Alexander oder der Lügenprophet
1. Du glaubtest vielleicht, mein bester Celsus,[1] etwas recht Leichtes und Unbedeutendes von mir zu verlangen, da du mir auftrugst, dir ein eigenes Buch von dem Leben des Magiers Alexander von Abonoteichus[2] und von dessen listigen Anschlägen, verwegenen Streichen und gauklerischen Künsten zu schreiben. Allein eine genaue und in’s Einzelne gehende Untersuchung und Darstellung dieses Gegenstandes wäre in der That keine geringere Aufgabe, als die Abfassung einer Geschichte der Thaten Alexander’s des Großen. Denn jener Alexander war ein eben so großer Betrüger, als der Sohn Philipp’s ein großer Held. Gleichwohl, wenn du mir versprechen willst, mich mit Nachsicht zu lesen, und das Mangelhafte meiner Erzählung in Gedanken zu ergänzen, so will ich mich der Arbeit unterziehen und versuchen, diesen Augiasstall wo nicht ganz, doch so weit ich’s vermag zu reinigen. Und wenn ich auch nur wenige Körbe herausschaffen werde, so wirst du aus diesem schon abnehmen können, wie unermeßlich die gesammte Menge Unraths seyn muß, den dreitausend Ochsen in vielen Jahren liefern konnten.
[820] 2. Uebrigens gestehe ich, daß ich mich hiebei für dich und mich schäme: für dich, weil du den heillosesten aller Schurken eines schriftlichen Denkmals würdig achtest; für mich, weil ich mich so ernstlich mit der Geschichte und den Thaten eines Menschen beschäftige, der, statt daß man von ihm ein Buch für die Unterhaltung gebildeter Leser schreibe, vielmehr verdient hätte, in einem großen Amphitheater, im Angesichte aller Welt, von Affen und Füchsen zerrissen zu werden. Allein, wenn man mir dieses Geschäft zum Vorwurf machen wollte, so könnte ich mich auf einen ähnlichen Vorgang berufen, indem jener berühmte Schüler Epictet’s, Arrhian, ein sehr ausgezeichneter Römer, der sein ganzes Leben dem Umgang mit den Wissenschaften gewidmet hatte, sich etwas Aehnliches beigehen ließ und daher auch meine Vertheidigung füglich übernehmen könnte. Arrhian nämlich hat es nicht unter seiner Würde gehalten, das Leben des Straßenräubers Tilliborus zu schreiben. Meine Denkschrift hingegen hat einen noch weit schlimmern Räuber zum Gegenstande, der nicht blos in Wäldern und auf den Bergen Mysien’s[3] und auf dem Ida sein Wesen trieb, sondern mitten in volkreichen Städten raubte, und seine Plünderungen nicht blos auf einige minder bevölkerte Strecken Asiens beschränkte, sondern fast das gesammte Römische Reich zum Schauplatze seiner Freibeutereien machte.
3. Vorerst will ich dir nun den Mann nach seinem Aeußern beschreiben, und dir in Worten eine so getreue Abbildung von ihm zu geben versuchen, als ich, der ich nicht [821] eben ein glücklicher Maler bin, zu geben im Stande seyn werde. Seine Statur, um mit dieser anzufangen, war groß und schön, und hatte in der That etwas Majestätisches. Seine Hautfarbe war weiß, sein Bart sorgfältig gehalten, und seinen eigenen Haaren waren noch fremde so künstlich angepaßt, daß Niemand dieselben für fremde erkannte. Der lebhafte, feurige Blick seiner Augen verrieth Begeisterung: der Ton seiner Stimme war äußerst klar und wohlklingend, kurz seine ganze äußere Erscheinung durchaus ohne Mangel.
4. Aber sein Gemüth, seine Denkungsart – o ihr schützenden Mächte des Himmels! – Wer wollte nicht lieber seinem ärgsten Feinde, als einem Menschen dieser Art in die Hände gerathen? Zwar besaß er durchdringenden Verstand, Scharfsinn und Gewandtheit des Geistes in ungewöhnlichem Grade, und war, wie wenige Menschen, mit der glücklichen Gabe ausgerüstet, alles Lernbare schnell sich anzueignen und zu behalten: allein er verwendete diese Fähigkeiten zu den schlechtesten Zwecken; und durch den Mißbrauch so edler Kräfte brachte er es in Kurzem zu dem ersten Range unter den verrufensten Uebelthätern, und übertraf noch die Cercopen, übertraf einen Eurybatus, Phrynondas, Aristodémus und Sostratus.[4] Gleichwohl war dieser Mensch in einem Briefe an seinen Eidam Rutillianus so bescheiden, sich mit Pythagoras zu vergleichen! Aber – die Manen des göttlichen Weisen mögen mir verzeihen! – wenn Pythagoras zu dieses Alexander’s Zeit gelebt hätte, er würde mir ein Kind gegen ihn geschienen [822] haben. Um aller Grazien willen, mein Freund, denke nicht, daß ich, wenn ich Dieß sage, den Pythagoras lästern, oder die Handlungen dieser Beiden mit einander in Vergleichung bringen wolle. Sondern ich sage nur: wenn man das Schlimmste, und Schmählichste, was je in verläumderischer Absicht dem Pythagoras nachgesagt worden, und was ich für wahr zu halten weit entfernt bin, zusammennähme, so würde alles Das immer noch den kleinsten Theil von den Schändlichkeiten ausmachen, die sich Alexander zu Schulden kommen ließ. Um dir ein Bild von ihm zu machen, so stelle dir einen Charakter vor, der aus einer bunten Mischung von Lüge, Trug, Meineid, bösen Künsten aller Art zusammengesetzt ist: gewandt, unternehmend, verwegen, unermüdlich, wenn es gilt, Entwürfe in’s Werk zu setzen, geschickt, sich Zutrauen und Glauben zu verschaffen, im Besitze der Kunst, sich für besser zu geben, als man wirklich ist, und seine Absicht so täuschend zu verbergen, daß man das gerade Gegentheil davon zu wollen scheint. Gewiß hat es noch Keinen gegeben, der nicht nach dem ersten Zusammentreffen mit diesem Alexander die Meinung von ihm wegtrug, daß er der beste, rechtlichste, und dabei einfachste und geradeste Mensch unter der Sonne wäre. Dabei hatte er etwas Großartiges in seinem Wesen, indem seine Gedanken nie mit Kleinigkeiten, sondern stets mit wichtigen und umfassenden Gegenständen und Entwürfen beschäftigt waren.
5. Als Jüngling mit allen Reizen der Jugendblüthe geschmückt (wie noch aus den Ueberresten zu schließen war und Alle bezeugten, die ihn damals schon kannten), gab er sich den frechsten Ausschweifungen hin, und war um Lohn [823] Jedem, der es wünschte, zu Willen. Unter andern Liebhabern zog ihn einst ein gewisser Betrüger aus der Classe Derjenigen an sich, welche die Kunst vorgeben, mittelst Zauberei und Beschwörungen in geliebten Personen Gegenliebe zu erregen, Feinde zu bannen, Schätze zu erheben, und zu reichen Erbschaften zu verhelfen. Dieser Mensch bemerkte die glückliche Anlage des Jünglings, und sah, wie bereitwillig er war, ihm bei Ausübung seiner bösen Künste an die Hand zu gehen, indem Derselbe an dieser Profession kein geringeres Wohlgefallen bezeugte, als er selbst an den Reizen des jungen Menschen empfand: er nahm ihn also in die Lehre, und bediente sich seiner in der Folge beständig als eines Gehülfen, Dieners und Mitarbeiters. Oeffentlich gab sich dieser Mann für einen Arzt aus; und wirklich verstand er so gut als einst [Polydamna] die Gattin des Aegyptiers Thon bei Homer,
Mancherlei heilsame Würze, und mancherlei schlimme zu mischen.[5]
Und dieser gesammten Wissenschaft Erbe ward nun unser Alexander. Sein Meister aber und Liebhaber war gebürtig aus Tyana, und Einer jener vertrautesten Schüler des Apollonius aus Tyana, die mit der ganzen Comödie, welche dieser weltberühmte Mann spielte, genau bekannt waren. Du siehst also, was es für eine Schule war, welche unsern Helden bildete!
6. Alexander hatte bereits die männliche Reife erreicht, als sein Tyanenser starb; und da seine jugendlichen Reize, von denen er hätte leben können, allmählig verblühten, so [824] galt es, um nicht in die äußerste Noth zu gerathen, herzhaft irgend einen großen Entschluß zu fassen. Er verband sich daher mit einem gewissen Chronikenschreiber von der Gattung Derer, die sich bei öffentlichen Wettspielen hören lassen, wenn ich nicht irre mit Namen Coccónas, aus Byzanz, einem Menschen von noch weit verworfenerem Charakter, als er selbst; und nun zogen sie miteinander umher, machten der Welt ihre Gaukeleien vor, und beschworen die Dickköpfe, wie die Leute vom großen Haufen in der Zunftsprache dieser Hexenmeister heißen. Unter Andern gerieth auch eine Macedonierin in ihre Hände, die zwar nicht mehr jung war, aber gleichwohl noch Ansprüche auf Liebenswürdigkeit machte: von dieser Frau wußten sie sich hinlängliche Mittel zu verschaffen, und folgten ihr, als sie aus Bithynien in ihr Vaterland zurückreiste. Ihre Heimath war Pella, eine Stadt, welche ehmals, unter den Macedonischen Königen, im größten Wohlstande blühte, dermalen aber nur wenige und dürftige Bewohner zählt.
7. Hier sahen sie eine Gattung sehr großer Schlangen, die so zahm und kirre sind, daß sie von den Frauen wie Hausthiere gehalten werden, bei den Kindern schlafen, sich, ohne böse zu werden, würgen und treten lassen, und sogar wie Säuglinge die Milch aus Weiberbrüsten saugen. Da diese Art von Schlangen dort sehr häufig ist, so könnte jenes alte Mährchen von der Olympias[6] dadurch entstanden seyn, indem sie vielleicht, als sie mit Alexandern schwanger ging, eine solche Schlange in ihrem Bette schlafen ließ. Von [825] diesen Kriechthieren kauften sie nun eines der schönsten um wenige Obolen.
