorzüglich der am 6. Nov. 1831 zu erwähnen, wo die Stadtkirche mit in Flammen aufging. Letztere stand auf dem freien Platz zwischen der Cantorwohnung und dem Kindermannschen Hause etwas seitwärts und war ein altes, unansehnliches Gebäude, welches 1444 und am 7. Oct. 1480 von dem Bischof Johann von Weissbach zu Meissen seine Weihen empfangen hatte.
Durch die Bemühungen des Herrn Justizamtmann Weissbach wurde zur Erbauung der neuen Kirche ein geeigneter Platz acquirirt, der sogenannte Lotterhof. Im Frühjahre 1840 ist die neue Kirche in dem Garten des Lotterhofes abgesteckt und den 29. Sept. desselben Jahres der Grundstein gelegt worden. Rasch schritt der Bau vorwärts, so dass schon im September 1841 die Hebefeierlichkeit vor sich gehen konnte.
In den Zeiten vor der Reformation ist Schellenberg ein Filial von Flöha gewesen und der hiesige Gottesdienst durch die Capellanen des dortigen Pfarrers besorgt worden.
Schellenberg und Hohenfichte erinnern uns zugleich an die herrlichen Parthieen des Flöhethals.
Die Gegend des Flöhethals, in dessen Nähe das Schloss Augustusburg die Wolken zu berühren scheint, ist wohl eine der vorzüglichsten. Die überhaupt an den üppigsten Wiesen dahin rauschende Flöhe, welche in Böhmen nahe den Quellen der Weiseritz und Mulde, in einer Meereshöhe von 2500 Fuss entspringt und bei Deutsch-Georgenthal die sächsische Grenze erreicht, fällt auf ihrem 16 Stunden langen Lauf bis zur Ausmündung in die Zschopau, gegen 900 Ellen. Es hat eine Zeit gegeben, wo diese beiden Ströme, gleich Furien, ihre Thäler wühlten, um sich schwesterlich zu verbinden; aber diese Vorzeit ist so grau, dass die, in welcher an ihrem Zusammenflusse Menschen zuerst sich anbauten, gegen dieselbe wie ein gestriger Tag erscheinen will und schon dieses mindest 1000jährige Gestern deckt ein nicht zu lichtendes Dunkel.
Auch bei Hohenfichte sind die Parthieen des Flöhethals, wie schon erwähnt, reizend zu nennen.
Von dem Schlosse Augustusburg gehört zu dem schönsten Anblick der näheren Umgebungen unbedingt die Aussicht auf die Dörfer Hohenfichte, Grünberg, Metzdorf; Dorf Schellenberg und Teubsdorf[VL 1], sowie das Zschopauthal mit den Fabrikörtern Plaue und Flöhe und in der Waldung das Schloss Lichtenwalde.
Die Schule zu Hohenfichte, derer früheres mangelhaftes Local mit einem 1841 erkauften, zweckmässig eingerichteten Hause vertauscht worden ist, wird von circa 60 Kindern besucht.
Die Kinder von Metzdorf besuchen ebenfalls die Schule zu Hohenfichte.
Ausser den herrschaftlichen Wohn- und Wirthschaftsgebäuden befindet sich hier 1 Viertelhufner, 4 Althäusler und 18 Halbhäusler, im Ganzen aber jetzt 30 bewohnte Gebäude mit 68 Familienhaushaltungen und 339 Einwohnern. Der Ort gehört jetzt sammt den herrschaftlichen Gebäuden zum Regierungsbezirk Zwickau, zur Amtshauptmannschaft Chemnitz, zum Bezirksgericht und zum Gerichtsamt Augustusburg. [125] Das jetzige Gerichtsamt Augustusburg hat nicht mehr den bedeutenden Umfang, den das frühere Justizamt Augustusburg hatte.
Jetzt gehören zu dem Gerichtsamte nur eine Stadt und 22 Landgemeinden, darunter 3 Rittergüter.
Früher bildeten 3 Städte, Schellenberg, Zschopau, Oederan, 24 Landgemeinden und 11 Rittergüter den Amtsbezirk.
