Zum Inhalt springen

Altenau einst blühende Bergstadt

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Heinrich Morich
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Altenau einst blühende Bergstadt
Untertitel:
aus: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1950, S. 33–35
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum:
Verlag:
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[33]
Altenau einst blühende Bergstadt
Von Rektor H. Morich †


     Die Gründung der Bergstadt Altenau, der jüngsten unter den Grubenhagenschen Bergstädten, fällt in den Ausgang des 16. Jahrhunderts. Ihren Namen leitet man ab von den Flüßchen Altenaw oder Alten = Aue, jetzt Schneid- oder Schultaler Wasser genannt, das sich hier mit der Oker vereinigt. Schneidwasser bedeutet Grenzwasser, an welchem die Grenze zwischen Grubenhagen und Braunschweig hinaufging. Zur Zeit des Alten Mannes, also im 13. und 14. Jahrhundert, soll vor der Einmündung des Lilierwassers eine Hütte gelegen haben, welche Rammelsberger Erze verschmolz, aber zu festen Ansiedlungen scheint es damals nicht gekommen zu sein.

     Die ersten Bergbauversuche bei Altenau wurden um das Jahr 1540 unternommen, da aber das Silber, das man aus den armen Erzen gewann, die Hüttenkosten nicht deckte, so zogen sich die Gewerken (Unternehmer) entmutigt zurück. Der Bergbau ruhte jedoch nicht, sondern wurde immer wieder von neuem aufgenommen, namentlich durch wohlhabende Familien aus Braunschweig, Hildesheim und anderen Städten. Im Jahre 1567 standen wieder drei Gruben im Betriebe, die „Schatzkammer“, die „Güldene Rose“ und die „Güldene Schreibfeder“. Der Herzog Wolfgang von Grubenhagen gewährte den Gewerken volle Zehnt- und Zinsfreiheit, doch brachten die Gruben nicht den erhofften Gewinn und mußten bis zum Ende des 16. Jahrhunderts zeitweise wieder eingestellt werden.

     Inzwischen war neben dem schwachen Bergbau auch eine Eisenhütte entstanden, die den Eisenstein des benachbarten Polsterberges verichmolz. Weil sie abseits am Gerlachsbache lag, erhielt sie den Namen „Abgunst“. Um das Jahr 1580 hatte die neue Ansiedlung, die als Forstgemeinde unter dem Oberförster zu Osterode stand, etwa 20 Wohnhäuser, doch nahm die Einwohnerzahl so schnell zu, daß der Ort bald einen eigenen Prediger und eine Kirche erhielt, die 1588 urkundlich erwähnt wird. Im Jahre 1594, als der Bergflecken 35 Wohnhäuser zählte, setzte Herzog Wolfgang demselben Richter und Schöffen und gab ihm damit städtische Verfassung, doch standen jenen nur beschränkte Befugnisse zu, da die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen und peinlichen Sachen den herzoglichen Oberförstern in Osterode übertragen war. [34]      Im Anfang des 17. Jahrhunderts standen bei Altenau wieder viele Gruben im Betriebe, und es waren einige 20 Gewerken die den Silbererzbergbau in Angriff genommen hatten. Daß der Betrieb nicht unbedeutend gewesen ist, geht daraus hervor, daß um das Jahr 1610 sogar eine Silberhütte errichtet wurde. Gebaut wurde auf dem anfangs sehr bleierzreichen Schazkammer-Gangzuge, der mit vielen Unterbrechungen lange Zeit im Betrieb war. Im Jahre 1603 hatte Altenau schon 50 Wohnhäuser, deren Zahl bald weiter stieg. Als 1617 das Fürstentum Grubenhagen an den Herzog Christian von Lüneburg-Celle gefallen war, verlieh dieser dem Orte Stadtgerechtigkeit, Brauwerk und ein Stadtsiegel, das neben Schlägel und Eisen die Wolfsangel zeigt. Den Bergstädten ist Altenau aber erst im Grubenhagenschen Landtagsabschiede von 1623 beigezählt, und die Clausthaler Bergfreiheit vom Jahre 1554 wurde ihr erst 1636 vom Herzog August d. J. von Braunschweig-Lüneburg ausgefertigt.