8. Und nun nahm die Comödie ihren Anfang.[7] Unsere beiden verwegenen, zu jeder Schurkerei allezeit fertigen Spitzbuben, die sich das Wort gegeben, gemeinsame Sache zu machen, hatten es bald weg, daß Furcht und Hoffnung die großen Tyrannen sind, welche das menschliche Leben beherrschen, und daß, Wer die Eine wie die Andere gehörig zu benützen wüßte, in Kurzem ein reicher Mann werden könnte. Sie sahen, wie für den Fürchtenden sowohl als für den Hoffenden nichts nöthiger und wünschenswerther ist, als das Zukünftige voraus zu wissen, und wie Delphi, Delos, Claros und das Orakel der Branchiden nur darum so reich und berühmt wurde, weil die Leute von jenen beiden Tyrannen getrieben, und begierig, die Zukunft zu erfahren, nach diesen Tempeln liefen, Hekatomben opferten und goldene Ziegel darbrachten. Sie faßten also, nach gemeinschaftlicher Ueberlegung und gegenseitiger Austauschung ihrer Ansichten, den Entschluß, eine förmliche Orakelfabrik zu errichten, überzeugt, wenn dieses Geschäft ihnen von Statten ginge, alsbald zu großem Reichthum zu gelangen. Und in der That, es gelang ihnen über alle Erwartung.
9. Die erste Frage war, an welchem Orte die Sache in’s Werk gesetzt, sodann wie sie angefangen, und welche Gestalt der Unternehmung gegeben werden sollte. Coccónas meinte, der geeignetste Ort wäre Chalcédon, weil dieser bedeutende [826] Handelsplatz nahe an Thracien und Bithynien liegt, und nicht weit von Galatien und andern Asiatischen Landschaften entfernt ist. Alexander dagegen gab seiner Heimath den Vorzug, indem er sehr richtig bemerkte, daß man es, um eine solche Unternehmung mit Glück zu eröffnen, mit beschränkten und einfältigen Menschen, die Alles für baare Münze nehmen, zu thun haben müße. Dergleichen Leute wären seine Paphlagonier, zumal Die in der Gegend von Abonoteichus, ein abergläubisches, dummes Volk, das jedem Gaukler, der mit einem Trompeter, oder Trommel- und Cymbelnschläger angestochen komme, und wenn er auch nichts Besseres wäre als ein[WS 1] gemeiner Siebprophet, mit aufgesperrtem Maule zulaufe, und als einen vom Himmel gestiegenen Mann angaffe.
10. Nachdem sie eine Weile über diese Frage gestritten hatten, siegte endlich Alexander. Weil ihnen aber Chalcédon gleichwohl für ihre Absichten förderlich zu seyn schien, so begaben sie sich nach dieser Stadt, und vergruben in dem dortigen uralten Apollotempel einige eherne Tafeln mit einer Aufschrift, des Inhalts, Aesculap werde nächstens mit seinem Vater Apollo nach Pontus kommen und seinen Sitz in Abonoteichus nehmen. Diese Tafeln waren sorgfältig so gelegt, daß sie gefunden werden mußten; und so verbreitete sich schnell die Sage davon durch Bithynien und in ganz Pontus; und zu Abonoteichus, wohin sie zuerst gelangte, beschloßen die Einwohner unverzüglich, einen Tempel zu erbauen, und fingen wirklich an, das Fundament zu graben. [Während Alexander vorausreiste] blieb Coccónas in Chalcédon zurück, beschäftigt, zweideutige, räthselhafte und verschrobene Orakelsprüche [827] zusammenzuschreiben: allein er starb bald darauf, wo mir recht ist, an dem Bisse einer giftigen Natter.
11. Inzwischen erschien Alexander, der (wie gesagt) vorausreiste, allenthalben mit herabwallenden Locken, in einem weißgestreiften Purpurgewande, über welches er einen weißen Talar geworfen hatte, und mit einem krummen Säbel in der Hand, dergleichen [auf Bildwerken] Perseus zu tragen pflegt, von welchem er sein Geschlecht mütterlicher Seite herleitete. Und die elenden Tröpfe von Paphlagoniern, die doch recht gut wußten, daß seine beiden Aeltern gemeine und arme Leute waren, glaubten dem Orakel, welches ihnen sagte:
Perseus’ göttlicher Sproß, Alexandros, Liebling Apollon’s,
Ist zu schauen allhier; Podaleirios hat ihn gezeuget.
Da müßte denn doch wohl Podalirius nicht bei Troste gewesen seyn, wenn ihn die Geilheit von Tricca[8] bis nach Paphlagonien zur Mutter Alexander’s getrieben hätte! – Auch ließ sich ein Orakel finden, das von der Sibylla herrühren sollte, und also lautete:
In der ummauerten Burg, bei Sinópe, am Ufer des Pontos,
Wird, wenn Italier herrschen, ein großer Prophet einst aufsteh’n.
Dreimal zehen zu Eins, und zwanzig dreimal zu fünfen,
Gibt vier Laute vom Namen des heilverbreitenden Mannes.[9]
[828] 12. Dieses und ähnliches Blendwerk verschaffte dem Alexander, als er seine Heimath nach langer Zeit wieder besuchte, ein großes und allgemeines Ansehen. Bisweilen stellte er sich, als ob er von heiliger Wuth befallen wäre, und sprudelte Schaum aus dem Munde, was er sehr leicht bewerkstelligen konnte, indem er nur die Wurzel des Seifenkrautes, einer Färbepflanze, zu kauen brauchte. Die guten Leute aber sahen etwas Uebernatürliches und Schauerliches in diesem Schaum. Auch hatte er sich schon früher in Gemeinschaft mit Coccónas einen Drachenkopf, der einige Aehnlichkeit mit einem Menschengesicht hatte, aus leinenen Lappen verfertigt, und denselben so künstlich bemalt, daß er wie lebendig aussah: der Mund wurde an Pferdehaaren auf- und zugezogen, und reckte eine, gleichfalls durch Haare in Bewegung gesetzte, gespaltene und schwarze Schlangenzunge heraus. Eben so ward die Schlange aus Pella in Bereitschaft gehalten, und zu Hause gefüttert, um zur Zeit auf dem Schauplatze zu erscheinen, und ihre Rolle, die Hauptrolle in der ganzen Comödie, zu spielen.
13. Wie nun endlich der Anfang gemacht werden sollte, gebrauchte er folgenden Kunstgriff. Er schlich sich bei Nacht [829] an den Ort, wo das Fundament zu dem neuen Tempel gegraben worden war. In demselben befand sich eine Pfütze, welche entweder vom Regen oder aus dem Wasser entstanden war, das sich in dieser Grube allmählig gesammelt hatte. Ein ausgehöhltes Gänseey, das eine kleine, eben erst ausgeschlüpfte Schlange barg, legte er in dem schlammigten Grunde der Pfütze nieder, und begab sich dann in der Stille wieder nach Hause. Mit dem Frühsten des andern Tages rennt er nackt mit einem goldenen Schamgürtel um die Hüfte, und jenen krummen Säbel in der Hand, auf den Markt, schüttelt seine aufgelösten Locken, wie ein begeisterter Priester der Cybele, besteigt einen hohen Altar, haranguirt das Volk, und spricht von dem außerordentlichen Glück, das dieser Stadt bevorstehe, den leibhaften Gott in ihre Mauern aufzunehmen. Alle Anwesenden – denn fast die ganze Bevölkerung der Stadt, Weiber, Kinder, Greise, waren zusammengelaufen – staunten, fielen auf die Kniee und beteten an. Inzwischen stieß der Mann viele unverständliche Worte aus, die wie Ebräisch oder Phönicisch klangen, und auf die Menge einen um so stärkern Eindruck machten, weil sie, die Namen Apollo und Aesculap ausgenommen, die er einmal um das andere zwischenein tönen ließ, gar nicht verstand, was er sagte.
14. Auf Einmal läuft er eilends dem angefangenen Tempelbau zu; und, angekommen bei dem Graben und bei seiner so pfiffig angelegten Orakelquelle, steigt er in das Wasser, singt mit mächtiger Stimme Hymnen auf Aesculap und Apollo, und ruft des Gottes gnadenreiche Erscheinung für diese Stadt herbei. Hierauf läßt er sich eine Schale reichen, [830] fährt damit unter das Wasser, und schöpft sammt dem Schlamme das Ey herauf, in welchem er seinen Gott eingesperrt hatte, und woran die Fuge des Deckels mit weißem Wachse und Bleiweiß auf’s beste verklebt war. Hier, rief er, indem er das Ey emporhielt, hier habe ich den Aesculap! Mit stieren Augen gaffte die Menge, was da werden sollte; denn schon die Erscheinung eines Ey’s in diesem Wasser erfüllte sie mit Staunen. Aber als er nun vollends das Ey zerbrach und die junge Schlangenbrut in seiner hohlen Hand empfing, und als alle Umstehenden sahen, wie sich das Thier regte und um seine Finger ringelte, da brachen sie Alle in ein lautes Geschrei aus, hießen den Gott willkommen, priesen das hohe Glück ihrer Stadt, und nahmen die Mäuler gewaltig voll, um sich Schätze und Ueberfluß und Gesundheit und alle möglichen Güter von ihm zu erflehen. Unser Held aber lief spornstreichs nach Hause, seinen eben ausgeschlüpften Aesculap in den Händen, der zweimal, statt einmal, wie wir Menschenkinder, dießmal aber freilich nicht von der Corónis[10] oder einer Krähe, sondern von einer Gans geboren worden war. Der ganze Troß lief hinterher, insgesammt besessen von der neuen Gottheit, und von den wahnsinnigsten Hoffnungen trunken.