Sehr verschieden zeigt sich des Bodens Tragbarkeit in diesem Bezirke, den Felsen und Steinrücken sehr schmälern.
Unter den Bergen zeichnen sich die Heikel- und Staupenberge bei Waldkirchen, Hötzels-Höhe bei Erdmannsdorf aus und bestehen meist aus Gneus, zum Theil aus Porphyr. Unterhalb Augustusburg giebt es grosse Kalklager, bei Gückelsberg Steinkohlen.
Obschon ein Wald vom ersten Range fehlt, so wird aus dem hiesigen Gerichtsbezirke immer noch viel Holz verflösst. Dagegen kommt aus dem Niederlande Zufuhr an Getreide.
Die vortreffliche Rindviehzucht erlaubt starken Butterhandel nach Chemnitz, Leipzig und Berlin.
Die Waldkirch-Borstendorfische Gegend ist noch ausserdem durch die Holzwaarenmanufactur belebt, wogegen die Gegend von Hohenfichte u. s. w. nur auf Ackerbau und Viehzucht beschränkt bleibt.
in älteren Zeiten auch Wingsdorf, ursprünglich wohl Windischdorf, liegt 3 Stunden nordöstlich von Wolkenstein, 2 Stunden von Zschopau, ½ Stunde von Lengefeld, an der Strasse zwischen beiden letztern Orten, in einer seichten, steil nach der Flöhe in östlicher Richtung abfallenden Schlucht über einer schönen, stark coupirten Gegend.
Die untern Häuser stehen unfern der Flöhe, die obern jedoch auf grosser, freier Höhe, aus welcher jedoch die Höhen des ganz nahen Börnicher Forstes noch sehr ansteigen.
Das Rittergut ist von mässiger Grösse, hat aber, wie die Abbildung besagt, hübsche Gebäude, eine Ziegelei über der Hammermühle, ein kleines Vorwerk. Zu diesem Gute gehörte vor der Einführung der neuen Gerichtsorganisation Stolzenhain mit Ober- und Erbgerichten. Stolzenhain wie Wünschendorf war früher ein Zubehör der Herrschaft Rauenstein, ehedem Rowenstein, Rawenstein, auch vor 200 Jahren Ravenstein geschrieben, wohl nicht von der rauhen Lage, sondern von einem Ritter Rabe oder Rabod abzuleiten, eine Herrschaft, welche unter denjenigen vorkommt, die Friedrich der Kleine 1289 an Böhmen abzutreten gedachte. Sie grenzte mit den Dynastien Wolkenstein, Schreckenstein, Schellenberg und Lauterstein und hatte wenigstens 6 Stunden im Umfange, da sie mehrere Orte und grosse Waldungen umschloss. Unter diesen Orten befanden sich namentlich Wünschendorf und Stolzenhain. Später gab es eigne Ritter zum Rauenstein. Die Lage und die Umgebung des Schlosses war ganz dazu geeignet, das Recht des Stärkern hier im vollen Masse zu üben. Hier in diesem undurchdringlichen Verhau fanden die keinen Kampf scheuenden Ritter, nach der Rückkehr von ihren blutigen Streifereien, eine sichere Zufluchtsstätte, wo sie, wenn es draussen stürmte, im warmen Gemach, beim Wildpretschmauss, sich gütlich thun und rasten konnten vom schwer bestandnen Strauss, bis Ueberdruss und Kampfeslust sie wieder hinaustrieb auf die Jagd oder auf die Strasse nach dem Böhmer- und Frankenland, um die Stärke ihrer Arme zu erproben und von neuem mit Beute beladen nach Hause zu kehren.
Manche Sage existirt von dem Rauenstein, schauerlich und Grausen erregend.
Doch diente Rauenstein nicht lange den Rittern, welche meist vom Stegreif lebten.
Noch im 15. Jahrhundert kaufte es Hans von Günterode, welcher sich 1476 aus Thüringen nach Freiberg gewendet hatte und Herzog Albrechts Finanzminister war. Seine Nachkommen, welche alle in Freiberg begraben liegen und sich bald Güntherode, bald Gunderodt oder [126] Gunderode schrieben, verkauften das zum Theil verfallene Schloss mit Zubehör an Kurfürst August 1576 für 54,875 Gulden, welcher ein Amt daraus bildete.