     Die Bergwerke und Hütten waren eine Zeitlang von 2 wohlhabenden Männern namens Pankratius Müller und Berndt Frommknecht auf eigene Kosten gebaut. Den gebührenden Zehnten und andere Abgaben hatten sie jährlich der Herrschaft entrichtet. Im Jahre 1618 wurde ihr ganzer Betrieb unter. die Aufsicht des Bergamts zu Clausthal gestellt, das ihnen in einem Vertrage ihr Besitztum auf 8 Jahre zusicherte, doch sollten sie statt des Zehnten von allen Metallen jährlich 800 Gulden zahlen und alle Vierteljahr über ihre Einnahmen und Ausgaben Rechnung ablegen. Das Recht, Geschworene, Steiger und Arbeiter an- und abzulegen, wurde ihnen gelassen. Nach Ablauf der 8 Jahre sollten sie das „Näherrecht“ haben, ihr Eigentum, in das sie fast ihr ganzes Vermögen gesteckt hatten, wieder an sich zu bringen. Auch wollte man ihnen dann ihre aufgewendeten Baukosten vergüten.

     In dem drangsalvollen 30jährigen Kriege, von dem auch Altenau nicht verschont blieb, war jedoch die Erfüllung jener Vertragsklauseln nicht möglich, die Gruben kamen zum Erliegen, und der Bergbau ruhte von 1620 bis 1630 etwa 10 Jahre lang. In dieser bösen Zeit, die mit einer Teuerung und nachfolgenden Pestilenz einsetzte, sann man auf andere Erwerbszweige. Der Richter Klaus Ränsch sorgte für Anlage eines Bohr- und Schleifwerks, und der rührige Gewerke Frommknecht ließ am Rothenberge eine Mahl- und Ölmühle sowie 1623 eine Eisenhütte mit Zerrennherd, Frischfeuer und Blechhammer erbauen, die allerdings nur kurzem Bestand hatte. Sie lieferten uns u. a. Material für Gewehrläufe. Zerrennherde waren niedrige Ofen mit geringer Hitze, in denen man schlackiges Eisen gewann. Die Frischfeuer dienten zum Umschmelzen (Frischen) des Roheisens in schmiedbares Eisen.

     Zu Anfang des 30jährigen Krieges soll in Altenau auch eine braunschweigische Münze bestanden haben. Die mündliche Überlieferung bezeichnet heute noch ein altes Gebäude hinter dem Rathaus allgemein als ehemalige Münze, wo auch Münzgerätschaften ausgegraben ein sollen. Vielleicht aber war es nur eine sogenannte Heckenmünze, wie solche in der Kipper- und Wipperzeit auch in Elbingerode und Katlenburg auf kurze Zeit bestanden. Es waren nicht berechtigte Münzstätten (Münzhecken), wo minderwertige Münzen geprägt wurden. Dieser Mißbrauch herrschte besonders während der Zeit des 30jährigen Krieges, und der Wert des guten Geldes stieg dadurch so sehr, daß 1621 ein guter Taler 7–8 und 1623 fogar 16–20 Taler galt.

     Nach dem 30jährigen Kriege wurden die Gruben wieder aufgenommen und auch fleißigbebaut, wovon noch heute die vielfach vorhandenen Schachtlöcher, Halden, Stollen und Gräben ein beredtes Zeugnis ablegen. Schon 1631 nahmen Richter und Rat die Gruben Schatzkammer, Rose und Schreibfeder für Rechnung der Stadt in Pacht, denn sie waren eifrig bestrebt, durch Aufschließung lebensfähiger Betriebe der bergmännischen Bevölkerung einträgliche Verdienstmöglichkeiten zu beschaffen. Auch bei Fehlschlägen ließen sie sich nicht beirren, immer wieder neue Mutungsversuche anzustellen. Im Jahre 1652 führte man eine sogenannte Stollensteuer ein, mit deren Hilfe die Schakkammer wieder in Betrieb genommen wurde. Es war die bedeutendste Grube, die zeitweise auch Ausbeute lieferte.

