Auf der Fahrt zur Schule
[164] Auf der Fahrt zur Schule. (Zu dem Bilde S. 149.) Wie mahnt doch das hübsche Kinderbild hier an den ungeheuern Wandel der Verhältnisse seit wenig Jahrzehnten! Eisenbahn fahren – der höchste Wunsch früherer Knaben- und Mädchengenerationen – ist heute zur alltäglichen Gewohnheit der großstädtischen Vorortsjugend geworden, kein Blick fällt mehr durch die Scheiben auf das vorüberfliegende Feld hinaus: man ist froh, noch schnell einmal die Lektionen zu überlesen, denn trotz den Anforderungen der Neuzeit ist doch der Fleiß während des Sonntags durchaus nicht größer geworden, als er vor Erfindung der Eisenbahnen war. Der Künstler zeigt uns ein paar Haupttypen der Schule hier auf den Holzbänken vereint: den gewissenhaften Büffler im soliden Ueberzieher, wie er unruhig eine schwache Stelle in seinem Heft erwägt, den helläugigen guten Lernkopf, dessen Finger auf die richtige Lösung deutet, das hübsche Mädchen mit dem blonden Lockenhaar und dem plötzlichen Fleiß im Bewußtsein böser Lücken in den gelernt sein sollenden Zeitwörtern, den braven kleinen Abcschützen, der seine neue Fibel als kostbares Gut ans Herz drückt, und endlich über ihm, aus der andern Abteilung herüberlangend, den lustigen Schlingel, dem das Nachlernen nicht im Traume einfällt.
Gerade hat er sich mittels Lineal, Schnur und Griffel ein sinnreiches Instrument konstruiert, um den arglosen Kleinen aus seiner tugendhaften Versunkenheit herauszukitzeln, und wird, wenn ihm dies gelungen, nicht zögern, auch dem älteren Teil der Gesellschaft eine entsprechende Aufmerksamkeit zu erweisen. Es scheint also, daß der Schuljungenhumor noch ebensowohl in den Schülerzügen der Neuzeit vorkommt wie auf dem schneeverwehten beschwerlichen Schulweg der alten. Und das ist gut, es wäre auch wirklich schade um ihn gewesen! Bn.