Amors Schicksale

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Textdaten
Autor: Johann Gottfried Herder
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Titel: Amors Schicksale
Untertitel: Nach dem Spanischen
aus: Friedrich Schiller:
Musen-Almanach für das Jahr 1797, S. 183 - 186
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1797
Verlag: J. G. Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
Übersetzer:
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Originalherkunft:
Quelle: HAAB Weimar, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung: Die Chiffre W. wird Johann Gottfried Herder zugeschrieben.
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[183]
Amors Schicksale.
Nach dem Spanischen.

1.

Liebe fodert Gegenliebe.
Ohne Kampf und Siege wachsen
Amorn seine Schwingen nicht.
     Von der Anmuth selbst gebohren,

5
Und von Grazien erzogen,

Blieb er ohne Streit und Kämpfe,
Flügellos und klein und schwach.
     Schaff’ ihm, sprach die weise Themis,
Mutter, schaff’ ihm einen Bruder,

10
Der ihn fodre, der ihn reize:

Denn sein Vater war der süße
Trieb und ihm im Busen schläget
Mächtig seines Vaters Herz.
     Dies geschah. Dem Kinde sproßten

15
Kämpfend mit der Gegenliebe
[184]

Schnell die Flügel. Adlerschwingen
Trugen kühn ihn zum Olymp.

2.

     Aber Kampf- und Sieggewohnet
Säet’ Amor im Olympus

20
Bald auch Streit und Zwietracht aus.

     Denn unglücklich war sein Bruder
Drunten scheu zurückgeblieben;
Im Olympus, sprach er, kennet
Man die Gegenliebe nicht.

25
     Da ergriff der Gott Saturnus

Schnell den Knaben an den Flügeln,
Kürzet’ ihm die kühnen Schwingen,
Schleudert ihn zur Erd’ hinab.
     Seitdem flattert er hienieden

30
Wie die Schwalbe, wie die Taube;

An den Hof der großen Götter
Tragen ihn die Schwingen nicht.

[185]

3.

     Dafür sammlet er auf Erden
Sich ein Chor erwählter Freunde.

35
Musen, Grazien umgeben

Ihren Liebling. Schäferinnen,
Kinder, Jünglinge und Mädchen,
     Sind an jedem Fest der Ceres,
Oder an Jacchus Kelter,

40
Sind an jedem Frühlingsfeste

Allenthalben mit ihm gern.
     Und die Nachtigallen singen
Lieblicher; die Lauben blühen
Mit Je länger und je lieber.

45
Rosen knospen, und die treue

Taube fliegt in seinen Schoos.

4.

     Aber eingedenk auch seines
Schicksals bei den hohen Göttern,
Siehet Amor je auf Erden

50
Einen, spielet er ihm Trug.
[186]

     Diesen wandelt er zum Kuckuck,
Jenen gar zum goldnen Regen,
(Den die Schürze spottend auffängt),
Den zum Stier. Die Gottgeliebte

55
Wird zur Jo, wird zur Echo,

Zur betrüglich-leichten Welle,
Oder gar zum Aschenhäufgen,
Und zum traurig-dürren Baum.

5.

Nur den Menschen ist die Liebe

60
Hold und freundlich. Wo im Herzen

Eros wohnet, blickt dem Bruder
Vom gesenkten Augenliede
Anteros gefällig zu[1].

W.



  1. Eros und Anteros, Liebe und Gegenliebe.