Dieses Amt begriff nach einem alten Register das Städtchen Lengefeld, 3 Dörfer, 150 gesessene Leute, die Vorwerke Wingsdorf d. i. Wünschendorf, Ober- und Nieder-Rauenstein, 2 Mühlen, 3 Teiche.
August baute das Schloss wieder aus und Kurfürst Christian schlug das Amt 1596 zu Wolkenstein, obgleich es mit diesem nur in geringer Breite grenzte. Im 17. Jahrhundert kauften von der Kammer die Herren von Böhlau von Rauenstein den kleineren Antheil, aus welchem das Rittergut Wünschendorf gebildet wurde, wogegen die von Römer den grösseren Theil, der das Gut Rauenstein abgab, acquirirten.
Im Anfang des 19. Jahrhunderts kam Wünschendorf an die Familie Kirchhahn und seit dem 29. Jan. 1845 ist Wilhelm Friedrich Pfefferkorn zu Penig damit beliehen.
In Wünschendorf werden wie in Stolzenhain viel Holzwaaren gefertigt, vorzüglich Wirthschaftsgeräthe. Ausserdem nähren sich die Einwohner des Orts von Spinnerei und Weberei, wovon das nahe Lengefeld der Hauptort ist: denn hier werden Leinwand, Kattun, Parchent, Canevas geweht und nach Oederan, Chemnitz und Zschopau geliefert.
Im nahen Goldbrunnen fand man sonst auch häufig Granaten.
Im Westen liegt der hohe Galgenberg, wo an der Lengefeld-Zschopauer Strasse ein Forst- und Gasthaus steht.
Die ganze Gegend um Wünschendorf ist für den Naturfreund höchst angenehm und interessant. Wünschendorf selbst liegt romantisch auf dem Berge an der Strasse, die nach Waldkirchen führt.
Eingepfarrt ist Wünschendorf mit Rauenstein, mit Martinbüschel und Reifland, und Pockau nach Lengefeld, welcher Ort 2 Stunden von Zschopau entfernt liegt. Die dasige Kirche ist durch die Bemühung des Herrn auf Rauenstein, Herrn Carl Christoph von Römer im Jahre 1725–1729 erneuert und erweitert worden, wie dies Alles schon bei der Beschreibung von Rauenstein näher erwähnt worden ist.
In dem unweit Lengefeld gelegenen Walde und in dem hinter Marienberg gegen Süd liegenden Gebirge, unweit dem Dorfe Grumbach, sind Kalklager in Gneusse. Diese durch Flötzklüfte getrennten Lager sind 20 bis 40 Fuss mächtig und der Kalkstein von weisser Farbe ist ziemlich feinkörnig. Der in den Lengefelder Brüchen ist besser als der in den Schmalzgruben, wo er nicht so rein ist. Hier findet man ihn oft mit Gneuss, dunkelgrünem Asbest, schörlartigem Gestein, schwarzer und grüner Hornblende und eisenfarbigem, fein schuppigem, magnetischem Eisenstein vermischt.
Lengefeld hat auch 2 Jahrmärkte, wovon der eine Montags nach Georgi, der andere Montags nach Simon Judä fällt.
Lengefeld liefert ebenfalls wie Wünschendorf und Stolzenhain viel Holzwaaren, besonders Geräthschaften.
Vor der neuen Gerichtsorganisation gehörte Lengefeld, wie Stolzenhain und Wünschendorf, zum Amte Wolkenstein, ein Amt, welches aus den Waldenburgischen Herrschaften Wolkenstein und Scharfenstein, so wie der Rauensteiner Herrschaft erwachsen und meist erst spät Eigenthum der Markgrafen geworden war.
Gewöhnlich hiess es das Amt Wolkenstein mit dem Mühlenamte Annaberg. Letzteres war ehedem die Herrschaft Balberg, wovon wir zu einer andern Zeit Gelegenheit haben werden, mehreres zu erwähnen.