15. Einige Tage hielt er sich hierauf zu Hause, in der sehr richtigen Voraussetzung, daß das Gerücht von diesem [831] Vorgange eine große Menge Paphlagonier herbeiziehen werde. Dieß geschah; die ganze Stadt füllte sich über und über mit Leuten an, welche, hirnlos, wie sie waren, nichts als die Gestalt mit vernünftigen Menschen gemein hatten, und, ohne diese, schwer von einer Herde Schafe zu unterscheiden gewesen wären. Da läßt sich denn unser Prophet, nachdem er sich in einen angemessenen Staat geworfen, in einer Art Bude auf einem Polsterstuhle nieder, und nimmt den Aesculap von Pella, jene oben erwähnte große und prächtige Schlange in den Schoos, die so lang war, daß, während sie sich um seinen Hals schlang, mit dem Leibe sich über seinen Schoos verbreitete und den Schwanz auf der Erde ringelte. Nur ihren Kopf hielt er unter der Achsel verborgen, was sie sich geduldig gefallen ließ, und hielt statt dessen den leinenen Kopf aus seinem Mantel vor, als ob er zu der Schlange gehörte, die man vor sich sah.
16. Nun denke dir den engen Raum einer, nicht zur Genüge erhellten, Bude, und eine Menge von allen Seiten zuströmender Menschen, die voraus schon außer aller Fassung waren, und denen die Köpfe von Erwartungen schwindelten: was Wunder, wenn sie bei ihrem Eintritt ein Mirakel darin zu sehen glaubten, daß der kleine Wurm nach wenigen Tagen als ein so gewaltiger Drache erschien, der noch dazu ein Menschengesicht hatte und so fromm und kirre war. Ueberdieß war das Gedränge so groß, daß, Wer kaum eingetreten war, von Neueintretenden wieder hinausgedrückt wurde, und also Nichts genau gesehen werden konnte. Alexander hatte nämlich dem Eingang gegenüber einen Ausgang angebracht, eine Einrichtung, dergleichen die Macedonier zu Babylon in [832] Alexander’s des Großen Sterbezimmer getroffen haben sollen, als das ganze Heer den Pallast umringte, und seinen in den letzten Zügen liegenden König zu sehen und Abschied von ihm zu nehmen verlangte. Uebrigens gab, wie man versichert, der Schurke dieses Schauspiel nicht nur Einmal, sondern wiederholt, besonders wenn neue Schaulustige aus den vermögendern Classen angekommen waren.
17. Und nun, mein lieber Celsus, wenn ich die Wahrheit gestehen soll, so können wir es den guten Paphlagoniern eben nicht sehr verübeln, wenn sie als ununterrichtete und beschränkte Menschen sich hinter das Licht führen ließen, indem sie ja die Schlange mit eigenen Händen betastet (was Alexander Jedem, der Lust hatte, erlaubte), und mit leiblichen Augen – aber freilich nur in dem Dämmerlichte eines engen Gemaches – gesehen hatten, wie der menschenähnliche Drachenkopf den Mund öffnete und wieder schloß. Bei einem so künstlichen Gaukelspiel hätte es eines Demokrit, Epicur oder Metrodor, oder irgend eines andern Mannes von unbesiegbarem Zweifelsinn gegen dergleichen Dinge, bedurft, um stets ungläubig zu bleiben, und entweder die wahre Beschaffenheit der Sache zu errathen, oder, wenn es auch nicht möglich wäre, auf den Grund zu kommen, wie es damit zugehe, doch wenigstens die Ueberzeugung fest zu halten, daß nur die Einrichtung des Blendwerks verborgen, die Sache selbst aber in der Natur nicht möglich und ein bloßer Betrug sey.
18. Nachgerade strömten die Leute auch aus Bithynien, Galatien und Thracien herbei, was nicht fehlen konnte, da so viele Zeugen aussagten, daß sie den Gott zur Welt [833] kommen gesehen, und bald darauf, da er zu außerordentlicher Größe herangewachsen, eigenhändig betastet hätten, und daß er den Kopf eines Menschen habe, u. dgl. Nun wurden Abbildungen von ihm gemacht, sowohl Gemälde als Gußbilder in Erz und Silber, und ihm der Name Glycon auf das Geheiß eines göttlichen Ausspruches ertheilt, welchen Alexander in folgendem Verse eröffnete:
Glycon heiß’ ich und Enkel des Zeus, ein Licht für die Menschheit.
19. Als aber der Zeitpunkt gekommen war, wegen dessen er alle diese Anstalten gemacht hatte, und er nun wirklich Denen, welche die Zukunft zu wissen verlangten, Orakel ertheilen und seinen Gott weissagen[WS 2] lassen wollte, so ließ er sich von Amphilochus[11] in Cilicien den Ton angeben, der nach dem Tode oder vielmehr dem Verschwinden seines Vaters Amphiaraus[12] bei Theben, aus der Heimath flüchtig sich nach Cilicien begeben hatte, gleichfalls den Wahrsager machte, und den guten Ciliciern den Spruch um zwei Obolen verkaufte, ein Geschäft, bei welchem er gar nicht übel fuhr. Nach dem Vorgange dieses Amphilochus also machte Alexander allen Ankommenden bekannt, daß der Gott orakeln würde, und setzte einen bestimmten Tag dazu an. Zugleich gab er die Anweisung, daß Jeder die Frage, an deren Beantwortung ihm am meisten gelegen wäre, in eine Schreibtafel schreiben, diese sodann mit Bindfaden umwinden und mit Wachs, Thon, oder einem ähnlichen Material wohl [834] versiegeln sollte. Er würde sich hierauf die Tafeln geben lassen, sich damit in das Innere des Tempels begeben (denn dieser wurde inzwischen ausgebaut, und die Scene fertig), nach einiger Zeit aber, wenn er die Aussprüche des Gottes vernommen, die Eigenthümer der Schreibtafeln durch einen Herold und einen Theologus der Ordnung nach aufrufen lassen, und Jedem die seinige unerbrochen, wie sie war, wieder zustellen, wo dann Jeder eine, auf seine Frage genau passende, Antwort des Gottes geschrieben finden würde.
20. Einem Mann, wie du – und wie ich, möchte ich hinzusetzen, wenn es nicht zu unbescheiden klänge – kann es nicht schwer seyn, einen Kunstgriff zu durchschauen, der den blöden Augen jener Einfältigen als etwas Unbegreifliches und Wunderbares erscheinen mußte. Alexander, der mehr als Eine Art, versiegelte Schriften heimlich zu öffnen, ausfindig gemacht hatte, las die Fragen alle, beantwortete jede nach Gutdünken, band die Schreibtafel wieder zu, versiegelte sie, und gab sie zum größten Erstaunen des Besitzers zurück. „Wie wäre es möglich,“ so lautete die allgemeine Meinung, „Alles zu wissen, was unter Siegeln von schwer nachzuahmendem Gepräge geschrieben steht, wenn dieses Alles wissende Wesen nicht wirklich ein Gott wäre?“
21. Aber du fragst vielleicht, welches die sinnreichen Mittel waren, deren er sich bediente? So höre denn, um bei Gelegenheit dergleichen Betrügereien aufdecken zu können. Eines dieser Verfahren, mein bester Celsus, ist folgendes: er löste mittelst einer glühenden Nadel das Wachssiegel von der Schreibtafel ab, und nachdem er den Inhalt gelesen, erwärmte er mit seiner Nadel sowohl den Theil des Wachses, [835] über welchen er den Faden gezogen hatte, als den mit dem Siegel, und fügte so beide mit leichter Mühe wieder zusammen. Ein zweites Verfahren geschieht mittelst des sogenannten Collyrium, welches eine aus bruttischem Pech, Judenpech, fein gestoßenem Crystall, Wachs und Mastix zusammengesetzte Masse ist. Diese Mischung wird am Feuer erweicht, und, nachdem man das Wachssiegel mit etwas Fett bestrichen, an demselben abgedrückt. Während das Collyrium trocken und hart wird, wozu es weniger Augenblicke bedarf, öffnet und liest man den Brief mit aller Bequemlichkeit, trägt sodann wieder Wachs auf, und siegelt mit dem inzwischen steinhart gewordenen falschen Stempel, der dem ächten vollkommen gleicht. Noch laß dir ein drittes Mittel beschreiben, dessen er sich bediente. Er mischte Gyps und Buchbinderleim zu einer wachsähnlichen Masse, nahm damit, so lange sie noch weich war, einen Abdruck von dem Siegel; und weil diese Masse in Kurzem fest und hart wie Horn, ja wie Eisen, wird, so bediente er sich ihrer sofort als eines Stempels. Es gibt noch mehrere andere dergleichen Erfindungen zu demselben Zwecke, welche ich, um nicht zu langweilen, übergehe und in einer Zuschrift an dich um so eher unerwähnt lassen kann, da du in deinem eben so nützlichen, als schön geschriebenen Buche gegen die Magier, welches so sehr geeignet ist, seine Leser aufzuklären, genügend und ausführlicher, als hier geschehen kann, von dergleichen Betrügereien gehandelt hast.
22. Er fing also wirklich an, Orakelsprüche zu ertheilen, indem er dabei mit großer Klugheit zu Werke ging, und seinen [836] erdichteten Antworten immer etwas Wahrscheinliches[13] zu leihen wußte. Uebrigens waren diese meist geschraubt und doppelsinnig, etliche auch gänzlich unverständlich, weil er hierin ganz nach Prophetenart verfahren zu müßen glaubte. Sie enthielten, je nachdem es ihm gut dünkte, bald Warnungen, bald Aufmunterungen. Auch verordnete er, weil er, wie ich oben bemerkte, viele ärztliche Kenntnisse besaß, Heilmittel und Verhaltungsweisen: ganz besonders viel aber hielt er auf seine Cytmis, mit welchem selbstgemachten Worte er eine gewisse, aus Ziegenschmalz bereitete, stärkende Salbe benannte. Fragte man ihn um gehoffte Glücksfälle, reichliche Gewinnste, Erbschaften und dergleichen, so wurde der Frager jedesmal auf die Zukunft verwiesen, indem der Gott hinzusetzte: „es wird schon kommen, wenn ich will, und Alexander, mein Prophet, seine Fürbitte einlegt.“
23. Der festgesetzte Preis für jeden Spruch war eine Drachme und acht Obolen [35 kr.]. Glaube nicht, mein Freund, daß sein Einkommen darum gering gewesen sey. Jedes Jahr brachte er seine siebenzig bis achtzig tausend Drachmen zusammen: denn die Menschen waren so unersättlich begierig nach Orakeln, daß sie sogar zehen und fünfzehn Fragen auf einmal einreichten. Uebrigens fielen diese Gelder nicht alle in seinen Sack, sondern er hatte eine Menge Gehülfen um sich, Aufwärter, Kundschafter, Spruchmacher, Aufbewahrer [der geschriebenen Sprüche], Protocollführer, Versiegler, Ausleger, welchen Allen er einen verhältnißmäßigen Sold zahlen mußte.
