Aus Robert Blum’s Leben (9)

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Autor: Hans Blum
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Titel: Aus Robert Blum’s Leben. 9. In der Paulskirche und daheim
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 644–647
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Aus Robert Blum’s Leben.
9. In der Paulskirche und daheim.

Wenn man beklagen muß, daß Robert Blum seine Thätigkeit im Deutschen Parlamente nach einem von Anfang an unerreichbaren Ziele richtete, so erscheint andererseits sein Charakterbild auf diesem Höhepunkt seines politischen Wirkens in edelster Reinheit und Größe. Voll entfaltete sich hier sein hohes natürliches Talent. Er war der anerkannte Führer der Linken. Auch die Gegner waren bezaubert von der gewaltigen Macht seiner Rede. Sie ist stets getragen von tiefster, innerlichster Ueberzeugung. Sein monatelanges Wirken in Frankfurt war aber auch ein Beispiel von Pflichterfüllung im Dienste des Vaterlandes, ein so hingebendes Opfer aller persönlichen Interessen, wie es wenige unter den sechshundert Abgeordneten der Paulskirche dargebracht haben mögen. Denn Blum zog nach Frankfurt ohne Mittel, fort von einem kaum gegründeten jungen Geschäft, das ihn und die Seinen unmöglich schon nähren konnte. Die Abgeordnetendiäten reichten nicht einmal für ihn allein, geschweige denn für die Seinen. Unter den drückendsten Sorgen um’s Dasein hat er seine Pflicht für das Vaterland gethan: denn nun waren die Tage gekommen, die er schon kommen sah, ehe er seinen Herd begründete, die ihn zu höherem Wirken beriefen, als zur Sorge für Weib und Kind und Haus. Vor Allem aber ist Eins Robert Blum zu danken: all die gefährlichen Ausbrüche mit bewaffneter Hand, welche das Jahr 1848 aufzuweisen hat, wären noch bei weitem gefährlicher und blutiger geworden, hätten viel breitere Schichten des Volkes ergriffen, wenn Blum sich mit seinem großen Einfluß und Anhang auf die Seite der bewaffneten Empörung gestellt hätte. Er hat das Gegentheil gethan, und er hat sich dadurch das Eine verscherzt, was er im vollsten Maße besaß: die Gunst der Massen.

In das Parlament wurde Blum so gut wie einstimmig von Leipzig gewählt. Sofort mit Eröffnung des Parlaments – an jenem unvergeßlichen 18. Mai – beginnt wieder unendliche Arbeit für den Führer der Linken. „Der Sturm hat seit vorgestern begonnen“ – schreibt er der Frau am 19. Mai – „und Tag und Nacht vermengen sich bei uns in der sonderbarsten Weise. Erwarte daher jetzt keine Briefe! Ab und zu ein Zettelchen sollst Du haben. George[1], Schaffrath und ich – wir wohnen jetzt zusammen in einer prächtigen Wohnung mit schönem Garten und bezaubernder Aussicht; Georg ist der unerbittliche Wecker, wenn wir Morgens oft nur zwei, höchstens drei Stunden geschlafen haben. Denn frühestens kommen wir ein Uhr nach Hause und stehen schon um vier Uhr wieder auf. Bleibt recht gesund und munter! Wenn Ihr könnt, so schlaft etwas für mich, denn ich erhalte jetzt meinen Bedarf nicht.“ Am 30. Mai schreibt er der Frau: „Also unsere Leute kümmern sich gar nicht um Dich. Nun, Du kannst ja mitunter mit Cramer’s und Friese’s ausgehen, damit Du und die Kinder doch wohin kommen. Bleibe nur gesund und spare nicht etwa zu sehr, sodaß Hans sagt: ‚Wir essen nichts.‘“