Lengefeld ist bei der neuen Gerichtsorganisation ein selbstständiges Gerichtsamt geworden, wozu Wünschendorf mit Stolzenhain gehört.
Wünschendorf zählt jetzt 67 bewohnte Gebäude, 127 Familienhaushaltungen und 754 Einwohner. Stolzenhain 8 bewohnte Gebäude, 9 Familienhaushaltungen und 51 Bewohner. Unter den Einwohnern von Wünschendorf befinden sich 19 Häusler und 15 Begüterte.
Seit dem Jahre 1822 ist in Wünschendorf eine besondere Schule mit einem Thurm erbaut, welche von 120 Kindern besucht wird.
Früher wurde der Unterricht in den Wohnungen der Einwohner gehalten.
[127]
an der Strasse von Annaberg nach Chemnitz, unfern des südlich sich erhebenden Greifensteins an einem Bache, der nach seiner Vereinigung mit dem Ehrenfriedersdorfer Wasser die Wilzsch heisst, gelegen.
Das Rittergut, Hof-Thum genannt, liegt dicht an dem Städtchen Thum und ist dasselbe, welches wir in der Abbildung erblicken.
Nach und nach hat dieses Rittergut vorn Städtchen Thum Wiesen gekauft und ist deshalb der jedesmalige Besitzer von Hof-Thum Bürger in der Stadt Thum. Das Rittergut ist stark und wie das Bild darthut, schön gebaut. Die Schäferei und die Kalköfen liegen beim Marktflecken Herold.
Thum, die Stadt und das Rittergut welches früher ein blosses Vorwerk war, gehörte zu der Herrschaft Wolkenstein, deren erste bekannte Besitzer die von Waldenburg waren. Schon im Jahre 1241 kamen dieselben hier vor und zu der Herrschaft gehörten die Orte Wolkenstein, Geyer, Ehrenfriedersdorf, Thum und Zschopau. Nach dem Aussterben der Herren von Wolkenstein kam die Herrschaft 1440 oder einige Jahre später an Kurfürst Friedrich den Sanftmüthigen. Im Jahre 1485 übernahm solche sein Sohn Albrecht der Beherzte. Dieser verkaufte Thum oder Hof-Thum im Jahre 1499 mit allen Rechten an seinen Rath Heinrich von Schönberg dem Aelteren zu Stollberg um 725 Gulden, dessen Nachkommen es bis auf die neuesten Zeiten nebst Jahnsbach, Gelenau u. s. w. besessen haben.
Die sächsische Familie von Schönberg ist wohl zu unterscheiden von der Rheinländischen in diesem Album schon näher auch beschriebenen Gräflichen Familie gleichen Namens. Die sächsische Familie führt einen aufrecht stehenden Löwen im Wappen, halb roth halb grün im goldenen Felde und hat bis zu Anfang des 14. Jahrhunderts ihr Stammschloss Schönberg bei Naumburg besessen, welches dann an das Stift zu Naumburg übergegangen ist.
Seit dem 6. Juli 1847 besitzt die Schönbergsche Familie, Gelenauer Linie, Thum ebenfalls nicht mehr, sondern solches ist vom Herrn Aug. Casp. Ferd. Damm von Schönberg an den Königl. Preuss. Oberstlieutenant a. D. Herrn August Adolph Friedrich Ludwig von Zastrow übergeben worden.
Zur Gerichtsbarkeit des Rittergutes gehörte früher der Marktflecken Herold, ein Theil von Drehbach und Oberndorf. Letzteres hat seinen Namen wahrscheinlich noch aus jenen Zeiten behalten, wo Thum bloss ein Dorf war und wohl das Niederdorf genannt werden mochte; denn dass Oberndorf ursprünglich mit Thum nur einen Ort bildete, ist aus verschiedenen Ursachen mit Grund anzunehmen: Auch hat dasselbe in mancherlei Beziehung z. B. in der Braugerechtigkeit mit der Stadt gleiche Rechte. Oberndorf liegt hart an der Nordseite der Stadt an und erstreckt sich an einem geringen Wasser gegen Nordwest hinauf, wird auch von der Strasse von Chemnitz nach Annaberg durchschnitten.
