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Antiochien in Syrien

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CCIX. Das Königsschloss in Madrid Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band (1838) von Joseph Meyer
CCX. Antiochien in Syrien
CCXI. Marokko
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ANTIOCHIA

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CCX. Antiochien in Syrien.




Schwacher Sterblicher, der du vor Allem zitterst, was dich an deine und deiner Werke Vergänglichkeit erinnert, trete an den Sarg einer Königin unter den Städten deiner Erde. Schaue auf! Dieser Haufe Ruinen, auf der ein neues Geschlecht niedrige Wohnungen gekleibt hat, Schwalben gleich an das verlassene Nest des Adlers, war die große Antiochia. – Nur ihr Name klingt noch und die Namen ihrer großen Männer; alles andere schweigt, selbst der Fußtritt der Jahrhunderte schleicht leise und unbemerkt neben ihrem Grabe hin. Alles Herrliche an ihr ist vergangen. Ihre Palläste, ihre Tempel, ihre Theater, Siegespforten und Ehrensäulen modern aufgelöst in chaotischem Schutt, oder, von der Hand der Zeit zu Staub gemahlen, sind sie verweht in alle Winde.

Armer Sterblicher, der du dein Stückchen Augenblick, das dein Geschlecht zu leben hat, von jeher mit der Ewigkeit verwechseltest, und das Sandkörnchen im Reiche Gottes, deine Erde, mit dem unendlichen All: es kommt die Zeit, wo auch das letzte Sonnenstäubchen der letzten Menschenwohnung im Aether sich wiegt, und alle Städte und Namen vergangen sind, wie der Hauch eines gestorbenen Kindes. Aber was liegt Erschreckendes in den Gedanken an die Hinfälligkeit deiner Werke? hat Gott nicht selbst den Seinigen die Dauer ihres Daseyns beschränkt? gab er seinen Welten mehr als einen Tag von seiner Ewigkeit? Siehst du nicht Planetentrümmer um die Sonnen fliegen? weißt du nicht, daß ganze Sonnensysteme, aufgelöst, um größere, unbekannte Sonnen kreisen, und chaotische Welten, aus lauter Weltruinen zusammen gesetzt, im unendlichen Raume ziehen? Aber Gott trägt die Särge seiner gestorbenen Welten leicht im Arme; Engel macht er aus den Weltenseelen, und in tausend Milchstraßen schimmern friedlich, nach wie vor, die Lichter seiner Himmel. Darum – denn was Gott seinen Schöpfungen versagt, kann er deinen nicht gewähren, – erschrecke nicht, wenn du die Uhr ausheben hörst, welche einem Menschenwerke die letzte Stunde schlägt. Hübe sie aber aus, um die deinige zu schlagen, und du hörtest es, – dann sey freudig! Denn, vergiß es nicht! höchste Geisterweihe bringt die Sterbestunde und der Unsterblichkeit Kranz reicht der Tod dir. –


[59] Mehre Antiochien kannte der Osten. Zwei nennt die Bibel: eins in Pisidien, und das in Syrien. Dieses, die stolze Hauptstadt des Syro-macedonischen Reichs, das berühmteste aller, stellt der Stahlstich dar.

Seleucus Nicanor baute die Stadt, machte sie zu seiner Residenz, und gab ihr den Namen nach seinem Vater. Sie blieb die Capitale Syriens während der Herrschaft der Seleuciden und Roms. Jahrhunderte hindurch blühete sie, eine der schönsten, volkreichsten Orte Asiens. Die Lehre des Heilands fand hier, zur Zeit der Apostel, welche öfters da weilten, seine zahlreichsten Bekenner. Der Name der Christen kam zuerst dort auf. Viele der berühmtesten Kirchenväter waren antiochische Priester. Daher das Ansehen der hiesigen Kirche im ganzen Orient. Noch hat der Bischof Titel und Würde eines Patriarchen.

Erdbeben, Krieg und Seuchen haben, seit dem Verfall des römischen Reichs, gewetteifert, Antiochien zu verderben. Die Erdbeben von 340, 394, 396, 458, 526, 528, waren Katastrophen, welche der Stadt ihre herrlichsten Gebäude nahmen, und Hunderttausenden ihrer Bewohner das Leben kosteten. Im letzterwähnten Jahre ging es gänzlich zu Grunde. Kaiser Justinian baute es wieder auf und schickte 30,000 Familien hin, es neu zu bevölkern. Nicht lange nachher fiel Chosroes, der Perser-König, in Syrien ein (548). Antiochien nahm er mit stürmender Hand, massakrirte die Einwohner und steckte es in Brand. Justinian baute es zum zweiten Male: – zum zweiten Male eroberte es auch Chosroes. Jetzt schleifte er es. Doch zum dritten Male erstand es auf des Kaisers Befehl prächtig aus den Trümmern! Aber schon 580 zerstörte es ein Erdbeben wieder und begrub 60,000 Menschen in seinen Schutt. – Im siebenten Jahrhundert stritten Sarazenen und Byzantiner um seinen Besitz; oft wechselte Antiochien die Herren, und in den Eroberungsstürmen war kein Gedeihen. Nur erst, als die Herrschaft der Araber sich in diesen Gegenden befestigte, bekam es neue Bedeutung als ein Hauptwaffenplatz der Sarazenen. Die Heere der Kreuzfahrer schlugen unter seinen Mauern viele Schlachten. Antiochien wurde ein Preis ihrer Siege. Sie behaupteten von 1098 bis 1268 dessen Besitz. Endlich eroberten es die Türken. Diese übergaben die männlichen Einwohner dem Schwerte, führten Weiber und Mädchen als Sklaven fort, rissen die christlichen Kirchen nieder, und vertilgten alle Spuren des christlichen Kultus. Niemals hat es seitdem gute Tage wieder gesehen. Ein elendes, kümmerliches Daseyn schleppte es fort bis zum fürchterlichen Erdbeben im Jahre 1822, welches vollendete, was der türkische Druck allein nicht vermochte. Es verwandelte Antiochien in einen Schutthaufen. Der seitherige Wiederaufbau verdient diesen Namen nicht. Antiochien, das einst über eine halbe Million Bewohner hatte, zählt gegenwärtig kaum 11,000. Seine unverwüstlichen, alt-sarazenischen Mauern, ein Werk, das selbst den Erdbeben widerstand, giebt ihm, von weitem, immer noch das Ansehen einer großen Stadt; doch ihr Inneres füllen Weinberge und Felder, Ruinen und Schuttberge, unter denen die heutige Stadt, einige halb eingefallene Straßen und zerstreute Wohnungen, kaum bemerkt wird.