Die Klagen über die schwerste Sorge des Daseins ziehen sich durch viele Briefe der Gatten. Anfang Juli hatte Advocat Haubold in Leipzig, der spätere Vormund der Waisen Blum’s, seinen Freund Robert mit 350 Thalern überrascht, welche die wohlhabenden Freunde Blum’s in Leipzig für ihn aufgebracht hatten. Blum nahm die Summe nur an „als ein Darlehen, als eine heilige Schuld, die ich dem Vaterlande abzutragen habe. Und ich kann sie nicht besser abtragen, als wenn ich dem Vaterlande, der Freiheit, der Verbesserung der politischen und socialen Zustände meine Kraft, mein Leben, mein Gut und Blut widme, wo und wie es nöthig ist.“ Dennoch hat Blum diese Summe in Wahrheit nur als ein Darlehn betrachtet, denn am 18. September schrieb er an seine Frau: „Die Diäten vom Fünfzigerausschuß nutzen mir leider nichts, denn ich muß sie, sobald sie bezahlt sind, dem Leipziger Ausschuß erstatten, welcher damals für uns gesammelt hat.“ Jedenfalls ist das Geld für seine und der Seinigen dringendste Lebensbedürfnisse schnell genug verbraucht gewesen. Denn schon am 15. bis 16. Juli schrieb er an die Gattin: „Also werde gesund und bewahre mir die lieben Kinder! Aber die entbehren mich wohl gar nicht mehr? Warum muß man so arm sein, daß man dieselben gar nicht sehen kann! Leider bemerke auch ich, wie die Vierteljahre enteilen. Bereits ist der längste Tag vorüber, und ich habe vom Sommer nichts, gar nichts bemerkt, als daß die Hitze in der Paulskirche und in den Commissionslocalen unerträglich ist und mir oft nur alle acht Tage Zeit bleibt, einmal zu baden. Wir müssen wirklich große Opfer bringen an Kräften und Wohlsein, und wenn sie nur nutzten!“ „Paulskirche, den 2. August 1848: Mein Gott, schon August!“ Was Blum durch diese lange Abwesenheit von den Seinen, durch die Unmöglichkeit aus seinen Mitteln eine Reise nach Leipzig zu bestreiten, in gemüthlicher Hinsicht gelitten hat, das offenbaren uns vollständig erst die Briefe an seine Mutter und Schwester Margarethe nach Köln. Denn aus diesen erhellt mit Bestimmtheit, daß er seine Gattin schon 1846 für auszehrend hielt.[2] Gewiß, wiederholen wir, haben wenige Abgeordnete der Paulskirche ihrer patriotischen Pflicht so schwere Opfer gebracht.

In dieser monatelangen, ruhe- und beinahe freudlosen Thätigkeit bot die Pfingstreise der Linken in die Rheinpfalz (10. bis 14. Juni) eine wunderbar reiche geistige und körperliche Erfrischung. Beinahe die ganze dortige Bevölkerung harmonirte damals mit Blum’s Parteirichtung. Nun denke man sich die ganze Linke des Parlaments von der „fröhlichen Pfalz“ eingeladen und bewillkommnet, von Deidesheim und Neustadt an bis Edenkoben, Gleisweiler und zur majestätischen gewaltigen Ruine des Eschbacher Schlosses geleitet von Tausenden von Bürgern; in jedem größeren Orte zum Reden und dem landesüblichen Trinken gezwungen, beherbergt, gefeiert wie Gott in Frankreich – und man wird ermessen, welch reiche Freude hier Blum beschieden war. Alle Huldigungen wendeten sich ihm, dem Führer, zu, namentlich alle Huldigungen der patriotisch begeisterten Frauenwelt. [646] Und wie nahm Blum sie auf? Am 25. Juni schreibt er der Gattin, nachdem er ihr von der Pfälzer Reise und den ihm von den Pfälzerinnen gespendeten Gunstbezeigungen erzählt: „Das ist ein schönes Zeichen, aber vor persönlicher Eitelkeit bewahrt mich erstens jeder Blick in den Spiegel, der mir sagt, daß ich nicht schön und vierzig Jahr alt bin. Zweitens das Bewußtsein, daß es nicht dem Manne, sondern dem Parteiführer gilt und ich also stets mit meinen Getreuen theilen muß, wobei mir sehr wenig bleibt. ... Ging es doch dem alten, häßlichen Mirabeau gerade so; hoffentlich werde ich demselben in anderer Beziehung nicht ähnlich.“