[837] 24. Auch in entferntere Gegenden schickte er nun Botschafter aus, die dem Orakel einen Namen unter den Völkern machen und erzählen mußten, wie wahr es prophezeihe, wie es entlaufene Sclaven entdecke, Diebe und Räuber an’s Licht bringe, vergrabene Schätze auffinden lasse, Krankheiten heile, ja sogar schon einige Todte auferweckt habe. Die Folge davon war ein ungeheurer Zulauf von allen Seiten; und um so reichlicher fielen die Opfer und die Geschenke aus, welche dem Gotte und seinem Propheten oder Jünger, Jedem besonders, dargebracht wurden. Denn das Orakel hatte unter andern auch folgenden Spruch von sich gegeben:
Meinen Propheten und Diener in Ehren zu halten, befehl’ ich;
Minder theuer ist Goldes Besitz, denn dieser mein Knecht mir.
25. Inzwischen hatten doch Mehrere der Vernünftigern, wie nach einem dicken Rausche, wieder ihre Besinnung erhalten, und standen gemeinsam gegen ihn auf, zumal Diejenigen, welche sich zu Epicur’s Schule hielten: auch war man in den Städten der ganzen Gaukelcomödie und ihrer Maschinerie allgemach auf die Schliche gekommen. Daher erklärte er, um seine Gegner in Schrecken zu jagen, öffentlich, ganz Pontus sey mit Atheisten und Christianern angefüllt, welche sich erfrechten, die abscheulichsten Lästerungen wider ihn auszustoßen: man müße sie steinigen, wenn man anders der Gnade des Gottes versichert seyn wolle. Und als einmal Jemand die Frage stellte, wie sich Epicur in der Unterwelt befinde, ertheilte sein Orakel die Antwort:
[838]Mit Blei gefesselt sitzt er dort,
Bis an den Hals im Kothe.[14]
Wunderst du dich nun noch, wie dieses Orakel zu so hohem Ansehen sich erheben konnte, wenn du siehst, was für kluge und gelehrte Fragen an dasselbe gemacht wurden? Ueberhaupt stand er mit Epicur in beständiger, unversöhnlicher Fehde. Und Das war ganz in der Ordnung. Denn ein Windbeutel, ein Liebhaber von Gaukeleien, ein abgesagter Feind der Wahrheit, wie Dieser war, hat wahrlich keinen Grund, einem Menschen mehr aufsätzig zu seyn, als dem Epicur, einem Mann, der die Natur der Dinge durchschaut und allein die Wahrheit gefunden hat. Alle Uebrigen, die Platoniker, Stoiker, Pythagoräer, galten ihm für gute Freunde: mit Diesen lebte er im besten Vernehmen. Nur dem halsstarrigen Epicur (wie er ihn selbst nannte), der sich mit allem Rechte über dergleichen Possen lustig machte, dem galt sein tödtlichster Haß. Aus eben diesem Grunde konnte er unter allen Pontischen Ortschaften die Stadt Amastris am wenigsten leiden, weil er wußte, daß Lepidus und viele Andere dieses Geistes sich dort aufhielten. Auch ertheilte er nie einem Amastriner ein Orakel. Nur ein einzigesmal getraute er sich, dem Bruder eines Senators von dort zu wahrsagen, machte sich jedoch sehr lächerlich, indem er im Augenblick keine schickliche Antwort zu fabriziren wußte, noch auch Jemand bei der Hand hatte, der ihm hätte helfen können. Der Amastriner hatte nämlich über Magenschmerzen geklagt, und Alexander wollte ihm einen Schweinsfuß, mit Malven gekocht, verordnen; dieß kam denn so heraus:
Gänsepappeln vom Schweine bekümmle im heiligen Mehlsack!
[839] 26. Oben schon bemerkte ich, daß er seine Schlange, so oft man es begehrte, sehen ließ, wobei er jedoch nur den Schwanz und den übrigen Leib derselben zum Vorschein brachte, und den Kopf sorgfältig in seinem Busen verborgen hielt. Nun aber, um das Staunen des Volkes zu steigern, versprach er sogar, es dahin zu bringen, daß der Gott selbst reden, und ohne Propheten orakeln würde. Es war ihm ein Leichtes, zu dem Ende durch Zusammenfügung mehrerer Kranichgurgeln eine Röhre zu bilden, die er in dem bewußten menschenähnlichen Kopf anbrachte, und durch deren äußeres Ende ein (hinten versteckter) Gehülfe die Antworten hineinrief, so daß die Stimme aus dem leinenen Aesculap zu kommen schien. Dergleichen Orakel hießen die autophonischen [die selbstredenden], und wurden nicht Jedem ohne Unterschied, sondern blos Vornehmen und Reichen ertheilt, die sich mit ansehnlichen Geschenken einstellten.
27. So war z. B. das Orakel, welches Severianus[15] wegen seiner Unternehmung gegen (die Parther in) Armenien erhielt, ein autophonisches. Um ihn zu diesem Angriff aufzumuntern, drückte sich der Gott also aus:
Bändigen wirst du mit Waffengewalt Armener und Parther,
Drauf heimkehren nach Rom, zu des Tiberis glänzendem Strome,
Blitzende Strahlen um’s Haupt und die grünende Lorbeerkrone.
Der alberne Geck von Gallier glaubt Das, fällt in Armenien ein, und wird sammt seiner ganzen Armee von Othryades zusammengehauen. [840] Da tilgt mein Alexander jenes Orakel aus seinem Protokoll, und setzt folgendes an seine Stelle:
Wage mir nicht den Armenischen Zug; es drohet Gefahr dir,
Daß dir der Bogen des Mannes im weibischen Medergewande
Sende das Loos des Todes, und Licht und Leben dir raube!
28. Denn auch Dieß gehörte zu den schlauen Finten dieses Menschen, daß er Orakel hinterher verfertigte, um durch dieselben falsche Prophezeihungen zu berichtigen. Wenn z. B., was sehr häufig der Fall war, Kranke, welchen er die Genesung vorhergesagt hatte, starben, so hatte er schon einen Spruch in Bereitschaft, welcher den frühern widerrief, z. B.:
Suche nicht länger ein Mittel, zu heben die leidige Krankheit.
Schon ist der Tod dir verhängt: du kannst ihm nimmer entrinnen.
29. Weil er aber sah, in welchem großen Ansehen die Orakler zu Claros, Didymi und Mallus standen, so suchte er sich auf einen freundschaftlichen Fuß mit ihnen zu setzen, und schickte ihnen daher Viele von den Fragern zu, die sich an ihn gewendet hatten, indem er ihnen zur Antwort gab:
Wandere nach Claros, und höre das Wort von meinem Erzeuger.
Ein andermal:
Nahe dich Branchos heiligem Hain, und horche dem Spruch dort.
Oder auch:
Ziehe nach Mallos hin, Amphilochus weiß dir zu rathen.
30. Alles das Bisherige trug sich innerhalb der Grenzen Paphlagoniens, Galatiens, Ioniens und Ciliciens zu. [841] Nachdem aber der Ruf des Orakels auch in Italien sich verbreitet und in der Römischen Hauptstadt selbst Eingang gefunden hatte, da beeilte sich Jeder, dem Andern zuvorzukommen. Einige gingen selbst, Andere schickten ihre Leute ab; am eifrigsten aber bewiesen sich gerade die durch Einfluß und Rang bedeutendsten Männer der Stadt. An ihrer Spitze befand sich Rutillian, ein sonst braver und rechtschaffener Mann, der schon viele Aemter zu Rom mit Ehren bekleidet hatte, dessen Gehirn aber an einem religiösen Aberglauben krankte, welcher ihn das ungereimteste Zeug für wahr halten ließ. Wo er z. B. nur einen besalbten oder bekränzten Stein gewahr wurde, da warf er sich vor ihm auf die Kniee, und verließ ihn nicht eher, als bis er ihm sein Wohlergehen in den andächtigsten Gebeten anempfohlen hatte. Auf die Nachricht von dem neuen Orakel fehlte also wenig, daß dieser Ehrenmann sein ihm anvertrautes Staatsamt im Stiche gelassen hätte und flugs nach Abonoteichus geeilt wäre. Er schickte jedoch einen Boten um den andern: allein seine Abgeordneten waren unwissende Bediente, die sich leicht hintergehen ließen, und bei ihrer Zurückkunft erzählten, was sie gesehen oder wenigstens geglaubt hatten, zu sehen und zu hören, auch wohl in der Absicht, sich bei ihrem Herrn in ein desto größeres Ansehen zu setzen, ein gut Theil zumaßen. Und so erhitzten sie den armen Alten dergestalt, daß sich seine abergläubischen Vorstellungen zur förmlichen Narrheit steigerten.