Oberndorf wie Thum nähren sich mit Posamentierarbeit, mit Spitzenklöppelei, Handwerken aller Art, dem Feld- oder Bergbau. Die hiesigen Bänder und Spitzen werden gewöhnlich an die Handlungen in Annaberg, Chemnitz und Zschopau abgesetzt.
Der Bergbau wird meistens auf Zinnzwitter getrieben und steht unterm Bergamte Annaberg.
Bei Thum findet man den Thumerstein, ein Fossil, das sehr theuer bezahlt und für Sachsen nur hier gefunden wird. Ausserdem bricht man dieses Fossil nur noch in der Dauphinée und zu Kongsberg in Norwegen.
Mitten im Freiwalde, ½ Stunde südlich von Thum entfernt, liegt der obenerwähnte Greifenstein. Dieser Felsen besteht aus 9 bis 10 senkrecht und freistehenden gegen 100 Fuss hohe Spitzen bildenden Granitfelsen. Diese Felsengruppe ist höchst sonderbar gestaltet und mit Bäumen malerisch durchwachsen, die in der Ferne das Ansehen einer alten Burg hat. Die Steinblöcke liegen schichtenweis, wie Betten, über einander, immer kleiner und kleiner, flugs bis zu der Grösse eines Hutes und dem Ansehen nach sind sie so locker, als wollten sie jeden Augenblick zusammenstürzen. Auf einem derselben kann man bequem gehen und man hat darauf eine Aussicht von 6 Meilen des Erzgebirges. Von der höchsten Spitze des Felsens aus ist schon mehrmals die Umgegend aufgenommen worden. Diese Felsen sind eben so geformt, wie der Rudolphstein im Fichtelgebirge.
Die ganze Gegend wird durch diese Felsenparthie und durch das Thumer Wasser höchst romantisch und an den Greiffenstein knüpfen sich eine Reihe Sagen, zu deren näherer Aufzählung hier kein Platz ist.
Das Thumer Wasser heisst auch das Greifensteiner und ist als solches vom Greiffenbache zu unterscheiden. Ersteres entsteht durch Vereinigung zweier Bäche, des Oberdorfer Wassers und des Jahnsbaches. Der Jahnsbach bespült auch die Stadt Thum selbst. Die Vereinigung [128] beider Bäche geschieht beim Rittergute Hof-Thum. Unter Ehrenfriedersdorf bei der obern Mühle des Dorfes Herold durch Zusammenfluss des Thumer Wassers mit dem Ehrenfriedersdorfer Röhrgraben bildet sich der ansehnliche Bach der Wilzsch. Die vereinigte Wilzsch fliesst durch Herold gegen Nord, treibt dann in einem tiefen, finster bewaldeten Grunde die Gelenauer Bretmühlen, theilt das Dörfchen Wilzsch vom untern Ende von Gelenau, empfängt den reissenden Gelenauer Bach und wendet sich nordöstlich in einen tiefen, einsamen, höchst melancholischen Wiesengrund, wo sie noch einige geringe Bäche aufnimmt; gegen 200 Ellen hoch streben aus derselben die meist bewaldeten Berge empor. Von Gelenau 1¼ Stunde entfernt fliesst ihr das Weissbacher Dorfwasser zu, und Weissbach selbst wird fast von ihr berührt. Hier wird ihr Lauf östlich und unter dem grossen, felsigen Heidel- oder Beerberg mündet sie in die Zschopau. Unterwärts ⅝ Stunde entfernt liegt Zschopau. Diese letzte Parthie des Wilzschthales, welches zu den grandiosesten im Erzgebirge gehört, dürfte leicht als die schönste zu erklären sein, und gewährt von den jenseits der Zschopau ganz steil emporsteigenden Höhen des Scharfensteiner Forstes hinab einen herrlichen Anblick.
Jahnsbach und das Rittergut Thum sind in die Stadtkirche von Thum eingepfarrt, deren Collator der jedesmalige Rittergutsbesitzer von Gelenau ist.
