Allerhöchster Erlaß, betreffend die revidirte Instruktion zum Gesetze über Maßregeln gegen die Rinderpest

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Titel: Allerhöchster Erlaß, betreffend die revidirte Instruktion zum Gesetze vom 7. April 1869 über Maßregeln gegen die Rinderpest.
Abkürzung:
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Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1873, Nr. 16, Seite 147 - 158
Fassung vom: 9. Juni 1873
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 27. Juni 1873
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(Nr. 938.) Allerhöchster Erlaß, betreffend die revidirte Instruktion zum Gesetze vom 7. April 1869 über Maßregeln gegen die Rinderpest. Vom 9. Juni 1873.

Auf Ihren Bericht vom 5. d. M. genehmige Ich hierdurch im Namen des Deutschen Reichs die anliegende revidirte Instruktion zu dem Gesetze vom 7. April 1869, Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend (Bundesgesetzbl. S.105).

Der gegenwärtige Erlaß ist nebst der Instruktion durch das Reichs-Gesetzblatt zu veröffentlichen.
Berlin, den 9. Juni 1873.
 Wilhelm.

  Fürst v. Bismarck.

An den Reichskanzler.


Revidirte Instruktion
zu dem
Gesetze vom 7. April 1869, Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend.

Nachstehende Instruktion zur Ausführung von §. 8 des Gesetzes vom 7. April 1869, Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend, tritt an die Stelle der Abschnitte I., II. und III. der bisherigen Instruktion vom 26. Mai 1869 (Bundes-Gesetzbl. S. 149). Ihre Bestimmung ist, den Behörden eine allgemeine Anleitung zu geben, ohne die Nothwendigkeit der besonderen Entschließung über Einzelheiten und über die Ausdehnung der Maßregeln in jedem einzelnen Falle auszuschließen. Leitender Grundsatz soll sein: den Zweck ohne unverhältnißmäßige anderweite wirthschaftliche Opfer für die Bevölkerung zu erreichen. In der Regel wird dies am besten durch energische Maßregeln erfolgen, welche die Seuche in kurzer Zeit tilgen, wenn auch die direkten Opfer scheinbar groß sind.

Erster Abschnitt. Maßregeln gegen die Einschleppung der Rinderpest in das Bundesgebiet.

a. Bei dem Ausbruche in entfernten Gegenden.

§. 1.

Tritt die Rinderpest in entfernten Gegenden des Auslandes auf, welche durch Eisenbahnen oder durch Schifffahrt in solcher Verbindung mit dem Inlande stehen, daß Viehtransporte in verhältnißmäßig kurzer Zeit in das Inland gelangen können, so ist die Einfuhr von Rindvieh, Schafen und Ziegen und anderen Wiederkäuern aus den verseuchten Gegenden ganz zu verbieten. [148]

§. 2.

Das Einfuhrverbot hat sich ferner zu erstrecken auf alle von Wiederkäuern stammenden thierischen Theile in frischem Zustande (mit Ausnahme von Butter, Milch und Käse).
Dagegen ist der Verkehr mit vollkommen trockenen oder gesalzenen Häuten und Därmen, mit Wolle, Haaren und Borsten, mit geschmolzenem Talg in Fässern und Wannen, sowie auch mit vollkommen lufttrockenen, von thierischen Weichtheilen befreiten Knochen, Hörnern und Klauen nicht zu beschränken.

§. 3.

Die Einfuhr von Wiederkäuern aus nicht verseuchten Gegenden des betreffenden Landes kann auf bestimmte Stationen beschränkt und davon abhängig gemacht werden, daß
a) durch amtliches Zeugniß nachgewiesen ist, daß die betreffenden Thiere unmittelbar vor ihrem Abgange mindestens 30 Tage an einem seuchenfreien Orte gestanden haben, und daß 20 Kilometer um denselben die Seuche nicht herrscht,
b) der Transport durch seuchenfreie Gegenden erfolgte,
c) die betreffenden Thiere beim Uebergange über die Grenze von einem amtlichen Thierarzte untersucht und gesund befunden worden sind.
Dabei können indessen erleichternde Bestimmungen für die Einfuhr von Schlachtvieh nach solchen Städten getroffen werden, in welchen öffentliche Schlachtstätten vorhanden sind, die durch Schienenstränge mit der Eisenbahn, auf welcher die Einfuhr stattfindet, in Verbindung stehen. Die Einfuhr muß für jeden besonderen Fall von der Behörde genehmigt werden und hat unter Beobachtung der für jeden Fall besonders zu erlassenden polizeilichen Vorschriften zu erfolgen.