31. Er ging bei seinen Freunden herum, deren er sehr viele unter den einflußreichsten Männern der Stadt zählte, und theilte ihnen die durch seine Abgesandten erhaltenen Nachrichten, vermehrt mit eigenen Zuthaten, mit. Auf diese Weise [842] ward in Kurzem ganz Rom von der Geschichte voll: die Köpfe geriethen in die lebhafteste Bewegung, und besonders waren es die Leute vom Hof, welche diese Kunde in Allarm setzte, und von welchen sich Viele aufmachten, um gleichfalls Etwas über ihre Zukunft zu erfahren. Unser Prophet ermangelte nicht, diese Ankömmlinge auf’s verbindlichste zu empfangen, und sie durch gastfreundschaftliche Gefälligkeit und Geschenke von bedeutendem Werth für sich zu gewinnen, damit sie bei ihrer Zurückkunft nicht nur die ihnen ertheilten Sprüche ausposaunen, sondern auch das Lob der neuen Gottheit allenthalben verkündigen, und von dem Orakel, so wie von seiner eigenen Person, tausend erlogene Wunderdinge in Umlauf bringen möchten.
32. Einer der schlauesten Kniffe des durchtriebenen Spitzbuben, ein Kniff, dessen ein alltäglicher Gauner nicht fähig gewesen wäre, war folgender. So oft er bei’m Eröffnen der eingereichten Papiere eines fand, das eine kecke und gefährliche Frage enthielt, so behielt er es zurück, und hatte somit den Frager, der sich des Gefährlichen seiner Frage bange bewußt seyn mußte, gänzlich und nicht viel besser als einen Sclaven, in seiner Gewalt. Du kannst dir vorstellen, mein Freund, was alles für Fragen von jenen vornehmen und im Staate viel bedeutenden Männern mögen gestellt worden seyn. Solche waren’s, die ihn am besten bezahlten, weil sie wußten, daß er sie ganz und gar in seinem Garne hatte.
33. Ich will dir nun einige von den Antworten, die Rutillianus erhalten, mittheilen. Dieser hatte unter Anderm gefragt, was er seinem Sohne aus erster Ehe, der in die Jahre des wissenschaftlichen Unterrichts getreten war, für einen [843] Lehrer geben sollte? Die (autophonische) Antwort des Gottes war:
Gib den Pythagoras ihm, und den herrlichen Sänger der Schlachten.
Nach wenigen Tagen starb dieser Sohn, und Alexander war in keiner geringen Verlegenheit, was er Denen antworten sollte, die sich darüber aufhalten würden, daß sein Spruch so handgreiflich zu Schanden geworden war. Allein der gute Rutillianus kam ihm mit einer Ehrenrettung seines Orakels zuvor, indem er sagte, gerade Das habe der Gott vorbedeuten wollen, darum habe er ihm Keinen der Lebenden, sondern die beiden längst Verstorbenen, Pythagoras und Homer, zu Lehrern angerathen, in deren Umgang nun der Jüngling ohne Zweifel in der Unterwelt sich befinden werde. In der That – sollen wir Alexandern darum tadeln, wenn er es am liebsten mit Leutchen von diesem Schlage zu thun hatte?
34. Ein andermal fragte er ihn, von welchem der Verstorbenen er seine Seele überkommen habe? Alexander orakelte:
Erst warst du der Pelide Achill, drauf warst du Menander,
Drauf was jetzo du scheinst. Wenn hundert und achtzig der Jahre
Einst du gelebt, dann wirst du zum Sonnenstrahle dich wandeln.
Allein der Mann wartete nicht, bis das Versprechen des Gottes in Erfüllung ging, sondern starb in seinem siebzigsten Jahre an einer Gallenkrankheit.
35. Auch folgender Spruch war ein autophonischer. Rutillian hatte wissen wollen, was er für eine Gattin wählen solle, und erhielt mit dürren Worten den Bescheid:
Freye die Tochter der Luna, von Alexander erzeuget.
[844] Der Prophet hatte nämlich lange zuvor schon die Sage in Umlauf gesetzt, die Tochter, die er bei sich hätte, wäre ihm von der Mondgöttin geboren worden: Diese hätte ihn einst schlafen gesehen und wäre von Liebe zu ihm entbrannt, wie es denn so die Art dieser Göttin ist, sich in schöne Schläfer zu verlieben. Und wirklich bedachte sich der hochweise Rutillianus keinen Augenblick, sondern ließ das Mädchen abholen, und feierte mit ihr, ein Bräutigam von sechzig Jahren, seine Hochzeit, nachdem er sich zuvor die Gunst der Schwiegermutter Luna mit ganzen Hecatomben zu verschaffen gesucht hatte. Auf diese Art glaubte der Mann nun gleichfalls der Himmlischen Einer geworden zu seyn.
36. So wie er sich auf diese Art in Verbindung mit Italien gesetzt hatte, dachte er darauf, seinem Geschäfte eine größere Ausdehnung zu geben, und schickte zu dem Ende Emissarien mit Orakelsprüchen durch das ganze Römische Reich, um die Städte vor bevorstehenden Seuchen, Feuersbrünsten und Erdbeben zu warnen, und ihnen seine mächtige Hülfe zu versprechen, damit ihnen nichts Dergleichen zustoße. Einer dieser Sprüche, gleichfalls ein autophonischer, den er während der großen Pest in alle Lande ausgehen ließ, bestand in diesem einzigen Verse:
Phöbus, das Haupt ungeschoren, verjagt die Wolke der Seuche.
Dieser Vers war damals, als ein magisches Verwahrungsmittel wider die Pest, fast über jeder Hausthüre zu lesen. Allein der Erfolg war bei den Meisten gerade der entgegengesetzte. Denn durch ein besonderes Verhängniß starben meist eben die Häuser zuerst aus, an welchen jene Worte angeschrieben [845] waren. Nicht als ob ich sagen wollte, das Verschen selbst hätte ihnen das Verderben gebracht: doch mochte es in so fern mehr als bloser Zufall gewesen seyn, als die Leute, ohne Zweifel im blinden Vertrauen auf diese Formel, vernachläßigten, die nöthige Vorsicht in der Lebensordnung zu beobachten und der magischen Kraft des Orakels gegen die Krankheit zu Hülfe zu kommen, als ob sie an diesen Sylben schon die tüchtigsten Vorkämpfer hätten, und als ob der unbeschorene Phöbus mit seinen Pfeilen die Pest von ihnen wegjagen werde.
37. In Rom selbst hatte er eine große Anzahl Solcher, die in sein Geheimniß eingeweiht waren, als Kundschafter angestellt, welche ihn von der Denkungsart und den Neigungen eines Jeden, so wie von den Fragen benachrichtigen mußten, von welchen zu vermuthen war, daß sie nächstens würden gemacht werden, damit die Abgesandten, wenn sie ankämen, ihn zum Antworten schon vorbereitet finden möchten. So viel über seinen schlau betriebenen Verkehr mit Italien.
38. Er war ferner auf den Gedanken gekommen, ein mystisches Fest mit Fackelträgern und Hierophanten anzuordnen, dessen Begehung drei volle Tage dauerte. Am ersten Tage wurde, ähnlich wie bei den Athenern, der Anfang mit folgendem öffentlichen Ausrufe gemacht: „Wofern ein Gottesläugner, Christianer oder Epicuräer gekommen seyn sollte, dieser heiligen Feier als Kundschafter anzuwohnen, der weiche von dannen! Alle gläubigen Verehrer unseres Gottes aber mögen sich zu ihrem Heil und Segen seiner geheimen Weihe theilhaftig machen!“ Und nun ging’s an die Austreibung der Profanen[WS 3]. Er selbst gab das Signal mit dem Rufe: [846] „Hinaus mit den Christianern!“ und die ganze Menge schrie hinten drein: „Hinaus mit den Epicuräern!“ Hierauf ward dramatisch dargestellt die Niederkunft der Latona, die Geburt des Apollo, die Hochzeit der Corónis und die Geburt des Aesculap. Am folgenden Tage ward auf dieselbe Weise gefeiert die Erscheinung Glycon’s auf der Welt, oder die wunderbare Geburt dieses Gottes.
39. Der dritte Tag endlich brachte die Vermählung des Podalirius mit der Mutter Alexander’s. Weil an diesem Tage die Fackeln brannten, so hieß er Dadis (der Fackeltag). Den Beschluß machte die Liebesscene zwischen Luna und Alexandern und die Geburt der Gemahlin des Rutillanus, wobei unser Endymion-Alexander in Person als Daduch und Hierophant seine Rolle spielte. Er lag schlafend mitten im Saale; da stieg von der Decke, als aus dem Himmel, herab statt der Luna eine reizende Frau, Namens Rutillia, die Gattin eines kaiserlichen Einnehmers, welche in Alexandern eben so ernstlich verliebt war, als sie von ihm wieder geliebt wurde. Und nun küßten und umarmten sie sich vor den Augen des bemitleidenswerthen Ehemannes; und nur die vielen Fackeln mochten verhindern, daß nicht – noch mehr geschah. Hierauf trat eine Pause ein, nach welcher Alexander im Hierophanten-Ornat und unter tiefem Stillschweigen wieder erschien, und nach einer Weile mit mächtig gehobener Stimme rief: Jo Glycon! Und ein hinter ihm her laufender Troß Paphlagonier, schmutzige Kerls in rohledernen Bauerschuhen, denen die Knoblauchbrühe aus dem Halse stank, und die seine Eumolpiden und mystischen Diener vorstellen sollten, antworteten ihm mit dem Zurufe: Jo Alexander!
[847] 40. Bei diesen Fackelaufzügen und mystischen Tänzen ließ er es absichtlich geschehen, daß sich zuweilen sein Bein entblößte, welches, weil er es vermuthlich in eine Hose von vergoldetem Leder gesteckt hatte, im Schein der Fackeln wie lauteres Gold leuchtete. Sogleich erhob sich ein Zank zwischen zwei philosophischen Narren über die Frage, ob durch diesen goldenen Schenkel bewiesen sey, daß wirklich die Seele des Pythagoras, oder nur eine derselben sehr ähnliche in Alexandern wohne? Sie brachten die Streitfrage vor den Propheten selbst, und der König Glycon löste den Zweifel durch folgenden Ausspruch:
Zwar des Pythagoras Geist wächst wechselsweise und schwindet:
Aber der Geist des Propheten ist aus Zeus Geiste ein Senker;
Ihn hat der göttliche Vater den Guten zum Helfer gesendet.
