Aus Sturmes Noth

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Titel: Aus Sturmes Noth.
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aus: Wochenblatt der Johanniter-Ordens-Balley Brandenburg. Jg. 36 Nr. 36, Berlin, den 4. September 1895, S. 216
Herausgeber: Verantwortlicher Redacteur Geh. Hofrath Carl Herrlich
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Carl Heymanns Verlag
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Erscheinungsort: Berlin
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Aus Sturmes Noth.

Unter dieser Ueberschrift theilt man den „Münchener N. N.“[1] aus Schleswig-Holstein folgende Begebenheit mit: An einem eiskalten stürmischen Morgen wurden die Leute in dem nicht weit vom Strande gelegenen Fischerdorf durch einen Kanonenschuß auf See geweckt. Alle wußten, was das zu bedeuten hatte,[2] und begaben sich in größter Eile an den Strand. Etwa eine halbe Viertelmeile von der Küste saß ein Schiff auf dem Riff, rettungslos verloren. Die Besatzung war in die Masten geklettert und hatte sich an das Tauwerk angeklammert, um nicht von den Wellen fortgespült zu werden. „Rettungsboot klar!“ Und das Boot wurde ausgebracht, aber sein beherzter Führer Harro war nicht da, er hatte sich früh morgens in das Nachbardorf begeben. Es war unmöglich, auf ihn zu warten; jede Minute ließ voraussehen, daß das Schiff in Trümmer zerschlagen werde. Acht Mann ruderten hinaus in den rasenden Sturm. Sie erreichten das Wrack und schafften die armen Schiffbrüchigen in das Boot. Aber einer blieb zurück. Hoch oben im Mast hing er, schwer und steif infolge der Kälte, und sie wagten nicht, ihn herabzuholen, denn das Boot war überladen, der Sturm nahm zu und ihrer aller Leben stand auf dem Spiel. Als sie ans Land kamen, war Harro da. Er fragte, ob man alle habe, und so hörte er denn von dem letzten im Mast. „Ich werde ihn holen!“ rief er, „geht ihr mit?“ Aber sie wollten nicht, sie meinten, es sei unmöglich. Harro sprang ins Boot: „Dann gehe ich allein.“ In diesem Augenblick erscheint seine Mutter am Strand. Sie bittet ihn: „Gehe nicht! Dein Vater blieb draußen .... und Uwe.“ Uwe war ihr jüngster Sohn, von dem sie seit Jahren nichts gehört hatte. „Gehe nicht! Deiner Mutter zu Liebe!“ „Und der draußen .... bist du dessen sicher, daß auch er nicht noch eine Mutter hat?“ Da schwieg die Alte, und vier Mann sprangen mit Harro ins Boot. Das Wrack stand schon ganz unter Wasser, als sie hinauskamen, und es hielt schwer, sich dem Schiffe zu nähern. Endlich gelingt es. Harro selbst klettert hinauf in die Wanten, um den fast erfrorenen Burschen herunter zu holen. Nun liegt er im Boot und landeinwärts geht's. Und als man dem Strande so nahe ist, daß Harros kräftige Stimme durch Sturm und Brandung dringen kann, da winkt und ruft er: „Sagt's der Mutter, es ist Uwe!“ (Bausteine.)[3][4]

Anmerkungen (Wikisource)[Bearbeiten]

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  1. richtig: Münchner Neueste Nachrichten
  2. im Original ohne Komma
  3. Sieben Monate zuvor, am 30. Januar 1895, war dieser Text in der folgenden, geringfügig abweichenden Fassung ohne Nennung der „Münchner N. N.“ oder einer anderen Quelle in der Allgäuer Zeitung Großes Blatt Nr. 49, S. 2 Google, zweite Spalte, erschienen:
    Aus Sturmes Noth.
    Man schreibt uns aus Schleswig-Holstein: Es ist eine wahre Begebenheit, von der wir hier erzählen wollen, und die sich, so romanhaft sie auch klingt, unlängst an unserer Nordseeküste ereignet hat. An einem eiskalten, stürmischen Morgen wurden die Leute in dem nicht weit vom Strande gelegenen Fischerdorfe durch einen Kanonenschuß auf See geweckt. Alle wußten, was das zu bedeuten hatte. An der Küste befanden sich Riff an Riff, an denen sich die See in gewaltiger Brandung brach, und kein Jahr verging, in dem nicht die Fluth hier mehrere Opfer forderte. Aber die Bewohner des Dorfes waren muthige und hilfsbereite Leute; sie hatten schon zahlreichen Unglücklichen das Leben gerettet und sie begaben sich auch heute, als sie den Schuß hörten, in größter Eile an den Strand. Etwa eine halbe Viertelmeile von der Küste saß ein Schiff auf dem Riff, rettungslos verloren. Die Besatzung war in die Masten geklettert und hatte sich an das Tauwerk festgeklammert, um nicht von den Wellen fortgespült zu werden. -- „Das Rettungsboot klar!“ -- Und das Boot wurde ausgebracht, aber sein beherzter Führer, Harro hieß er, war nicht da; er hatte sich Früh Morgens in's Nachbardorf begeben. Es war unmöglich, auf ihn zu warten; jede Minute ließ voraussehen, daß das Schiff in Trümmer zerschlagen werde. Acht Mann ruderten hinaus in den rasenden Sturm. Sie erreichten das Wrack und schafften die armen ermatteten Schiffbrüchigen in das Boot. Aber einer blieb zurück. Hoch oben im Mast hing er, schwer und steif in Folge der Kälte, und sie wagten nicht, ihn herabzuholen, denn das Boot war überladen, der Sturm nahm zu, und ihrer aller Rettung stand auf dem Spiel. -- Als sie an's Land kamen, war Harro da. Er fragte, ob man Alle habe, und so hörte er denn von dem Letzten im Mast. „Ich werde ihn holen!“ rief er, „geht Ihr mit?“ Aber sie wollten nicht, sie meinten, es sei unmöglich. Harro sprang in's Boot: „Dann gehe ich allein!“ In diesem Augenblick erscheint seine Mutter am Strand. Sie bittet ihn: „Geh' nicht! Dein Vater blieb draußen .... und Uwe!“ -- Uwe war ihr jüngster Sohn, von dem sie seit Jahren nichts gehört hatte. -- „Gehe nicht! Deiner Mutter zu Liebe!“ -- „Und Der draußen .... bist du dessen sicher, daß auch er nicht noch eine Mutter hat?“ -- Da schwieg die Alte, und vier Mann sprangen mit Harro in das Boot. Vorwärts geht es, der Brandung entgegen, aber es geht langsam! Das Wrack stand schon ganz unter Wasser, als sie hinauskamen, und es hielt schwer, sich dem Schiffe zu nähern. Endlich gelingt es. Harro selbst klettert hinauf in die Wanten, um den fast erfrorenen Burschen herunter zu holen. -- Nun liegt er im Boot und landeinwärts geht's. Und als man dem Strande so nahe ist, daß Harro's kräftige Stimme durch Sturm und Brandung dringen kann, da winkt und ruft er: „Sagt's der Mutter .... es ist Uwe!“