§. 4.

Weitergehende Beschränkungen (§§. 1-3) der Einfuhr von Thieren, thierischen Produkten und giftfangenden Sachen können gegenüber solchen Ländern angeordnet werden, von welchen wegen zeitiger umfangreicher oder ständiger Verseuchung die Einschleppung der Rinderpest in hervorragender Weise droht.

§. 5.

Was von der Einfuhr gesagt ist, gilt auch von der Durchfuhr.

b. Bei dem Auftreten in der Nähe.

§. 6.

Tritt die Seuche in Gegenden des Nachbarlandes auf, welche nicht über 40 bis 80 Kilometer von der Grenze entfernt sind, dann ist für die nach Umständen zu bestimmende Grenzstrecke das Einfuhrverbot unbedingt [149]
auf alle Arten von Vieh mit Ausnahme der Pferde, Maulthiere und Esel,
auf alle von Wiederkäuern stammenden thierischen Theile in frischem oder trockenem Zustande (mit Ausnahme von Butter, Milch und Käse),
auf Dünger, Rauchfutter, Stroh und andere Streumaterialien, gebrauchte Stallgeräthe, Geschirre und Lederzeuge,
auf unbearbeitete (beziehungsweise keiner Fabrikwäsche unterworfene) Wolle, Haare und Borsten, auf gebrauchte Kleidungsstücke für den Handel und Lumpen
zu erstrecken.
Personen, deren Beschäftigung eine Berührung mit Vieh mit sich bringt, z. B. Fleischer, Viehhändler und deren Personal, dürfen die Grenze nur an bestimmten Orten überschreiten und müssen sich dort einer Desinfektion unterwerfen.
Ausnahmen können unter besonderer Genehmigung der Behörde und unter Anordnung der nach den besonderen Umständen erforderlichen Sicherheitsmaßregeln eintreten bezüglich der Einfuhr der im §. 2 Absatz 2 aufgeführten thierischen Produkte, sowie bezüglich in Säcken verpackter Lumpen, sofern die Einfuhr in geschlossenen Eisenbahnwagen erfolgt und durch amtliche Begleitscheine nachgewiesen ist, daß die betreffenden Gegenstände aus völlig seuchenfreien Gegenden stammen.
Heu und Stroh, sofern es lediglich als Verpackungsmittel verwendet ist, unterliegt dem Einfuhrverbote nicht, ist jedoch am Bestimmungsorte zu vernichten.

§. 7.

Rückt die Seuche bis in die Grenzgegenden vor, oder gewinnt sie längs der Grenze in einer noch vom kleinen Grenzverkehr berührten Entfernung an Ausdehnung, dann hat für die betreffenden Grenzstrecken die vollständige Verkehrssperre unter Bildung eines Kordons mit militärischen Kräften einzutreten, im benachbarten Inland treten aber die Vorschriften des II. Abschnitts in Kraft.
Der Durchgang von Eisenbahnzügen und Posten u. s. w. ist auch während der Verkehrssperre unter den nach Lage der Umstände erforderlichen Beschränkungen und Vorsichtsmaßregeln zu gestatten.

§. 8.

Wird in den vorstehend (§§. 6 und 7) behandelten Fällen die angeordnete Sperre durchbrochen, so sind die der Sperre unterworfenen Thiere sofort zu tödten und zu verscharren, giftfangende Sachen aber zu vernichten oder zu desinfiziren.
Sonstige Gegenstände, sowie Menschen müssen im Falle eines Durchbruchs der nach §. 7 bestehenden Verkehrssperre, sofern eine Desinfektion nicht thunlich erscheint, auf kürzestem Wege wieder über die Grenze zurückgebracht werden, wo möglich ohne Ortschaften zu passiren.

§. 9.

In den bedrohten Grenzkreisen sind für sämmtliche Ortschaften, welche innerhalb 15 Kilometer von der Grenze entfernt liegen, folgende Kontrolmaßregeln einzuführen. [150]
Es ist in jedem Orte ein Viehrevisor zu bestellen, der ein genaues Register über den vorhandenen Rindviehbestand aufnehmen und täglich den Ab- und Zugang, sowie jede Veränderung in dem Viehbestande speziell verzeichnen muß.
Die Viehregister sind mindestens einmal wöchentlich von den vorgesetzten Organen zu revidiren.
Bei vorkommenden Krankheits- oder Todesfällen im Rindviehstande ist sofort Anzeige zu machen.

c. Gemeinschaftliche Bestimmung.