Wieder kehrt er zu Zeus, getroffen vom himmlischen Blitzstrahl.
41. Ungeachtet er die Knabenliebe als etwas Gottloses männiglich untersagt hatte, war der Ehrenmann gleichwohl schlau genug, sich selbst auf folgende Weise zu bedenken. Er legte den Städten in Pontus und Paphlagonien die Verpflichtung auf, ihm alle drei Jahre eine Anzahl Orakeldiener zu schicken, welche die Hymnen auf den Gott bei ihm absingen sollten. Diese Leute mußten nach genauer Prüfung aus den vornehmsten, blühendsten und schönsten Jünglingen ausgelesen werden. Alexander hielt sie in seinem Gewahrsam, bediente sich ihrer nach Gefallen, als ob er sie um sein Geld gekauft hätte, schlief bei ihnen, und erlaubte sich allen Muthwillen gegen sie. Er hatte auch die Verordnung gemacht, daß Niemand über achtzehn Jahre ihn mit einem Kusse grüßen dürfe: diese Ehre gestattete er nur jungen und blühenden Leuten, [848] allen übrigen reichte er blos die Hand zum Küssen hin. Jene hießen daher die Freunde innerhalb des Kusses.
42. So benahm er sich unter jenem dummen Volke mit dem frechsten Uebermuth: er verführte die Eheweiber und mißbrauchte die Knaben, und jeder Ehemann hielt es für ein großes und beneidenswerthes Glück, wenn er seine Frau nur ansah; wenn er sie aber vollends eines Kusses würdigte, da glaubte der Mann, daß nun der Segen in vollen Strömen über sein Haus kommen werde. Viele Weiber rühmten sich sogar, Kinder von ihm zu haben, und ihre Männer bezeugten, daß sie die Wahrheit sprächen.
43. Ich will dir nun ein Gespräch zwischen diesem Glycon und einem gewissen Manne aus Tius [einer Stadt in Bithynien], Namens Sacerdos, mittheilen. Welches Geistes Kind der Letztere war, wirst du aus seinen Fragen entnehmen. Ich habe dieses Gespräch zu Tius im Hause des Sacerdos selbst gelesen, wo es mit goldenen Buchstaben angeschrieben steht.
Sacerdos. Sage mir, mein Gebieter Glycon, Wer bist du?
Glycon. Ich bin Aesculap der Jüngere.
Sacerdos. Also ein Anderer denn der Aeltere?[16] Oder wie habe ich es zu verstehen?
Glycon. Solches ziemt dir nicht, zu vernehmen.
Sacerdos. Wie viele Jahre wirst du noch bei uns bleiben und weissagen?
[849] Glycon. Tausend und drei Jahre.
Sacerdos. Wohin wirst du dich alsdann begeben?
Glycon. Nach Bactra und in die dortigen Gegenden. Denn es ist billig, daß auch die Barbaren die Wohlthat meiner Anwesenheit genießen.
Sacerdos. Ist es wirklich dein Ahnherr Apollo, der in den übrigen Orakeln, zu Didymi, Claros und Delphi weissagt, oder sind die Sprüche, die dermalen dort ertheilt werden, lügenhaft?
Glycon. Begehre nicht zu wissen, was du nicht wissen sollst.
Sacerdos. Aber was werde denn ich nach diesem Leben seyn?
Glycon. Zuerst ein Kamel, dann ein Pferd, hierauf ein Philosoph, und endlich ein eben so großer Prophet als Alexander ist.
So weit Glycon’s Unterredung mit diesem Sacerdos. Weil aber der Gott wußte, daß dieser Mann mit dem Epicuräer Lepidus in vertrautem Umgange lebte, so rief er ihm noch zum Schlusse folgenden Orakelvers zu:
Folge dem Lepidus nicht: sein harret ein schreckliches Ende.
Denn er fürchtete sich, wie ich oben sagte, gar gewaltig vor Epicur, als seinem Handwerksneider, der mit allen Mitteln der Philosophie seinem Zaubergewerbe entgegen arbeitete.
44. Uebrigens brachte er doch einmal einen Epicuräer, der sich unterstanden hatte, ihn in Gegenwart vieler Personen auf’s Eis führen zu wollen, nicht wenig in’s Gedränge. Dieser hatte sich an ihn gemacht, und ihn mit lauter Stimme gefragt: „Wie kommt Das, Alexander? Auf deinen Rath [850] hat ** (es war ein Paphlagonier, dessen Namen er nannte) Etlichen seiner Sclaven vom Gouverneur von Galatien den Prozeß machen lassen, weil sie seinen Sohn, der zu Alexandria studirte, ermordet haben sollten: und nun ist der junge Mensch wohlbehalten nach Hause zurückgekehrt, die armen Sclaven aber, die durch deine Schuld den wilden Thieren vorgeworfen worden, sind elendiglich um’s Leben gekommen?“ Der wahre Hergang der Sache war nämlich folgender gewesen. Der junge Mensch, welcher eine Fahrt zu Schiffe durch Aegypten bis nach Clysma (am rothen Meere) gemacht hatte, ließ sich bereden, auf einem eben nach Indien abgehenden Fahrzeuge sich einzuschiffen, und die Reise mitzumachen. Weil sich also seine Zurückkunft nach Alexandrien so sehr verzog, so glaubten seine, inzwischen dort zurückgebliebenen, Sclaven, er wäre entweder auf der Nilfahrt verunglückt, oder von den damals sehr zahlreichen Räubern um’s Leben gebracht worden, und kehrten also mit der Nachricht von seinem Verschwinden nach Paphlagonien zurück. Hierauf erfolgte der Orakelspruch und diesem gemäß die Verurtheilung der armen Bursche, nach deren Vollziehung der Jüngling erschien und die Geschichte seiner Reise erzählte.
45. Kaum hatte der Philosoph obige Aeußerung gethan, als Alexander, um so wüthender über den Vorwurf, weil er gegründet war, den Anwesenden befahl, den Lästerer zu steinigen, falls sie nicht den Fluch des Gottes auf sich laden und Epicuräer heißen wollten. Wirklich fingen sie an, auf ihn zu werfen; und der Mann wäre um ein kleines zu Tode gesteinigt worden, wenn nicht ein eben anwesender sehr vornehmer Mann aus Pontus, Demostratus mit Namen, vor ihn hingetreten [851] wäre und ihm so das Leben gerettet hätte. Uebrigens wäre dem Menschen so großes Unrecht nicht geschehen: denn was hatte er nöthig, unter so vielen Narren der einzige Kluge zu seyn, und für die Dummheit der Paphlagonier seine Haut hergeben zu wollen?
46. Alexander beobachtete die Sitte, daß er den Tag zuvor, ehe die Orakel ertheilt wurden, die Namen der Fragenden nach der Ordnung, in welcher sie sich gemeldet hatten, durch einen Herold ausrufen, und für Jeden derselben anfragen ließ, ob ihm ein Spruch ertheilt werden würde? Wenn denn nun von innen heraus die Antwort erscholl: „zum Geyer mit ihm!“ so war Niemand mehr, der einen solchen Menschen in sein Haus aufgenommen, oder Wasser und Feuer mit ihm getheilt hätte: sondern mit dem Fluche eines Atheisten und Epicuräers – welches der größte Schimpf war – beladen, mußte er sich von Land zu Land flüchten, ohne irgend eine sichere Stätte zu finden.
47. Ein recht lächerlicher Streich von Alexandern war folgender. Es waren ihm einst die Fundamentalsätze von Epicur in die Hände gerathen, wie du weißt, das vorzüglichste aller Epicurischen Bücher, welches die wesentlichen Lehrsätze dieses Philosophen sämmtlich enthält. Dieses Werk trug er auf den öffentlichen Markt, ließ einen Scheiterhaufen von Feigenholz anzünden, verbrannte das unschuldige Buch, als ob es der Autor selbst wäre, und streute die Asche in’s Meer, indem er den Orakelspruch ausrief:
Werft in die Glut, so will ich’s, die Lehren des albernen Alten.
[852] Dieser Elende wußte freilich nicht, wie vieles Gute jenes Büchlein bei seinen Lesern zu stiften geeignet ist, welche leidenschaftlose Ruhe es ihnen gewährt, welche Freiheit der Seele von Furcht und nichtigen Einbildungen, von thörichtem Wunderglauben, eitlen Erwartungen und üppigen Begierden es verschafft, wie es zur Selbstständigkeit des Denkens, zur Erkenntniß der Wahrheit verhilft und die Köpfe aufklärt und wahrhaft reinigt, nicht aber mit dem Dampfe der Weihfackeln und andern mystischen Fratzen, sondern mittelst des Gebrauches der gesunden Vernunft und freisinnigen Erforschung der Wahrheit.
48. Von den übrigen Stückchen des schändlichen Menschen laß dir noch eines der verwegensten erzählen. Da er in keinem geringen Credit beim kaiserlichen Hofe stand, indem hauptsächlich das Ansehen seines Schwiegersohnes Rutillian ihm dort den Zutritt öffnete, so ließ er während des Krieges in Germanien, den der hochselige Kaiser Marc-Aurel mit den Markomannen und Quaden führte, ein Orakel ergehen, worin er befiehlt, zwei lebendige Löwen nebst vielen wohlriechenden Kräutern unter den kostbarsten Opfern in die Donau zu werfen. Doch das Beste wird seyn, ich setze den Spruch selbst her:
Werft in die Strudel des Ister; des himmelentsprossenen Stromes,
Zwei der Diener Cybélen’s, die wilden Söhne der Berge,
Und was Indiens Sonn’ an Blumen nähret und Pflanzen
Würzigen Duftes: so lautet mein heiliger Wille. Sofort wird
Sieg und herrlicher Ruhm und lieblicher Friede gewonnen.