  4. Vergleiche auch Uwe's Rettung. in der deutschsprachigen Tageszeitung Indiana Tribüne, Indianapolis, vom 22. Februar 1895, S. 2, newspaperarchive.com, vierte Spalte:
    Es ist eine wahre Begebenheit, von der wir hier berichten wollen und die sich, so romanhaft sie auch klingt, unlängst an der Nordseeküste ereignet hat. An einem eiskalten stürmischen Morgen wurden die Leute in dem nicht weit vom Strande gelegenen Fischerdorf durch einen Kanonenschuß auf See geweckt. Alle wußten, was das zu bedeuten hatte. An der Küste liegt Riff an Riff, an denen sich die See in gewaltiger Brandung brach, und kein Jahr verging, in dem nicht die Fluth hier mehrere Opfer forderte. Aber die Bewohner des Dorfes waren muthige und hilfsbereite Leute, sie hatten schon zahlreichen Unglücklichen das Leben gerettet und sie begaben sich auch heute, als sie den Schuß hörten, in größter Eile an den Strand. Etwa eine halbe Viertelmeile vor der Küste saß ein Schiff auf dem Riff, rettungslos verloren. Die Besatzung war in die Masten geklettert und hatte sich an das Tauwerk festgeklammert, um nicht von den Wellen fortgespült zu werden.
    „Das Rettungsboot klar!“
    Und das Boot wurde ausgebracht, aber sein beherzter Führer, Harro hieß er, war nicht da; er hatte sich früh Morgens in das Nachbardorf begeben. Es war unmöglich, auf ihn zu warten; jede Minute ließ voraussehen, daß das Schiff in Trümmer zerschlagen werde. Acht Mann ruderten hinaus in den rasenden Sturm. Sie erreichten das Wrack und schafften die armen ermatteten Schiffbrüchigen in das Boot. Aber einer blieb zurück. Hoch oben im Mast hing er, schwer und steif in Folge der Kälte, und sie wagten nicht, ihn herabzuholen, denn das Boot war überladen, der Sturm nahm zu, und ihrer aller Rettung stand auf dem Spiel. Als sie an's Land kamen, war Harro da. Er fragte, ob man Alle habe, und so hörte er denn von dem Letzten im Mast. „Ich werde ihn holen!“ rief er. „Geht Ihr mit?“ Aber sie wollten nicht, sie meinten, es sei unmöglich. Harro sprang in's Boot: „Dann gehe ich allein!“ In diesem Augenblick erscheint seine Mutter am Strande. Sie bittet ihn: „Geh' nicht! Dein Vater blieb draußen -- und Uwe!“
    Uwe war ihr jüngster Sohn, von dem sie seit Jahren nichts gehört hatte.
    „Geh' nicht! Deiner Mutter zu Liebe!“
    „Und der draußen -- bist du dessen sicher, daß er auch nicht noch eine Mutter hat?“
    Da schwieg die Alte, und vier Mann sprangen mit Harro in das Boot. Vorwärts geht es, der Brandung entgegen, aber es geht langsam! Das Wrack stand schon ganz unter Wasser, als sie hinauskamen, und es hielt schwer, sich dem Schiffe zu nähern. Endlich gelingt es. Harro selbst klettert hinauf in die Wanten, um den fast erfrorenen Burschen herunter zu holen.
    Nun liegt er im Boot und landeinwärts geht's. Und als man dem Strande so nahe ist, daß Harros kräftige Stimme durch Sturm und Brandung dringen kann, da winkt und ruft er: „Sagt's der Mutter -- es ist Uwe!“