§. 10.

Die im gegenwärtigen Abschnitte enthaltenen Vorschriften sind unter den durch die Umstände gebotenen Abänderungen auch dann in Anwendung zu bringen, wenn die Gefahr einer Einschleppung zu Wasser droht.

Zweiter Abschnitt. Maßregeln beim Ausbruche der Rinderpest im Inlande.

§. 11.

Sobald in einem Orte des Inlandes ein der Rinderpest verdächtiger Krankheits- oder Todesfall an Rindvieh vorkommt, oder in einem Orte innerhalb 8 Tagen zwei Erkrankungs- oder Todesfälle unter verdächtigen Erscheinungen sich in einem Viehbestande ereignen, tritt die in §. 4 des Gesetzes vom 7. April 1869 ausgesprochene Anzeigepflicht ein.

§. 12.

Der Besitzer darf dann die kranken Thiere nicht schlachten oder tödten, etwa gefallene Thiere aber nicht verscharren oder sonst beseitigen, ehe die Natur der Krankheit festgestellt ist. Bis dahin sind todte Thiere so aufzubewahren, daß das Hinzukommen von Thieren und Menschen abgehalten wird.

§. 13.

Auf die erhaltene Anzeige ist von den Ortspolizeibehörden sofort der kompetente Thierarzt herbeizuholen, um an Ort und Stelle die Krankheit zu konstatiren. Behufs der hierzu erforderlichen Sektion ist, in Ermangelung eines Kadavers, ein Thier zu tödten.
Das Ergebniß der Untersuchung ist protokollarisch aufzunehmen.

§. 14.

Wird die Krankheit als Rinderpest erkannt, so ist die Untersuchung auch auf die Ermittelung der Art der Einschleppung zu erstrecken.
Im Uebrigen ist dann sofort zur weiteren Anzeige an die vorgesetzten Behörden und zu öffentlicher Bekanntmachung zu schreiten, in welcher auf die Anzeigepflicht nach §. 4 des Gesetzes vom 7. April 1869 für die zunächst liegenden Bezirke noch besonders hinzuweisen ist. [151]
Vom Zeitpunkte dieser Bekanntmachung an treten die in §§. 17 bis 19 angegebenen Verbote und Verpflichtungen ein.

§. 15.

Ist nur ein dringender Verdacht der Rinderpest zu konstatiren, so ist eine vorläufige Sperre des Gehöfts (vergl. §. 20) auf so lange anzuordnen, bis die Krankheit durch weitere Erkrankungen und beziehentlich Sektionen unzweifelhaft festgestellt oder der Verdacht als unbegründet erwiesen ist. In zweifelhaften Fällen ist ein höherer Thierarzt zuzuziehen.
Ergiebt sich der Verdacht auf größeren, unter regelmäßiger veterinärpolizeilicher Kontrole stehenden Schlachtviehhöfen, so kann die vorläufige Sperre unter Anwendung der nothwendigen Vorsichtsmaßregeln auf einen einzelnen Theil des betreffenden Viehhofes beschränkt werden.
Besteht der Verdacht der Rinderpest in Bezug auf Heerden, welche sich auf dem Transporte befinden, so sind die nach den Umständen erforderlichen Vorsichtsmaßregeln zu treffen.

§. 16.

Anwendung, Verkauf und Anempfehlung von Vorbauungs- und Heilmitteln bei der Rinderpest sind bei Strafe zu verbieten. Zu den Vorbauungsmitteln sind Desinfektionsmittel nicht zu rechnen.

§. 17.

Nach Ausbruch der Rinderpest ist in einem nach Maßgabe der Umstände besonders zu bestimmenden Umkreise, welcher in der Regel nicht unter zwanzig Kilometer Entfernung vom Seuchenorte bemessen werden soll, die Abhaltung von Viehmärkten, nach Befinden auch von anderen Märkten und sonstigen größeren Ansammlungen von Menschen und Thieren zu untersagen, auch der Handel mit Vieh und der Transport des letzteren, sowie von Dünger, Rauchfutter, Stroh und anderen Streumaterialien ohne besondere Erlaubnißscheine. Das nöthige Vieh zum Fleischkonsum darf nur unter Aufsicht der mit der Veterinärpolizei betrauten Behörden gekauft werden.
In den bedrohten Gemeinden sind ferner die in §. 9 Abs. 2-4 erwähnten Kontrolemaßregeln einzuführen.
Für Residenz- und Handelsstädte, sowie für sonstige Städte mit lebhaftem Verkehr und für die Umgebung solcher Städte können besondere, von den Bestimmungen dieses Paragraphen abweichende Anordnungen getroffen werden.