[853] Das geschah, der Vorschrift gemäß. Allein die Löwen schwammen an das feindliche Ufer, und die Eingebornen, in der Meinung, es wäre eine fremde Gattung von Hunden oder Wölfen, schlugen sie mit Keulen todt. Gleich darauf erfolgte jene große Niederlage der Unsrigen, wo wir an zwanzig tausend Mann auf dem Wahlplatze ließen; und nach einiger Zeit ereigneten sich die Unfälle bei Aquileja, die beinahe den Verlust dieser Stadt zur Folge hatten. Da brauchte unser Prophet, um diese Erfolge mit seinem Orakel in Harmonie zu bringen, die platte Ausflucht, mit welcher einst die Delphier die dem Crösus gegebene Antwort[17] rechtfertigen wollten, indem er sagte, der Gott hätte zwar verkündigt, es werde ein Sieg erfochten werden, ob aber von den Römern oder von ihren Feinden, darüber hätte er sich nicht erklärt.
49. Inzwischen wurden der Herbeiströmenden immer Mehrere, so daß das Städtchen Abonoteichus weder Raum noch Vorräthe genug hatte, die Menge der Orakelbesucher zu beherbergen und zu versorgen. (Um nun desto leichter mit dieser Menge fertig zu werden) kam Alexander auf den Gedanken, sogenannte Nachtorakel zu ertheilen. Er legte nämlich, wie er vorgab, die ihm eingehändigten versiegelten Zettel unter sein Kopfkissen und vernahm sodann von dem Gotte im Traume, was er antworten sollte. Diese Antworten waren freilich größtentheils nicht allzu klar, sondern meist sehr unbestimmt und verworren, zumal wenn er fand, daß ein Zettel besonders sorgfältig versiegelt war. In solchen Fällen [854] wollte er die Eröffnung nicht wagen, sondern schrieb das Erste Beste, was ihm einfiel, oben drauf, indem er sich einbilden mochte, auch so die Manier des Orakels zu treffen. Zu dem Ende stellte er besondere Exegeten (Ausleger) auf, welche sich für die Lösung und Dollmetschung dunkler Aussprüche von Solchen, welche dergleichen erhalten hatten, sehr gut bezahlen ließen. Uebrigens mußten sie ihm für dieses Geschäft ein Pachtgeld, ein Attisches Talent ein Jeder, entrichten.
50. Bisweilen fiel es ihm ein, ohne daß ihn Jemand fragte, oder fragen ließ, ja ohne daß überhaupt Jemand vorhanden war, dem es gelten sollte, Orakel von sich zu geben, blos in der Absicht, den einfältigen Haufen in Erstaunen zu setzen. Von dieser Art war Folgendes:
Willst du den Buhlen erkunden, den Kalligenía, dein Ehweib,
Heimlich in deiner Behausung, auf deinem Bette beherbergt?
Wisse, Protogenes ist’s, dein Diener und trautester Günstling.
Deinem Weibe geschiehet von ihm[WS 4], was du ihm gethan hast.
Also vergilt er die Schmach, so einst von dir er gelitten.
Aber sie kocheten dir ein verderbliches Gift, zu bewirken.
Daß, was sie treiben, du nimmer erblicktest und nimmer vernähmest:
Suche es unter dem Bette, du wirst es finden der Wand nah’.
Frage Calypso, die Magd; sie weiß um das ganze Geheimniß.
Wer, der nicht eben ein Democrit ist, wird bei einer so genauen Angabe von Personen, Ort und Umständen nicht stutzig werden? Schnell genug verwandelt sich übrigens die Bewunderung in Verachtung, sobald man merkt, daß das Ganze eine armselige Erfindung ist.
[855] 51. Sogar Ausländern, Syrern, Celten und Andern, die ihn in ihrer Muttersprache befragten, ertheilte er sehr häufig Orakel. Weil es aber einige Schwierigkeit hatte, Landsleute von Jenen, welche dieselbe Sprache redeten, in Abonoteichus aufzufinden, so verfloß gemeiniglich zwischen der Einreichung solcher Fragen und ihrer Beantwortung eine geraume Zeit, während welcher unser Mann Muße hatte, die Zettel bequem zu öffnen, und geschickte Dollmetscher für jede Frage ausfindig zu machen. So erhielt z. B. einmal ein Scythe folgende Antwort:
Morfi ebargulis Schatten
Chnenchicranc das Licht verlassen.
52. Ein andermal that er ohne alle Veranlassung, und ohne daß überhaupt Jemand anwesend war, den es anging, den übrigens nicht in Verse gebrachten Ausspruch: „Begib dich in deine Heimath. Denn Der dich hiehersandte, ist heute von seinem Nachbar Diokles, mit Hülfe der Räuber Magnus, Celex und Bubalus umgebracht worden. Bereits sind sie ergriffen und liegen in Ketten.“
53. Und nun, mein Freund, vernimm auch einige der Göttersprüche, welche mir selbst ertheilt wurden. Ich hatte die Frage, ob Alexander einen Kahlkopf hätte, aufgesetzt und den Zettel mit einem Siegel versehen, dem er es sogleich ansehen mußte, daß es sich nicht wohl heimlich würde öffnen lassen. Es ward daher ein Nachtorakel darauf geschrieben, das also lautete:
Sabbardalachu malach
Attis war ein Anderer.
[856] Ein andermal schrieb ich auf zwei verschiedene Zettel eine und dieselbe Frage, was der Dichter Homer für ein Landsmann wäre, und ließ diese Zettel unter verschiedenen Namen einreichen. Mit dem einen derselben hatte ihn mein Bedienter zum Besten, der auf die Frage, was ihn her führe, vorgab, er bitte um ein Mittel gegen das Hüftweh. Diesem gemäß erschien auf dem Zettel der Spruch:
Schmiere mit Cytmis dich ein und mit dem Thau der Latone.
Von dem anderen Zettel hatte man ihm gesagt, der Einsender desselben wolle wissen, ob es gerathener für ihn wäre, eine Reise nach Italien zu Wasser oder zu Lande zu machen? Die Antwort ging also natürlich den Homer eben so wenig an, und lautete:
Meide die Reise zur See: verfolge du lieber den Landpfad.
54. Ich habe ihm noch mehrere Fallen dieser Art gestellt, wie z. B. folgende. Ich schrieb eine einzige Frage nieder, gab aber dem versiegelten Papiere die Aufschrift: Acht Fragen von N. N. (ich setzte einen erdichteten Namen hin), und fügte die zehen Drachmen und vier Obolen, als den gewöhnlichen Preis für acht Antworten bei. Der Mann wurde durch die beifolgende baare Bezahlung treuherzig gemacht, glaubte der Aufschrift und schickte mir auf die einzige Frage: wann wird Alexander über seinen Spitzbübereien ertappt werden? – acht Antworten auf Einmal, die auf meine Frage paßten, wie eine Faust auf ein Auge, und von welchen die eine immer unsinniger und unverständlicher war, als die andere. Nachgerade merkte er Unrath und [857] erfuhr auch, daß ich es gewesen, der dem Rutillian jene Vermählung abgerathen und ihn vor einem blinden Vertrauen auf dieses Orakel gewarnt hatte. Kein Wunder also, daß er mein abgesagter Feind wurde, und, als ihn Rutillian einst über mich befragte, zur Antwort gab:
Nächtlichen Schwärmens freuet er sich und schmutziger Buhlschaft.
55. Uebrigens gestehe ich, daß er sich nicht täuschte, wenn er mich für seinen entschiedensten Gegner hielt. Bald darauf kam ich in Person nach Abonoteichus, begleitet von zwei Soldaten (einem Lanzknecht und einem Pikenträger), welche mir mein Freund, der Gouverneur von Cappadocien, zur Bedeckung bis an die Küste mitgegeben hatte. Kaum hatte Alexander erfahren, der fatale Lucian wäre angekommen, als er mit aller Artigkeit und unter den freundschaftlichsten Ausdrücken mich zu sich einladen ließ. Ich erschien, und traf ihn umgeben von einer großen Anzahl seiner Anhänger: zum guten Glücke aber hatte ich meine beiden Kriegsmänner mitgebracht. Er reichte mir, wie er gewöhnlich zu thun pflegte, die rechte Hand zum Kusse hin: ich that, als ob ich sie küssen wollte, biß aber statt Dessen so kräftig hinein, daß seine Hand davon beinahe lahm blieb. Die Umstehenden, die es gleich anfangs verdrossen hatte, daß ich ihren Mann nicht mit dem Ehrentitel Prophet, sondern schlechtweg als den Alexander begrüßt hatte, wollten mich als einen Frevler, der sich an dem Heiligsten vergriffen hätte, beim Kopfe fassen und durchprügeln; allein Alexander war so großmüthig, an sich zu halten, und sie mit dem Versprechen zu besänftigen, daß ich bald zahm werden, und sich an mir [858] die Kraft Glycon’s offenbaren würde, auch die erbittertsten Feinde sich zu Freunden zu machen. Nun ließ er alle Anwesenden abtreten und fing an, sich über mich zu beschweren, indem er sagte, er kenne mich sehr gut und wisse auch, was ich dem Rutillian für einen Rath gegeben habe; „aber,“ fuhr er fort, „was bewog dich denn, so feindselig gegen mich zu verfahren, da du ja alle Gelegenheit hast, dich durch mich in sehr großen Credit bei diesem Manne zu setzen?“ Weil ich nun wohl merkte, wie bedenklich meine Lage in diesem Hause war, so war ich froh, ihn mir so gefällig entgegen kommen zu sehen, und trat nach wenigen Augenblicken als sein Freund zum größten Erstaunen aller Uebrigen auf, welche diese Verwandlung um so weniger begreifen konnten, weil sie so ohne alle Schwierigkeit erfolgt war.