Eine Kapelle soll, der Sage nach, schon im 15. Jahrhundert hier gestanden haben und in ihr ein wohnender Thum d. i. Domherr Messen gelesen und von ihm der Ort den Namen Thumb oder Thum erhalten haben. Nach dessen Tode ist die Kapelle erweitert und in eine Kirche umgewandelt worden. Schon in den frühesten Zeiten hat sie den Namen St. Anna geführt und ist dieser Name noch jetzt an der äussern Südseite der Kirchenmauer in Stein gehauen zu lesen. Im Jahre 1590 erhielt sie eine Orgel, die aber im 30jährigen Kriege zerstört, späterhin verändert und endlich ganz erneuert wurde. Im Jahre 1602 den 23 März brannte die Kirche nebst der Schule und 22 Bürgerhäusern völlig ab. Unter der Leitung des damaligen Pastor Viehweger wurde im Jahre 1703 die jetzige Kirche erbaut. Die Kirche besitzt ein Vermögen von 2000 Rthlr. und eine werthvolle Bibliothek, in welcher sich unter anderen Schriften von Bedeutung ein geschriebenes Testament von 1471 und Dr. Luthers sämmtliche Werke sich befinden.
In der Kirche wird jährlich eine Bergpredigt gehalten.
Der Marktflecken Herold ist merkwürdiger Weise mit Ausnahme einer geringen Häuserzahl nicht nach Thum, sondern nach Drehbach eingekircht, einem Dorf, von welchem 24 Häuser dem Rittergute[WS 2] Thum unterworfen waren. Die Schulstelle in Herold wird dagegen von dem Besitzer des Rittergutes Thum besetzt.
Der Flecken Herold zeichnet sich durch 2 bedeutende Spinnfabriken aus, welche durch ihre stattlichen Gebäude dem Orte ein freundliches Ansehen geben. Die niedere Fabrik gehört dem Kaufmann Martin und wurde 1833 erbaut; die obere, im Jahre 1835 entstanden, gehört den Gebrüdern Horn. In jeder Fabrik befindet sich eine Schule. Die Fluren des Dorfes haben einen Flächeninhalt von 379 Ackern.
Der Ort hat einen sehr besuchten Jahrmarkt, welcher am Montage nach Burkhardi gehalten wird.
Ausserdem befinden sich hier 1 bedeutende Kalkbrennerei, 1 Gasthof, 2 Mahlmühlen, 1 Oelmühle und 1 Zeughammer; auch wird Bergbau getrieben.
Zu Thum wird noch, ausserhalb liegend, die sogenannte Herrenmühle und die Rathsmühle gezählt. Oberndorf bildet mit der Stadt Thum eine Gemeinde.
In Thum selbst befindet sich eine Postexpedition.
Früher gab es hier Bleigruben und an der Wilzsch Seifenwerke, und das Thumer Bier war berühmt, obschon dasselbe jetzt noch gut genannt werden muss.
Thum hatte im 30jährigen Kriege viel zu erdulden, was bei der nicht grossen Wohlhabenheit des Ortes um so schrecklicher war, und das letzte Gefecht des 30jährigen Krieges den 15. Jan. 1648 wird – zwar unpassend – die Thumer Schlacht genannt.
Thum, das Rittergut, hat 36 bewohnte Gebäude mit 72 Familienhaushaltungen und 433 Einwohnern.
Thum, die Stadt, hat 221 bewohnte Gebäude mit 489 Familienhaushaltungen und 2450 Einwohnern.
Beide gehören zum Gerichtsamt Ehrenfriedersdorf, zum Bezirksgericht Annaberg, zur Amtshauptmannschaft Niederforchhain, zum Regierungsbezirk Zwickau.
Thurn, das Rittergut und Dorf, bildet mit Gelenau, Herold und Jahnsbach die 4 Landgemeinden dieses Gerichtsamtes, wozu noch die beiden Städte Ehrenfriedersdorf und Thum gerechnet werden. Trotz der wenigen Ortschaften hat das Gerichtsamt Ehrenfriedersdorf doch eine Seelenzahl von 12,478 Unterthanen.
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Anmerkungen der Vorlage
- ↑ handschriftliche Korrektur: Leubsdorf
Anmerkungen (Wikisource)
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