§. 18.

Im Seuchenorte hat das Schlachten nur nach Anordnung der Polizeibehörde und unter Aufsicht von Sachverständigen nach Maßgabe des Bedarfes stattzufinden.

§. 19.

Im Seuchenorte erstreckt sich die Anzeigepflicht auf jeden Erkrankungsfall von Rindvieh und anderen Wiederkäuern, mit Ausschluß der Fälle nur äußerer Verletzungen. [152]

§. 20.

Das Gehöft, in welchem die Rinderpest ausgebrochen ist, wird zunächst durch Wächter abgesperrt, welche weder das Gehöft betreten und mit dessen Einwohnern verkehren, noch den Ein- und Austritt von Personen (außer den besonders dazu legitimirten), lebenden und tobten Thieren oder Sachen aller Art dulden dürfen.
Zu Wächtern sind nur erwachsene, männliche Personen zu benutzen, und müssen dieselben mit einem leicht erkennbaren Abzeichen versehen sein.
Die Ermächtigung zum Eintritte in das Gehöft kann nur den mit der Tilgung der Seuche selbst beschäftigten Personen, sowie Geistlichen, Gerichtspersonen, Aerzten oder Hebeammen behufs Ausübung ihrer Berufsgeschäfte ertheilt werden, und ist für deren formelle Legitimation zu sorgen. Beim Wiederaustritt hat eine Desinfektion derselben stattzufinden. Am Eingange und rund um das Gehöft sind Tafeln mit der Inschrift „Rinderpest" anzubringen.

§. 21.

Für den ganzen Ort, welchem das infizirte Gehöft angehört, tritt eine relative Ortssperre ein, welche in Folgendem besteht:
Die Einwohner dürfen unter einander verkehren, aber den Ort ohne besondere Genehmigung – welche in der Regel nur solchen Personen ertheilt werden soll, die keinen Verkehr mit Rindvieh haben – nicht verlassen.
Alle Hausthiere, mit Ausnahme der Pferde, Maulthiere und Esel, müssen im Stalle behalten beziehungsweise eingesperrt werden. Werden sie frei umherlaufend betroffen, so sind sie einzufangen und zu schlachten; Hunde und Katzen aber zu tödten und zu verscharren. Fuhren dürfen nur mit Pferden, Maulthieren oder Eseln gemacht werden.
Für alles Vieh, Heu, Stroh und andere giftfangende Sachen ist die Ein-, Aus- und Durchfuhr zu verbieten.
An allen Ein- und Ausgängen des Ortes sind Tafeln mit der Aufschrift „Rinderpest" aufzustellen, und Wächter, welche die Beobachtung vorstehender Verbote zu überwachen haben.

§. 22.

Für jeden größeren Ort beziehungsweise für mehrere benachbarte kleinere Orte gemeinsam ist für die Dauer der Seuche ein Ortskommissar (welchem nach Befinden noch besondere Aufseher beizugeben sind) zu bestellen, an welchen die im §. 19 vorgeschriebenen Anzeigen zu richten sind, und welcher die Ausführung der nöthigen Maßregeln zu überwachen hat.
Wenn der Ausbruch der Seuche an einem Orte konstatirt ist, so hat der bestellte Ortskommissar die Konstatirung etwaiger neuer Krankheitsfälle (§. 13) herbeizuführen.

§. 23.

Ergreift die Krankheit einen größeren Theil der Gehöfte des Ortes, dann kann durch die höheren Behörden die absolute Ortssperre verfügt werden. [153]
Der Ort wird dann vollständig durch Wachen (in diesem Falle militärische) cernirt und gegen jede Art des Verkehrs - mit Ausnahme legitimirter Personen und unumgänglicher Bedürfnisse für die Ortseinwohner unter besonders anzuordnenden Vorsichtsmaßregeln - gesperrt.
Der Verkehr der Bewohner unter einander ist ebenfalls auf das Unvermeidliche zu beschränken. Gottesdienst, Schule und andere Versammlungen (vergl. §. 17) können nicht abgehalten werden, die Schänken und Gasthöfe werden geschlossen.
Die durch den Ort führenden Straßen sind einstweilen zu verlegen. Liegt der Ort an einer Eisenbahn, so darf kein Eisenbahnzug daselbst halten, selbst wenn der Ort ein Stationsort wäre, es sei denn, daß der Bahnhof so gelegen ist, daß er vom Orte vollständig abgesperrt und der Verkehr der Eisenbahnstation mit anderen Orten ohne Berührung des Seuchenortes unterhalten werden kann.