Noch als ich 1864 zum ersten Male in der schönen Pfalz war, traf ich überall die lebendigste Erinnerung an diese Pfingstreise der Linken und besonders an Robert Blum. „Hier hat er gestanden, gesprochen“ – erzählen noch heute die Alten, die damals jung waren. Und auf dem Eschbacher Schloß stand einst auf steinerner Platte eingegraben, daß hier auf den Trümmern des gebrochenen Bischofssitzes, von wo der Blick umspannt die Höhen des Schwarzwaldes von Baden-Baden, die Vogesen von Straßburg an bis zu dem fernen Kaiserstuhl von Heidelberg und dem ferneren Melibocus der Bergstraße, Robert Blum gesprochen habe zum Volke über seine heiligsten Rechte und Ziele. Der Stein ist zerschlagen von der Wuth einer baierischen Soldatenschaar. Neue Trümmer haben sich zu den Trümmern gesellt, die einst Melac’s Wüthriche gebrochen. Die Gebeine des gefeierten Redners und Volksmannes modern an den Ufern der Donau. Das erzählt das Eschbacher Schloß von der Pfingstfahrt der Linken.

Nach fast fünfmonatlicher Abwesenheit von Leipzig war es Robert Blum vergönnt, Mitte August die Seinen wiederzusehen, auf wenige Tage wieder sein Haus zu betreten. Aber nur mit tiefem verhaltenem Schmerz mochte er der Gattin in’s Auge blicken. Sie war im Sommer schwer erkrankt. „Jenny hatte sich mühsam und eben wieder etwas erholt, war aber noch keineswegs wieder gekräftigt. Meine Vermuthung, daß sie die Auszehrung habe, bestätigt sich, und ich weiß wahrlich nicht, ob ich es preisen oder beklagen soll, daß ich hier bin. Zeuge einer Krankheit zu sein, die mit furchtbarer Langsamkeit den Menschen aufreibt, ist entsetzlich; fern zu sein, ist um so entsetzlicher, als bei der Zunahme der Kraftlosigkeit die Kinder natürlich verwildern und den Vater doppelt bedürfen.“ So schrieb er am 29. August von Frankfurt an Mutter und Schwestern.

Natürlich durfte Blum auch in Leipzig nicht auf ein idyllisches Stillleben im Familienkreise hoffen. Tag und Nacht nahmen die politischen Freunde den gefeierten Volksmann in Beschlag mit Versammlungen, Volksfesten, Ehrenbezeigungen aller Art. Was immer das Herz des Mannes mit Stolz und Freude erfüllen kann, hat damals Leipzig seinem Abgeordneten geboten. Noch heute leben jene Festestage, die Robert Blum von der ganzen Bevölkerung der Stadt dargebracht wurden, in der Erinnerung des Volkes; namentlich der gewaltige Fackelzug, der an seinem bescheidenen Hause in der Eisenbahnstraße vorüberwallte, über eine Stunde lang, mit zehntausend Fackeln; noch unvergessener ist die Rede, die Blum am 16. August 1848 im Garten des (alten) Schützenhauses vor zehn- bis zwölftausend Hörern hielt. Er gab hier einen Rechenschaftsbericht über sein Verhalten im Vorparlament, im Fünfzigerausschuß und der Paulskirche. „Ich beginne damit,“ sprach er, „daß ich nach langer Abwesenheit einen herzlichen Gruß an Sie richte, den Gruß, den man den Seinen bringt (Stimmen: es lebe Blum!) bei endlichem Wiedersehen. Eine gewaltige Zeit ist in unserm Vaterlande dahingegangen, seit wir uns nicht gesehen. In dem Gesetze, welches die Vertreter des Volkes schaffen und feststellen sollen, sehen meine Genossen und ich die Bürgschaft der Einheit unseres Vaterlandes, basirt auf die einzig dauernde Grundlage der Freiheit, durch welche die Größe und Kraft eines Volkes allein wachsen und gedeihen kann.“ Er schildert dann, wie er von Anfang an im Sinne dieser gesetzlichen Entwickelung in Frankfurt gewirkt habe gegen die Reaction wie gegen die Anarchie, wie ihn das Vertrauen des Fünfzigerausschusses nach Köln, Coblenz, Aachen, Mainz etc. als Commissar gesandt habe, um dort nach blutigen Empörungen „die Einheit, das Recht und den Frieden zu befördern, und diejenigen, die mich gesandt hatten, waren mit mir zufrieden“. Nachdem er dann aller wichtigen Beschlüsse der Nationalversammlung gedacht und seine und seiner Partei Haltung in derselben beleuchtet hatte, schloß er: „So also werde ich fortfahren. Ich werde festhalten an der Einheit, die ruht auf der Freiheit, an der einzig haltbaren Grundlage und an der Beförderung des Volkswohls nach meinen Kräften. Die Grundzüge meines Handelns stehen fest, und ich werde nicht von ihnen wanken. Das ist ein schlechter Soldat, der sich zurückzieht vom Schlachtfelde, weil er eine Niederlage erhalten hat. (Allgemeiner Applaus.) Die Linke wird die Paulskirche nicht verlassen; sie wird bleiben und aushalten, wie der Würfel auch fallen möge; sie wird immer auf’s Neue kämpfen für ihre Ansicht. Aber sie wird und muß sich auch fügen der Mehrheit und ihren Beschlüssen. Was einmal die Mehrheit gewollt hat, das ist Gesetz und die Linke wird dasselbe anerkennen als heiligen Willen der Nation, deren Vertreter es gegeben. (Großer Beifall.) Und so scheide ich von Ihnen, geehrte Mitbürger, mit der offenen Darlegung meines Bekenntnisses und der heiligsten Versicherung, das Wohl des Volkes, die Freiheit und Einheit des Vaterlandes zu vertreten nach Kräften und, wenn es die Zeit erfordert, freudig Gut und Blut dafür aufzuopfern.“