56. Da ich entschlossen war, mich von hier einzuschiffen (meinen Vater und meine Leute hatte ich nach Amastris vorausreisen lassen, und nur Xenophon[18] war bei mir geblieben), schickte er mir viele Sachen von Werth zum Andenken und erbot sich sogar, mir ein Fahrzeug und die gehörige Mannschaft, die mich weiter bringen sollte, beizuschaffen. Ich hielt dieses Anerbieten für ein aufrichtiges Zeichen seiner Gefälligkeit, und nahm es an. Wie wir aber ungefähr die Hälfte unserer Fahrt zurückgelegt hatten, bemerkte ich, wie der Steuermann in einem heftigen Wortwechsel mit den Schiffleuten begriffen war, und Thränen vergoß. Dieser Umstand ließ mich nichts Gutes ahnen. Und in der That erfuhr ich, [859] daß Alexander sie gedungen hatte, uns zu packen und über Bord zu werfen, was denn freilich die leichteste Art gewesen wäre, mit mir fertig zu werden. Allein der Steuermann redete der Mannschaft unter Thränen zu, uns kein Leid zu thun, und zu mir sagte er: „ich bin als ein unbescholtener und ehrlicher Mann nun sechzig Jahre alt geworden, und will nicht jetzt erst, meinem Weib und meinen Kindern zur Schmach, meine Hände mit einem Morde beflecken.“ Zugleich entdeckte er mir, in welcher Absicht man uns auf dieses Schiff genommen, und welchen Auftrag ihnen Alexander gegeben hätte.
57. Dieser brave Schiffer setzte uns bei Aegiali, einem Städtchen, dessen schon Vater Homer gedenkt,[19] an’s Land und kehrte wieder zurück. Hier traf ich einige vorüberfahrende Abgeordnete des Königs Eupator aus dem (Cimmerischen) Bosporus, welche in der Absicht nach Bithynien segelten, den jährlichen Tribut (an den dortigen Römischen Statthalter) abzuliefern. Ich war so glücklich, an ihnen sehr gefällige Männer zu finden, welche mich, nachdem ich ihnen erzählt hatte, in welcher Gefahr ich schwebte, sogleich in ihr Fahrzeug aufnahmen, und so wohlbehalten nach Amastris brachten. Von nun an beschloß ich einen förmlichen Krieg gegen den Schurken, und bot Allem auf, um Rache an ihm zu nehmen. Mußte er mir vor diesem tückischen Anschlage schon, seines abscheulichen Charakters wegen, ein Gegenstand des Hasses und der Verachtung seyn, so hatte ich jetzt noch weit [860] gegründetere Ursache, ihn zu verabscheuen; und bereits schickte ich mich an, mit einer öffentlichen Klage gegen ihn aufzutreten, wobei mich sehr viele Freunde, namentlich die Philosophen aus der Schule des Timocrates aus Heracléa, unterstützt hätten. Allein der damalige Gouverneur von Bithynien und Pontus hielt mich davon zurück, indem er mich fast fußfällig bat, die Sache ruhen zu lassen. Denn er könne, wie er mir sagte, diesen Menschen wegen seiner engen Verbindung mit Rutillian nicht zur Strafe ziehen, und wenn sein Unrecht auch noch so klar erwiesen würde. So mußte ich denn meinen Entschluß wieder fahren lassen, und mich hübsch ruhig verhalten, da vor einem Richter von solcher Gesinnung eine solche Klage anzubringen, ein höchst unzeitiger kecker Streich gewesen wäre.
58. Endlich trieb der Mensch seine Unverschämtheit so weit, bei dem Kaiser anzusuchen, daß der Name der Stadt Abonoteichus in Ionopolis verwandelt werden möchte, was auch wirklich geschah. Auch wurden Münzen geschlagen, auf deren einer Seite Glycon, auf der andern Alexander mit dem Lorbeerkranze seines Vaters Aesculap und mit dem krummen Säbel seines mütterlichen Ahnherrn Perseus, abgebildet war.[20]
[861] 59. Anstatt aber, wie er sich selbst prophezeit hatte, in einem Alter von hundert und fünfzig Jahren von einem Blitzstrahle getödtet zu werden, starb er, noch nicht volle siebenzig Jahre alt, eines erbärmlichen Todes; denn das eine Bein faulte diesem Sohne des Podalirius ganz und gar bis an die Hüfte ab und wimmelte von Würmern, die sich darin erzeugten. Damals kam es auch an den Tag, daß der Ehrenmann kahl war: er überließ nämlich wegen heftiger Schmerzen seinen Kopf den Aerzten, um einen nassen Umschlag anzuwenden; und als sie Das bewerkstelligen wollten, fand sich, daß es sich nur nach abgenommener Perücke thun ließ.
60. Dieß war denn also von der ganzen Comödie die Catastrophe, die man, so zufällig sie sich ergeben mochte, gleichwohl einer höhern Fügung zuzuschreiben versucht werden könnte. Eine würdigere Leichenfeier hätte einem solchen Menschen wohl nicht gehalten werden können, als der ärgerliche Zank[21] war, welcher sich über den Fortbetrieb des Orakelgeschäftes zwischen den Vornehmsten unter den Eingeweihten in seine Beutelschneiderei erhob, und unter welchen auch ein schon sehr bejahrter Arzt, mit Namen Pätus, sich befand, der in diesem Streite seiner Kunst, so wie seinem grauen Kopfe gleich viele Schande machte. Endlich überließen sie es dem Ausspruche des Rutillian, Wer von ihnen an die Spitze gestellt, und als Uebernehmer des Orakels mit dem hierophantisch-prophetischen Kranze beehrt werden sollte. Allein der Kampfrichter Rutillian hielt für gut, sie Alle zusammt [862] ungekrönt zu entlassen, indem er dem Verstorbenen auch noch nach seinem Abschiede aus der Welt die Fortdauer seines Prophetencharakters gesichert wissen wollte.[22]
61. Dieses Wenige, mein lieber Freund, habe ich nur als eine kleine Probe aus einem sehr reichhaltigen Vorrath von Stoff mittheilen wollen, einmal, um dir damit etwas Angenehmes zu erweisen, dir, mein trauter Celsus, den ich um seines philosophischen Geistes und seiner Liebe zur Wahrheit, seines rechtlichen Sinnes, seines ungetrübten, heitern Gemüthes, seiner sanften Sitten und seines einnehmenden Umganges willen unter allen meinen Freunden am meisten verehre: sodann, was auch deinen Beifall haben wird, um dem Epicur Genugthuung zu verschaffen, dem herrlichen, unvergleichlichen Mann, dem Einzigen, der das Wahre und Gute erkannt und mitgetheilt, und somit Diejenigen, die zu ihm sich halten, wahrhaft frei gemacht hat. Uebrigens, denke ich, dürfte das Schriftchen Lesern aller Art von Nutzen seyn, indem es sowohl die Befangenen von ihrem Irrthum zu überweisen, als die Aufgeklärten in ihren richtigern Ansichten zu befestigen bestimmt ist.
- ↑ Nach allgemeinem Dafürhalten derselbe Epicuräische Philosoph und Gegner der Christianer, gegen welche des Presbyters zu Alexandrien, Origenes, Apologie des Christenthums gerichtet ist.
- ↑ Städtchen in Paphlagonien.
- ↑ Μυσίαν nach Palmer.
- ↑ Sprüchwörtliche Namen im Alterthum, wenn von eingefleischten Teufeln die Rede war.
- ↑ Odyss. IV, 230.
- ↑ S. Todtengespr. XIII, 1.
- ↑ Wörtlich: „Und, wie Thucydides sagt, von hier an beginnt nun der Krieg.“
- ↑ Eine Stadt in Thessalien mit einem Tempel des Aesculap, in welchem ohne Zweifel auch der Sohn desselben, Podalirius, verehrt wurde.
- ↑ „Dreimal – Mannes“ Wieland. Wörtlich: „Nach der ersten Monade (Einheit) und nach dreien Dekaden (d. i. [828] nach dreimaliger Zehn) fünf andere Monaden zeigend und drei Eikosaden (dreimal zwanzig), den Namen des heilbringenden Mannes (andros alexetéros) im Vierkreis.“ Die Zahl Eins wird im Griechischen mit A, dreißig mit L, fünf mit E, sechzig mit X bezeichnet. Das Räthselhafte „im Vierkreis“ will wohl nichts Anderes besagen, als daß diese Zahlen die vier ersten Buchstaben des Namens Alexander ausmachen. – „In der ummauerten Burg“ d. i. in Abonoteichus (Abonus-Mauer).
- ↑ Lucian scheint hier die Mutter des Aesculap, Corónis, Tochter des Königes Phlegyas von Orchomenus, mit der gleichnamigen Tochter des Königes Coroneus von Phocis, welche von Minerven in eine Krähe verwandelt worden (Ovid Verwandl. II, 547 ff.), zu verwechseln.
- ↑ Todtengespr. III.
- ↑ Eines berühmten Sehers.
- ↑ ἐικός.
- ↑ „Mit Blei – Kothe“ Wieland.
- ↑ S. Wie soll man Geschichte schreiben? 21.
- ↑ So nach Solanus, dem auch Fritzsche folgt, während die Worte ἄλλος – πρότερον gewöhnlich dem Glycon in den Mund gelegt werden.
- ↑ „Wenn du über den Halys gehen wirst, so wirst du ein großes Reich umwerfen.“
- ↑ Wie vermuthet wird, ein gelehrter Sclave oder Freigelassener Lucian’s.
- ↑ Il. II, 855. Der Ort lag am schwarzen Meere in der Nähe des heutigen Kydros (Cytorus).
- ↑ Noch sind, so viel bekannt ist, drei Münzen der Abonoteichiten vorhanden, mit der Aesculapiusschlange auf der Einen und dem Kaiserbild auf der Andern Seite: die eine derselben ist unter C. Verus, Marc-Aurels Mitregenten, die andern beiden sind unter Antoninus Pius geschlagen. Alexander’s Bild hingegen findet sich auf keiner derselben.
- ↑ Anspielung auf die alte Sitte, Bestattungen unter Anderem auch durch Wettkämpfe zu feiern.
- ↑ Hiezu macht Wieland die Bemerkung: „Vermuthlich wurde die Comödie noch eine Zeitlang unter Alexander’s Namen auf Rechnung der Wittwe fortgetrieben.“
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: eine
- ↑ Vorlage: weißagen
- ↑ Vorlage: Personen (korrigiert nach: Verbesserungen. S. 1900)
- ↑ Vorlage: geschieht von ihm nun (korrigiert nach: Verbesserungen. S. 1900)