§. 24.

Je nach der Größe und Bauart des von der Seuche betroffenen Ortes kann die relative und die absolute Ortssperre auch auf einzelne Ortstheile beschränkt werden, sowie andererseits einzelne Häuser und Gehöfte benachbarter Orte nöthigenfalls mit in die Sperre einzuschließen sind.

§. 25.

Alles an der Rinderpest erkrankte oder derselben verdächtige Vieh ist sofort zu tödten.
Rinder gelten stets für verdächtig, sobald sie mit erkrankten Stücken in demselben Stalle gestanden, die Wärter, die Futtergeräthschaften oder die Tränke gemeinschaftlich gehabt haben, oder sonst mit erkrankten Stücken in eine mittelbare oder unmittelbare Berührung gekommen sind.
Unter welchen Voraussetzungen andere Wiederkäuer als verdächtig anzusehen sind, ist in jedem Falle nach den besonderen Umständen zu ermessen.
Wird durch die Tödtung der verdächtigen Thiere der Viehbestand eines Gehöftes bis auf einen verhältnißmäßig kleinen Rest absorbirt, so ist auch letzterer zu tödten.
Auf Ermächtigung der höheren Behörde kann auch zu schnellerer Tilgung der Seuche gesundes Vieh, ohne daß die obige Voraussetzung eingetreten ist, getödtet, und diese Maßregel auf nachweislich noch nicht infizirte Gehöfte ausgedehnt werden (vergl. namentlich §. 36 Abs. 1).
In größeren Städten und auf den unter regelmäßiger veterinärpolizeilicher Kontrole stehenden Schlachtviehhöfen kann die Verwerthung der Häute und des Fleisches von Thieren, welche bei der Untersuchung im lebenden und geschlachteten Zustande gesund befunden worden sind, gestattet werden. Das Schlachten der betreffenden Thiere muß jedoch unter veterinärpolizeilicher Aufsicht in geeigneten Räumen stattfinden, auch dürfen das Fleisch und die inneren Theile erst nach dem Erkalten abgefahren und die Häute nur dann ausgeführt werden, wenn sie entweder vollkommen getrocknet sind oder drei Tage in Kalkmilch (1:60) gelegen haben. [154]

§. 26.

Die getödteten Thiere, bezüglich deren nicht die Bestimmung im letzten Absatze des §. 25 Anwendung findet, sind zu verscharren. Zu diesem Behufe sind geeignete Plätze, möglichst entfernt von Wegen und Gehöften, an solchen Stellen zu benutzen, wohin kein Rindvieh zu kommen pflegt. Soweit möglich sind wüste und gar nicht oder wenig angebaute Stellen zu wählen. Die Verscharrungsplätze sind ferner in der Regel zu umzäunen und mit solchen Pflanzen zu besetzen, welche schnell wachsen und tiefe Wurzeln treiben.
Die Gruben müssen so tief gemacht werden, daß die Erde mindestens 2 Meter hoch die Kadaver bedeckt.

§. 27.

Tödten und Verscharren erfolgt, soweit möglich, durch die Einwohner des infizirten Gehöftes oder durch solche Personen aus dem Orte, welche selbst kein Vieh haben und nicht mit Vieh in Berührung kommen.
Personen aus anderen Orten, insbesondere auch außerhalb des Ortes wohnende Abdecker dürfen nur dann, wenn keine geeigneten Ortseinwohner vorhanden sind, verwendet werden. Zur Verhütung der Verschleppung der Rinderpest durch solche Personen sind die geeigneten Maßregeln zu ergreifen (§. 42).

§. 28.

Die Stelle, an der die Viehstücke getödtet werden sollen, hat der Ortskommissar unter Zuziehung des bestellten Thierarztes, unter Berücksichtigung der Vermeidung jeder Verschleppungsgefahr, zu bestimmen.
Auswurfstoffe, welche das Thier während des Transports entleert, sind zu beseitigen und zu vergraben.
Kadaver dürfen nur durch Pferde oder Menschen auf Wagen, Schleifen oder Schlitten, ohne daß einzelne Theile die Erde berühren, nach der Grube transportirt werden. Die Transportmittel sind, so lange noch weitere Transporte in Aussicht stehen, sorgfältig separirt aufzubewahren, dann aber zu vernichten.

§. 29.