     Die Stadt entwickelte sich stetig, so daß sie 1653 schon 70 Wohnhäuser zählte. Eine ausgedehnte Viehzucht und Wiesenkultur sowie die Beschäftigung in der Forstwirtschaft gingen Hand in Hand mit den Arbeiten in den Berg- und Hüttenmännischen Betrieben. Bei der Zunehmenden Bevölkerung genügte die erste Kirche nicht mehr, die jedenfalls recht klein und einfach gewesen ist. Im Jahre 1669 legte man sie nieder und erbaute an derselben Stelle eine neue, größere Kirche, die noch heute vorhanden ist. Ein neuer Kirchturm war schon 1642 errichtet. Das Glockenhaus der Kirche auf benachbarter Höhe stammt aus dem Jahre 1684. Die Silberhütte, die in den Wirren des 30jährigen Krieges stillgelegt und verfallen war, wurde im Jahre 1691 wieder neu aufgebaut. Die Eisenhüttenleute und Waldarbeiter waren Niedersachsen, die Silberbergleute aber Obersachsen. Daher ist noch heute Altenau zweisprachig. Die Nachkommen der ersteren sprechen niederdeutsch, die übrigen Einwohner oberdeutsch = oberharzisch.

     Unterhalb der Silberhütte wurde 1794 eine fiskalische Eisenhütte mit Hochofen angelegt, welche den Magneteisenstein vom Spitzenberge und den Rot- und Brauneisenstein des Grünsteinzuges bei Altenau und im Kellwasser verschmolz. Ihre Gründung soll durch das wiederholte Auftreten des Borkenkäfers, der die Waldbäume [35] durch Austrocknen zu Sterben bringt, mit veranlaßt werden sein, denn man hatte bisher keine passende Verwendung für die großen Holzmengen, die als Folge der häufigen Wurmtrocknis fielen. Das in dieser Hütte hergestellte Roheisen wurde fast sämtlich granuliert (gekörnt). Die Silberhütten bedurften nämlich zu ihrer Niederschlagsarbeit bei der Verschmelzung des Bleiglanzes oder anderer schwefelhaltiger Erze gekörntes Eisen. Dieses war zur Aufnahme des Schwefels in den Silberschmelzöfen bestimmt. Das Eisen kann sich mit dem Schwefel desto vollkommener sättigen, je mehr Oberflächen es hat. Das Granulierwasser wurde gern zu heißen Bädern benutzt und zu diesen Zwecken kochend oft nach Goslar, Clausthal, Zellerfeld oder Altenau in Fässern versandt.

     Im 18. Jahrhundert ging es mit dem Bergbau in Altenau abwärts. Die Gruben zeigten sich immer weniger ergiebig und wurden nach und nach von den Gewerken verlassen. Die beiden bedeutendsten Gruben „Schatzkammer“ und „Goldene Rose“ sind nebst ihrem Pochwerk 1762 eingestellt. Die Tagesgebäude wurden verkauft und ein Jahr später die Schächte verstürzt. Lasius nennt in seinen „Beobachtungen über die Harzgebirge“ 1789 als letzte Grube „König Georg III.“ wo noch auf Bleiglanz gebaut wurde. Die Eisenhütte, die etwa 30 Mann beschäftigte, stellte 1871 ihren Betrieb ein, weil die Roteisensteine des Polsterberges zu kieselig wurden, worauf 1875 auch die vier im Polstertale gelegenen Pochwerke verschwanden.

     Die Silberhütte blieb nach der Einstellung des Bergbaues noch bestehen und verschmolz von da ab ausschließlich Clausthaler und Schulenberger Erze. Zur Ausnutzung der Apparate und Wasserkräfte sowie zur Erhaltung der 220 Mann starken Belegschaft verarbeitete sie auch amerikanische Silbererze, wie sie schon seit 1700 ostindische Golderze verschmolzen hatte. Von besonderer Bedeutung waren auf dieser Hütte die Kupferarbeiten, die das Elektrolytkupfer erzeugten. Es war dem Werke jedoch nicht möglich, die Ungunst der Verhältnisse zu überwinden, die erheblichen Kosten für die Anfuhr von Kohlen und Schmelzgut, die Erhöhung der Betriebsausgaben, die niedrigen Metallpreise erforderten große Zuschüsse. Im Jahre 1909 hatte die Hütte für sich allein einen Betriebsverlust von 394.000 Mark, und da dieser immer größer zu werden drohte, sah man sich schließlich gezwungen, im Jahre 1911 die Hütte, die zuleßt noch 140 Mann beschäftigte, nach 300jährigem Bestehen einzustellen.