Am Sonntag
[180] Am Sonntag. (Zu dem Bilde S. 173.) Wer nicht ganz genau hinsieht, könnte denken, es schmücke sich auf diesem hübschen Bildchen eine Schöne des jüngstvergangenen Sommers zum Sonntagsausflug. So modern fällt das weiße Faltenkleid mit den Bauschärmeln um die schlanke Gestalt; auch das der sitzenden und wartenden Freundin könnte einer neuen Modezeitung entstammen, nicht minder der seidene „Pompadour“, der an ihrem lang behandschuhten Arm über die Stuhllehne baumelt. Und erst dieser Stuhl selbst, das zierliche Tischchen, der Spiegel, die bauchige Aufsatzkommode: alles entspricht dem neuesten Geschmack „Empire“ so vollkommen, daß mancher Leser dadurch getäuscht werden dürfte! Die Leserinnen freilich nicht: sie sehen auf den ersten Blick die Kreuzbänderschuhe von Anno 1825, die Hutformen, welche zwar nicht weniger abenteuerlich sind als die heutigen, aber immerhin anders, die große „Kontuschenhaube“, die man heute keiner Zofe mehr zumuten dürfte, und sie wissen sofort, daß es sich hier um Urgroßmutterzeit handelt. Aber sicher sehen sie mit Freude deren anmutig lebhafte Darstellung, sei es auch nur, um sich zu überzeugen, wie recht man hatte, die alten Moden wieder hervorzusuchen, welche den jungen Schönen von damals so allerliebst zu Gesicht standen! Bn.