An die Redaction der Gartenlaube
[740] An die Redaction der Gartenlaube. In dem Berichte Ihres Blattes über Schiller’s Begräbniß ist des verstorbenen Oberconsistorialraths Günther in einer Weise gedacht, als wenn er, seinem bekannten wohlwollenden Charakter ganz entgegen, die Sache nur eben geschäftsmäßig ohne alle Theilnahme des Herzens betrieben, namentlich die Beisetzung des Sargs im Cassengewölbe aus Standesrücksichten angeordnet hätte. Diese Insinuation zerfällt in sich selbst, wenn man bedenkt, daß überall in Deutschland der Geistliche nicht Leichenbestatter ist und lediglich die Hinterlassenen innerhalb der geschlichen Grenzen über die Art der Bestattung zu verfügen haben. Hat sich also Günther der Sache näher angenommen, so ist dies nur aus Gefälligkeit gegen die Wittwe, in ihrem Auftrage und in den Grenzen dieses Auftrags geschehen. Zu einer solchen Insinuation gegen den längst Verstorbenen war also gar kein Grund vorhanden. Aber auch das Verfahren der Wittwe erklärt sich dadurch, daß damals in Weimar die stillen nächtlichen Beerdigungen üblich waren, und daß sie die Beisetzung im Cassengewölbe nur als eine vorübergehende betrachtete, da sie Aussicht hatte, den Sarg später auf ein eignes Besitzthum der Familie übertragen zu können – eine damalige Lieblingsidee, wie ja auch Bertuch in seinem Garten eine Familiengruft erbaut und Wieland sich in Oßmannstädt ein Grab bereitet hatte.
Das ganze Gerede taucht übrigens jetzt nicht zum ersten Male auf (nur der Seitenblick auf Günther ist neu), und ist auch bereits vor neunundzwanzig Jahren durch die Schwägerin Schiller’s, Caroline v. Wolzogen, in „Schiller’s Leben aus den Erinnerungen der Familie“ etc. auf sein richtiges Maß zurückgeführt worden, wo es S. 307 im II. Theile wörtlich lautet:
„Den vielseitigen, meist aus gutmüthigem Eifer verbreiteten Gerüchten über die Aufbewahrung der irdischen Ueberreste unsers Freundes bin ich folgende Aufklärung schuldig. Der Sarg, mit Schiller’s Namen bezeichnet, ward in einem Gewölbe aufbewahrt. Auf verschiedene Anträge zu einer andern Bestattung ging meine Schwester nicht ein, weil ihr die Idee des wackern Becker und des Grafen Benzel-Sternau, ein Gut für Schiller’s Hinterlassene, das Schillershain heißen sollte, zu erkaufen, wo seine Ueberreste auf Grund und Boden der Familie ruhen sollten, zu sehr am Herzen lag. Die unglücklichen Kriegsstürme, die über das Vaterland hereinbrachen, störten die Ausführung dieses schönen Plans.“
Jena, den 18. November 1859.