Das Abledern der Kadaver, bezüglich deren nicht die Bestimmung im letzten Absatze des §. 25 Anwendung findet, ist streng zu untersagen. Vor dem Verscharren muß von den dazu bestellten Personen die Haut an mehreren Stellen zerschnitten und unbrauchbar gemacht werden. Alle etwaige Abfälle, Blut und mit Blut getränkte Erde sind mit in die Grube zu werfen. Soweit möglich, sind die Kadaver vor dem Zuwerfen der Grube mit Kalk zu beschütten.
Beim Ausfüllen der Grube sind Zwischenschichten von Steinen oder Reisig, wenn möglich, anzubringen. Die Grube ist bis zur Aufhebung der Sperre, mindestens aber drei Wochen hindurch mit Wachen zu besetzen.

§. 30.

Ist ein Stall, in welchem krankes oder verdächtiges Vieh gestanden hat, durch Tödtung des Viehbestandes entleert, so ist, sofern die eigentliche Desinfektion (§§.40 ff.) nicht sofort nach Entfernung des Viehbestandes vorgenommen werden kann, der etwa zurückbleibende Dünger zu verbrennen oder mit Desinfektionsflüssigkeit zu übergießen, der Stall nach luftdichtem Verschluß aller Oeffnungen stark mit Chlor zu räuchern und hierauf die Stallthür bis zum Beginn der Ausführung der eigentlichen Desinfektion zu schließen und zu versiegeln. Alle Stallutensilien und was sonst bei den Thieren gebraucht worden ist, verbleiben im Stalle und sind beziehentlich vor dessen Verschluß wieder hineinzubringen. [155]

§. 31.

Vorstehende Vorschriften über die Gehöfts- und Ortssperre erleiden dann die im Interesse der Wirthschaft unbedingt nöthigen Modifikationen, wenn die Seuche zu einer Zeit auftritt, wo Feldarbeiten und Weidegang im Gange sind. Diese Modifikationen sind von der vorgesetzten Behörde besonders festzustellen. Es sind dabei folgende Gesichtspunkte (§§. 32 und 33) zu beachten.

§. 32.

Die Gehöftsperre (§§. 15 und 20) kann auch dann nicht umgangen oder gemildert werden. Es ist aber dann dahin zu streben, daß sobald als möglich zu völliger Reinerklärung des Gehöftes gelangt werde (vergl. §. 25).
Unaufschiebbare Feldarbeiten sind entweder durch fremde Hülfe, oder durch die eigenen Leute des Gehöftes unter den nöthigen Vorsichtsmaßregeln zu beschaffen.

§. 33.

Sind die Voraussetzungen der Ortssperre gegeben, so tritt dann an deren Stelle die Sperre der ganzen Feldmark, d. h. die in §§. 21 und 23 ff. angeordneten Sperrmaßregeln werden an die Grenze der Feldmark verlegt. Die durch die Feldmark führenden Wege werden abgegraben. Für längs der Grenze hinführende Wege wird das Betreten und der Transport von Vieh, Rauchfutter u. s. w. verboten.
Alle Ortseinwohner, welche noch krankheitsfreie ungesperrte Gehöfte haben, können ihre Feldarbeiten mit eigenen Leuten und Gespannen verrichten.
Rinderviehgespanne sind dabei von der nachbarlichen Flurgrenze und von bezw. verbotenen Wegen soweit irgend thunlich fern zu halten.

§. 34.

Für die Umgebung des Seuchenortes (§. 17) ist nöthigenfalls der Weidegang ebenfalls zu untersagen und für die unmittelbar angrenzenden Fluren sind die nöthigen Beschränkungen des freien Verkehrs und Vorsichtsmaßregeln für die Feldbestellung anzuordnen.

§. 35.

Bei der absoluten Sperre ist für Herbeischaffung der nothwendigsten Bedürfnisse der Bewohner: Lebensmittel, Brennmaterialien, Futter etc. unter den nöthigen Vorsichtsmaßregeln Sorge zu tragen. [156]

§. 36.

