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Am Plansee

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Textdaten
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Autor: Arthur Achleitner
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Titel: Am Plansee
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 725, 732–733
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Der Plansee.
Nach einer Zeichnung von H. Nisle.

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Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Am Plansee.

Von Arthur Achleitner. 0Mit Zeichnungen von H. Nisle.

Der Plansee und die Stuibenfälle.

So reich das „heilige Land Tirol“ an überwältigenden Gebirgslandschaften ist, so spärlich hat Mutter Natur die Heimath Andreas Hofers mit Seen ausgestattet, mit Gewässern wenigstens, deren Größe die Bezeichnung „See“ verdient. Indessen gemäß dem Sprichwort „Wenig aber gut“ bieten die tirolischen Seen dem Auge eine Fülle von Schönheit, die bezaubernd wirkt. Die stahlblaue Fluth des Achensees, wer hat an ihren Ufern geweilt und den Abschied nicht schmerzlich empfunden?! Dann aber folgt im Range gleich der einsame Plansee, oder eigentlich die Planseen, denn man hat drei Seen zu unterscheiden, den kleinen und den großen Plansee und den Heiterwangsee. Der friedlich-düstere Charakter dieser Gewässer fesselte den unglücklichsten der Könige so sehr, daß er seine märchenhafte Burg Neuschwanstein in den Schoß der Berge bettete, welche die Wacht an der algäuisch-tirolischen Grenze halten. An dem See, der an Lieblichkeit mit dem Achensee wetteifert, gleichzeitig aber an die Schwermuth des Walchensees, dieses flüssige Gedicht melancholischer Einsamkeit, erinnert, weilte Ludwig II. mit besonderer Vorliebe, und seine Liebe zu diesem Fleckchen Wasser- und Gebirgslandschaft ist nur zu begreiflich. Mochten Primeln und Glockenblumen den holden Lenz einläuten oder das Donnern des sich dehnenden Eises den grimmen Winter verkünden, der königliche Schloßherr eilte herüber von seiner Burg und ging in Einsamkeit seinen phantastischen Idealen nach. Erst als der weltentlegene Bergsee diesen Freund für immer verloren, wurde der Plansee immer bekannter durch die Leute, welche des unglücklichen Monarchen Schlösser besuchten und auch dem dunkelgrünen Gewässer einen Blick gönnten. Und so kamen und kommen Tausende und Abertausende, und immer größer wird der Ruf und Ruhm des Plansees, immer belebter werden seine Ufer, welche das Denkmal des guten Königs Max für Ludwig den Bayern schmückt. Und wer von dem etwa 11/2 Stunden entfernten Reutte herauswandert, der erquickt sich gern an dem romantischen Reiz der malerischen Stuibenfälle.

Auf den Bergeshöhen wie drunten im grünen sonnenerfüllten Thalboden zieht Mythe und Sage ihre Fäden geisterhaft, und gar mancher graue Stein erinnert an die Vorzeit. In Breitenwang, dem stillen Dörflein nahe den Seen, steht das Haus, in welchem der Kaiser Lothar der Sachse, Graf von Supplinburg, auf der Heimkehr von seinem zweiten italienischen Zug am 4. Dezember 1137 sein Leben aushauchte. Eine Bronzetafel an der Kirche kündet dies den Nachgeborenen, Lothars sterbliche Ueberreste aber wurden in Königslutter beigesetzt. Im Kirchhof von Breitenwang wandelt in bösen Nächten eine weiße Frau die unbedachten [733] Wanderern ein Linnen oder gar ein Todtenhemd überwirft, das am Körper haftet und nicht wieder wegzubringen ist. Der Sage nach muß derjenige nach drei Tagen sterben, dem die weiße Frau das Linnen überwarf.

Reutte und Schloß Ehrenberg.

Manche Sage umrankt auch wie Epheu die etwa eine Stunde von Reutte entfernte, auf steilem Felsen thronende Burg Ehrenberg, eine Halbruine aus den Zeiten des Ostgothenkönigs Theodorich, in deren Thorbogen man rothen Salurner schenkt. Die stolzen Höhen des Algäus mit dem Säuling zeigen sich von dieser Stelle in voller Erhabenheit. Schloß Ehrenberg beherbergt in der Sage schwarze Jungfrauen, die nächtlicherweile von ihrer Höhle Seile spinnen zum Schloßthurm und ihre Wäsche daranhängen, eine Sage, die sich im Algäu oft vorfindet. Auch vom „Klaushund“ ist zu erzählen, der ein Menschenantlitz habe. In dem schwarzen Pudel wohne die Seele eines Verräthers, der zur Zeit des Schwedenkrieges den Engpaß, die „Ehrenberger Klause“, den Feinden verrathen und dadurch ein entsetzliches Blutbad veranlaßt habe. Zur Strafe sei der Vaterlandsverräther in den schwarzen Klaushund verwandelt worden, der in gewissen Nächten von der Klause bis nach Arlberg und zurück laufen müsse. Auffallenderweise trifft man in der Gegend von Reutte auch das Andenken an Julius Cäsar, der bei Füßen zu Pferd über den Lechschlund gesprengt sein soll, in Wahrheit aber nie in dieser Gegend gewesen sein kann. Ein Gedicht unbekannten Ursprungs erzählt, daß der Sprung über den Felsendurchbruch des Lech vom hl. Magnus vollführt worden und im Felsgrund sein Tritt zu sehen sei. Auf dem Säuling soll Julius Cäsar ein Wildbad besucht haben. So die Sage; in der Geschichte der mittelalterlichen Religionskriege aber hat die „Ehrenberger Klause“ mehr als einmal eine bedeutungsvolle Rolle gespielt.

Ein prächtiger Marktflecken in herrlicher Lage ist Reutte am Lech; im Norden ragt der Säuling empor, östlich der Zwiesel- und Tauernberg, südöstlich der Thaneller mit schneeerfüllten Wänden, südlich der Schloßkopf mit Ehrenberg, die Lechthaler Berge, die Gachsspitze und die Aschauer Alpe. Reutte führt drei Tannen in roth und weißem Felde im Wappen. Da, wo jetzt der schöne Markt liegt, von almenbesäeten Bergen umrahmt, da stand einst dichter Urwald, und darinnen lebten Heiden. Ein von Gott gesandter Mann bekehrte diese zum Christenthum und lehrte sie den Wald „auszureuten“, den Boden bebauen, Hütten errichten, und der Ort ward „Reutte“ genannt zur Erinnerung an die Ausreutung. Nur drei Tannen ließ man stehen als Denkmal des einstigen Urwalds und erneuerte sie immer wieder durch die Jahrhunderte. So deutet die Legende das Wappenbild.

Wer im Sommer in die Thalebene von Reutte kommt, wird entzückt dieses schöne Landschaftsbild preisen und nicht minder den Ort selbst, wo der Wanderer gut aufgehoben ist. Pflegte doch Kaiser Ferdinand von Oesterreich, zum steten Aerger seines Hofkochs, zu sagen: „Wenn ich was Gut’s essen will, muß ich halt nach Reutte.“