An die Gemeindebehörden des Amtsbezirkes Günzburg. Betreff: Archive der Gemeinden
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Nachstehend wird eine Zuschrift des k. Kreisarchives in Neuburg a. D. zur Kenntnisnahme und Beachtung zum Abdruck gebracht.
Das Kgl. Staatsministerium des Innern hat mit Entschließung vom 26. November 1904 betr. Sicherung, Förderung und Erschließung der Archive der Gemeinden und örtlichen Stiftungen abermals auf die Wichtigkeit und Bedeutung der Gemeinde- und Stiftungsarchive für die verschiedenen Zweige des Staatswesens, für die Bevölkerung des Landes, sowie für die Wissenschaft hingewiesen.
Folgendes soll den einzelnen Gemeinden zur Aufklärung dienen.
Ueber den Begriff: Archiv besteht vielfach eine unklare Vorstellung. Als „Archiv“ sind hier zu verstehen schriftliche Aufzeichnungen über rechtliche Verhältnisse oder Vorgänge in früheren Zeiten. Beispielsweise einige Lehenbriefe in Papierumschlag, Zehntregister, Giltenverzeichnisse, Flurkarten, einige Korrespondenzen amtlicher Art mit dem ehemaligen Pfleger, Brief- oder Verhörprotokolle, Aufzeichnungen über Kriegsereignisse bilden ebenso ein Archiv wie Tausende von Bänden. Erstere sind vielleicht viel wichtiger. Auch das Alter der Schriftstücke ist keineswegs ausschlaggebend. Berichte aus den Napoleonischen Kriegszeiten können wichtiger sein als Lehensurkunden aus dem 15. Jahrhundert. Derartige Schriftstücke, welche fast jede Gemeinde besitzt, sind aufzubewahren; ja nichts veräußern. Alles ist wertvoll.
Mißstände bestehen vielfach hinsichtlich der Aufbewahrung solcher Archivalien. Am meisten schadet Nässe und Feuchtigkeit. Sind solche Schriftstücke – zumeist wohl nur Papierdokumente – jahre- oder jahrzehntelang am Dachboden den Einflüssen des Regens oder Schnees ausgesetzt oder in einem Raume untergebracht, wo feuchter Nebel eindringt, so werden sie modrig und brüchig, die Tinte verblaßt und in kurzer Zeit gehen sie unrettbar zu Grunde. Darum bewahre man sie in trockenen, möglichst nicht ebenerdigen Räumen, die feuersicher sind und lüfte diese in der warmen Jahreszeit. Sind nur wenige Dokumente vorhanden, so sollen diese in Papier eingeschlagen und in einem Schranke oder in einer Kiste verwahrt werden; feste Bände sind aufzustellen. Auch die kräftigeren Pergamenturkunden leiden sehr unter der Nässe. Manchmal ist auch mit dem Wechsel des Bürgermeisters eine Transferirung der Gemeinderegistratur verbunden; hiebei ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, [59] daß nicht eine Verschleuderung der Archivalien geschehe.
Um diese zu verhindern, sollen überall Verzeichnisse der vorhandenen Akten angelegt sein oder werden. Sind wenige Produkte vorhanden, so genügt es, diese – möglichst in zeitlicher Aufeinanderfolge – mit Nummern zu versehen und im Verzeichnisse einzutragen; z. B. Nr. 1 Kaufbrief v. J. 1680, 2) Lehenbrief über die Gotteshauswiese in . . . . v. J. 1720, 3) Protokollauszug des Pflegamtes . . . 10 Hefte u. s. w. Sind die Bestände umfangreicher, so teile man zuerst in Gruppen, z. B. Aemter und Beamte, Kriegssachen, Kaufbriefe, Lehenssachen, Münzwesen, Verordnungen etc. und innerhalb jeder Gruppe befolge man dann die zeitliche Ordnung. Sind nur Bruchstücke da, so suche man auch hievon den Inhalt festzustellen und kurz zu verzeichnen. Immer soll hiebei der praktische Gesichtspunkt maßgebend sein, denn die Verzeichnisse sollen die Benützung der Archivalien erleichtern.
Den Gemeinden diese Aufgaben zu erleichtern, ist das Kgl. Kreisarchiv in Neuburg a. D. stets bereit, sowohl durch Anleitung auf Anfragen, als durch Besichtigung an Ort und Stelle Beihilfe zu gewähren. Insbesondere ist auch das Kgl. Kreisarchiv bereit, den ganzen Archivalienbestand einer Land- oder Stadtgemeinde als Depot zu übernehmen, systemgemäß zu ordnen und zu verzeichnen, wobei der einzelnen Gemeinde das volle Eigentum an den Archivalien mit dem ausdrücklichen Rechte vorbehalten bleibt, jederzeit entweder das Ganze oder Teile zurückzuverlangen. Niemand wird ohne Genehmigung des Deponenten Einsicht gewährt; irgendwelche Rechtsnachteile sind nach keiner Seite hin zu fürchten. Eine Anzahl Gemeinden, so die Stadt Gundelfingen mit einem sehr wertvollen Archiv, Landgemeinden wie Rohrbach, Oberelchingen etc. haben von diesem Verfahren Gebrauch gemacht, das den Vorteil größtmöglicher Feuersicherheit mit sich bringt und außerdem noch das überlassene urkundliche Material den im staatlichen Archive bereits vorhandenen anreiht, ergänzt und sonach die wissenschaftliche Verwertung leicht ermöglicht. Das Kgl. Staatsministerium steht dieser Abgabe von Gemeinde- und Stiftungsarchivalien empfehlend gegenüber.
- Günzburg, 13. April 1905.
I. V.: v. Ungelter.