In Residenz- und Handelsstädten, sowie in anderen Städten mit lebhaftem Verkehr kommen die relative und absolute Sperre des Ortes nicht in Anwendung; auch sind sonstige durch die Verhältnisse gebotene Ausnahmen von den Bestimmungen der §§. 18 ff. zulässig. Es ist jedoch stets auf möglichst rasche Tilgung der Seuche durch schnelle Tödtung des gesammten Viehbestandes der ergriffenen Gehöfte, sowie durch geeignete Absperrung der infizirten Lokalitäten und schleunige Desinfektion Bedacht zu nehmen.
Ist die Rinderpest in einem öffentlichen Schlachthause oder auf einem als besondere Anstalt bestehenden Schlachtviehmarkte einer größeren Stadt konstatirt, so ist die betreffende Lokalität sofort gegen den Abtrieb der auf derselben befindlichen Wiederkäuer und Schweine abzusperren. Hierbei kann, sofern die Krankheit noch keine solche Verbreitung gefunden hat, daß die sofortige Tödtung und Vernichtung des gesammten Bestandes an Wiederkäuern nothwendig ist, das Abschlachten der noch nicht erkrankten Thiere zum Zwecke der Verwerthung gestattet werden. Die Schlachtung, welcher auch die Schweine zu unterwerfen sind, hat jedoch in der betreffenden Lokalität und unter Aufsicht und Leitung von Thierärzten innerhalb längstens dreier Tage zu geschehen. Bezüglich der Abfuhr des Fleisches und der inneren Theile, sowie der Häute der geschlachteten Thiere ist nach §. 25 Abs. 6 zu verfahren.
Bei dem Ausbruche der Rinderpest unter Thieren, welche sich auf dem Transporte oder Marsche befinden, sind die zu ergreifenden Vorkehrungen nach Lage der besonderen Verhältnisse zu treffen.

Dritter Abschnitt. Maßregeln nach dem Erlöschen der Seuche.

§. 37.

Die Seuche gilt in einem Gehöfte oder Orte für erloschen, wenn entweder alles Rindvieh gefallen oder getödtet ist, oder seit dem letzten Krankheits- oder Todesfalle drei Wochen verstrichen sind, und wenn die Desinfektion nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen stattgefunden hat.

§. 38.

Mit der Desinfektion ist nach Maßgabe der Umstände sofort zu beginnen, sobald in einem Gehöfte ein Stall vom Vieh entleert ist.
Dieselbe hat auch dann einzutreten, wenn die Tödtung eines Viehstandes stattgefunden hat, ohne daß der Ausbruch der Rinderpest unter demselben konstatirt war (§. 25 Abs. 5).

§. 39.

Die Desinfektion darf nur auf amtliche Anordnung und nur unter sachverständiger Aufsicht geschehen.

§. 40.

Die Desinfektion beginnt, sofern ein Verschluß des Stalles (§. 31) stattgefunden hat, mit der Wiedereröffnung desselben, welche womöglich innerhalb vierundzwanzig Stunden erfolgen soll; für ausreichende Lüftung während der Desinfektionsarbeiten ist Sorge zu tragen.
Der Dünger wird herausgeschafft und verbrannt, oder an Orten, in welche innerhalb der nächsten drei Monate kein Vieh hinkommen kann, tief vergraben. Die in Jauchengruben angesammelte Jauche ist unter Anwendung von Schwefelsäure und Chlorkalk entsprechend zu desinfiziren und in hinlänglich tiefe Gruben zu bringen.[157]
Alles Mauerwerk wird abgekratzt (die Fugen gereinigt) und dann frisch mit Kalk beworfen und abgeputzt, Holzwerk wird ebenfalls abgefegt, mit heißer scharfer Lauge gewaschen, nach einigen Tagen mit Chlorkalklösung überpinselt.
Erd-, Sand- und Tennen- (Lehmschlag-) Fußböden werden aufgerissen, die Erde einen Fuß tief ausgegraben und Alles gleich dem Dünger behandelt. Pflaster-Fußböden gewöhnlicher Art, d. h. deren Steine in Sand oder Erde gesetzt sind, werden ebenfalls aufgerissen, die Erde einen Fuß tief ausgegraben und wie der Dünger behandelt. Die Steine können gereinigt, mit Chlorkalklösung behandelt und, wenn sie vier Wochen lang an der Luft gelegen haben, wieder benutzt werden. Fußböden von Holz werden nach Maßgabe ihrer Beschaffenheit entweder verbrannt oder in entsprechender Weise desinfizirt. Müssen die Fußböden aufgerissen werden, so ist die Erde ebenfalls wie vorstehend auszugraben und zu behandeln. Feste undurchlässige Pflaster von Asphalt, Cement oder in Cement gesetztem Pflaster werden gereinigt und desinfizirt.
Statt des Chlorkalks können auch andere, erfahrungsmäßig als wirksam bekannte Desinfektionsmittel, wie siedendes Wasser, Karbolsäure u. s. w. benutzt werden.
Alles bewegliche Holzwerk (Krippen, Raufen, Gefäße und sonstige Utensilien, womöglich auch die Scheidewände) wird verbrannt, Eisenzeug wird ausgeglüht.
Jauchebehälter und Stallschleusen werden analog behandelt wie Stallfußböden, oder wenn sie gemauert werden, wie das Mauerwerk.
Nach Beendigung der Desinfektion wird der Stall 14 Tage lang durchlüftet.