So tief die Wirkung dieser Rede, dieser Feste war, so hat doch Robert Blum’s Reise nach Leipzig ihren wahren eigentlichen Zweck, den nämlich: die mehr und mehr aus einander fallenden demokratischen und fortschrittlichen Elemente Leipzigs und des Landes sämmtlich, wie ehedem, unter Blum’s Führung zu vereinigen und an seinen guten Namen zu fesseln, nicht erreicht. Als er Sachsen Ende März verlassen, war sein Einfluß unter den politischen Männern des Landes bei weitem der größte gewesen. Die Wahlsitze im Landtag, im Parlament wurden damals beinahe ausschließlich von ihm vergeben. Nur vier bis fünf entschiedene Anhänger der Erbkaiserpartei sandte Sachsen in’s Parlament. In Leipzig vollends war Blum’s Einfluß im März 1848 fast dominirend. Sein Leipziger Blatt, das sich mit der Revolution des Jahres 1848 wieder „Vaterlandsblätter“ nannte, war die gelesenste politische Zeitung des Landes. Von Frankfurt aus wirkte er außerdem durch die von ihm dort mit Günther begründete „Deutsche Reichstagszeitung“. Die von ihm in’s Leben gerufenen sächsischen „Vaterlandsvereine“ waren im März zu einer einheitlich organisirten, im ganzen Lande nach seinem Willen einheitlich und energisch handelnden Macht im Staate geworden.

Das Alles war in den wenigen Monaten seiner Frankfurter Abwesenheit in’s Schwanken gerathen. Denn erstes war an dem Bewußtsein, die große Mehrheit des Frankfurter Parlaments hinter sich zu haben, in Leipzig die gemäßigt liberale Partei, die fest und bestimmt auf ein monarchisches Oberhaupt aus dem preußischen Herrscherhause hinsteuerte, immer mehr erstarkt, und im Parlament saßen ihre Mitglieder Biedermann und Koch, der spätere gefeierte Bürgermeister Leipzigs. Auch die Fehler der politischen Haltung der Linken in Frankfurt erhöhten den Einfluß dieser „Deutschen Partei“ in Leipzig und im Lande täglich. Schon Anfang Juli war von dieser Partei, die ihre Agitation durch die „Deutschen Vereine“ über das Land spann, bei der Nationalversammlung eine mit 9600 Unterschriften bedeckte Adresse überreicht worden, welche sich gegen die Republik aussprach. Diese eine Thatsache schon hatte Blum bereits am 6. Juli 1848 einen Brief „an die Generalversammlung der Sächsischen Vaterlandsvereine zu Dresden“ entlockt, der trotz aller Zuversicht in die Gesinnung der Adressaten doch deutlich zeigt, wie ernst Blum die Gefahr ansah, welche die „Deutschen Vereine“ seinem politischen Einflusse bereiteten, und mit welchen Mitteln er dagegen zu operiren gedachte. Es sollte der Trumpf des republikanischen Particularismus gegen das Project des Erbkaiserthums der Mehrheit des Frankfurter Parlaments ausgespielt werden.