§. 41.

Bei der Desinfektion dürfen nur Leute aus dem eigenen oder aus anderen infizirten Gehöften, oder solche Personen verwendet werden, welche selbst kein Vieh haben; diese Personen müssen bis zur Beendigung der Reinigung im Gehöfte bleiben. Zu den Fuhren sind nur Pferdegespanne anzuwenden.
Bei dem Transporte von Dünger und Erde ist wie nach §§. 28 und 29 zu verfahren. Die Transportgeräthe können statt des Verbrennens auch einer sorgfältigen Desinfektion, wie sie für Holzwerk vorgeschrieben ist, unterworfen werden.

§. 42.

Die Kleidungsstücke der mit den kranken und todten Thieren und der Reinigung und Desinfektion beschäftigt gewesenen Leute sind entweder zu verbrennen, oder, soweit sie waschbar sind, mit heißer Lauge 12 bis 24 Stunden stehen zu lassen, dann mit Seife gründlich zu waschen und an der Luft zu trocknen, soweit sie nicht waschbar sind, 12 bis 24 Stunden lang mit Chlor zu räuchern oder trockner Hitze auszusetzen und dann 14 Tage zu lüften.
Schuhwerk und Lederzeug muß sorgfältig gereinigt, mit Lauge oder schwacher Chlorkalklösung gewaschen und frisch gefettet, nochmals mit Chlor geräuchert und 14 Tage gelüftet werden.
Die Personen selbst haben die Kleider zu wechseln und den Körper gründlich zu reinigen. [158]

§. 43.

Alles Rauchfutter, welches nach der Art seiner Lagerung der Aufnahme von Ansteckungstoff verdächtig erscheint, ist sogleich bei beginnender Desinfektion durch Verbrennung zu vernichten.

§. 44.

Dünger auf den Düngerstätten, welcher während des Auftretens der Seuche oder innerhalb 10 Tagen vor Konstatirung derselben auf die Dungstätte gebracht wurde, ist wie der Stalldünger zu behandeln (§. 40).
Der übrige Mist auf den Düngerstätten ist mit Pferdegeschirr auf das Feld zu schaffen und wo möglich nach drei bis vier Wochen unterzupflügen.
So lange letzteres nicht geschehen ist und vier Wochen nachher darf kein Rindvieh dieses Feld betreten.
Ist die sofortige Wegschaffung des gesammten Düngers nicht thunlich, so ist die oberste Schicht mit einer Desinfektionsflüssigkeit zu übergießen. Die Fortschaffung nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen hat indessen möglichst bald zu erfolgen.

§. 45.

Selbst nach vollständiger Desinfektion eines Gehöftes oder Ortes und Beseitigung der Sperre darf neuer Ankauf oder Verkauf von Vieh erst nach einer von der Behörde zu bestimmenden Frist erfolgen, welche nicht unter drei Wochen, von dem Zeitpunkte, an dem der Ort für seuchenfrei erklärt wurde, an gerechnet, betragen darf.
Weideplätze, welche von pestkrankem oder pestverdächtigem Vieh benutzt worden sind, dürfen nicht vor Ablauf von mindestens zwei Monaten wieder benutzt werden.
Die Zeit, in welcher die Verscharrungsplätze wieder benutzt werden dürfen, wird nach Maßgabe der lokalen Verhältnisse in jedem Falle von der höheren Behörde bestimmt.

§. 46.

Die Abhaltung von Viehmärkten ist nicht vor Ablauf von drei Wochen, nachdem der letzte Ort im Seuchenbezirke für seuchenfrei erklärt ist, zu gestatten.
War die Rinderpest in Residenz- und Handelsstädten, oder in sonstigen Städten mit lebhaftem Verkehre oder in der Nähe derselben ausgebrochen, so können besondere, von den Bestimmungen des §. 45 Abs. 1 und §. 46 Abs. 1 abweichende Anordnungen getroffen werden.

Schlußbestimmung.

Bezüglich der Desinfektion der Eisenbahnwagen bleiben die Bestimmungen der Instruktion vom 26. Mai 1869 einstweilen unverändert in Geltung.