Nun, da Blum in Leipzig am 16. August sein Verhalten vertheidigt, sprachen die Führer des „Deutschen Vereins“ in Leipzig im Tageblatte in einer öffentlichen „Erklärung“ vom 18. August offen aus, warum sie mit dem Vertreter Leipzigs im Parlament unzufrieden seien und die Versammlung im Schützenhause nicht besucht hätten. Der Vorwurf „undeutscher Gesinnung“, der hier gegen Blum erhoben wurde, war gewiß unberechtigt, aber im Uebrigen traf die kurze Erklärung scharf und schneidend die Fehler seiner Parteipolitik. Blum’s sehr umfangreiche Entgegnung („Offener Brief“) aus Frankfurt vom 25. August 1848 widerlegt mit Glück, was zu widerlegen war, den ungerechten Vorwurf undeutscher Gesinnung. Aber dem Unparteiischen wird kaum entgehen, [647] daß er in diesem Federkriege eine Niederlage erlitten hat. Daß ihm selbst nicht ganz wohl dabei war, verrieth seine leidenschaftliche persönliche Sprache im „Offenen Briefe“, die ihm sonst, auch in der Rede im Schützenhause, so fern lag.

Aber noch weit peinlicher als dieses Anwachsen gegnerischer Kräfte mußte ihm sein der sichtliche Zerfall der Disciplin und Einigkeit im eigenen Lager.[3] Das Aergste geschah durch einen gewissen Jäkel, welcher damals die Rolle eines Dictators der sächsischen Volkssouveränetät spielte und an Robert Blum schrieb: „Lieber Blum! Nur wenige Worte. Daß Du nebst Günther mit Ablauf dieses Quartals von der Redaction der ‚Vaterlandsblätter‘ zurücktrittst, wird hier allgemein (!) erwartet. Das Blatt ist zu scheußlich, zu charakterlos. Unzählige (!) Schreiben, die bei dem Centralausschusse aus der Provinz eingegangen, sprechen ihre Verwunderung darüber aus, wie Eure Namen noch auf diesem reactionären Blatte stehen können.“

Es würde unbegreiflich erscheinen, daß ein Robert Blum sich dazu herbeiließ, diesen Zumuthungen und unverlangten Rathschlägen Folge zu leisten, wenn damals bei ihm und seinen Parteigenossen in Frankfurt nicht der unselige Gedanke zum Durchbruch gekommen wäre, mit Hülfe des radikalen Particularismus die monarchische preußische Majorität in Frankfurt zu bekämpfen. Energisch warnten ihn Leipziger Freunde. Mehr noch als die überzeugende Darstellung treuer Freunde hatte aber inzwischen bei Blum einen Umschwung der Meinung jene unselige Katastrophe bewirkt, welche wir heute in unserer Erinnerung als die Frankfurter Septembertage zusammenfassen.

Hans Blum.
  1. Günther, sein Schwager, gleichfalls Parlamentsmitglied.
  2. Sie ist erst am 15. März 1874 an Altersschwäche gestorben.
  3. Dieser mehr localen, auf die Vaterlandsvereine in Sachsen beschränkten Kämpfe wird der Herr Verfasser in seiner ausführlichen Lebensgeschichte Robert Blum’s den nöthigen Raum anweisen. Hier konnten wir nur das erwähnen, was auch außerhalb Sachsens Interesse hat.
    Die Redaction.